Junge Neonazis leugnen Holocaust
vor israelischen Journalisten:
Die Regierung des Landes Brandenburg zeigt sich bestürzt
Schulprojekte
als Ausweg?
Auf Einladung einer Münchener
Medieninitiative bereisten am Dienstag letzter Woche junge israelische
Journalisten Ostdeutschland. So kam die Gruppe auch nach Greifenhain, wo ein
Kreisjugendpfarrer Gesprächsrunden mit Rechts- und Linksradikalen anbietet.
Was dort geschah, machte in der gesamten Bundesrepublik Schlagzeilen.
Jugendliche, die die Gruppe aus
Israel traf, behaupteten im Holocaust wären nur 80.000 Juden getötet
worden. Hitlerreden wurden abgespielt und zum Abschluß wurde ein
schmissiges Nazilied zu Gehör gebracht. Am Gespräch beteiligte sich eine
kleine Gruppe von rechten Jugendlichen, eine Gruppe von Skinheads
wartete in der Nähe der Kirche. Die 10 israelischen Journalisten zeigten
sich nach dem Gespräch mit den Jugendlichen bestürzt.
Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat -
nach einer Anzeige der jüdischen Gemeinde Brandenburg - Ermittlungen
wegen des "Verdachtes der Volksverhetzung und wegen Verwendens
verfassungsfeindlicher Kennzeichen" aufgenommen, so Staatsanwalt Erardo
Rautenberg zum Autor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Cottbus
richten sich nach Informationen des "Jüdischen Berlin" bis dato gegen
unbekannt, der Staatsschutzbereich sei damit befasst.
Den Jugendlichen wurde inzwischen
eine Möglichkeit angeboten, mit den israelischen Journalisten noch
einmal - diesmal ohne Öffentlichkeit - zu sprechen. Dieses Angebot wurde
nicht wahrgenommen.
Auch die Regierung des Landes
Brandenburg zeigte sich ob der Vorfälle bestürzt. Justizminister
Bräutigam besuchte den Ort, dessen Anwohner gerne betonen, die Neonazis
kämen vom Nachbarort. Die Greifenhainer sehen sich eher in der
Opferrolle: "Greifenhain wird zum Inbegriff für Neonazis", so ein
Passant auf Anfrage.
Was die Greifenhainer gegen die Nazis
tun? "Nichts, was sollen wir tun?" Ratlosigkeit allenthalben.
Ratlosigkeit, die die Gleichgültigkeit verdeckt und stillschweigendes
Einvernehmen verbirgt. Wer soll sich aufregen - über verbale Gewalt und
Volksverhetzung, wo doch seit langem Einschüchterung, Körperverletzung,
Totschlag und Mord zum Alltag gehören - und oft genug nur noch lokal
wahrgenommen werden.
Einen Weg, der eine erfolgreiche Alternative zum bestürzten Wegschauen
aufzeigt, beschreiten die Jüdische Gemeinde zu Berlin und der größte
jüdisch-europäische Web-Service haGalil onLine. Gemeinsam werden im
Gemeindehaus Fasanenstrasse kleine Workshops mit Schulklassen aus Berlins
Umland abgehalten.
Norma Drimmer, die engagierte
Kulturdezernentin der größten jüdischen Gemeinde im deutschsprachigen
Raum, ist Urheberin und Fördererin solcher Verständigung: "Bildung und
Wissen, aber auch menschliche Begegnung und Kennenlernen, helfen
Vorurteile und Hass abzubauen" sagt sie. "Es ist dringend notwendig
neuartige Wege zu beschreiten um gegen die immer massivere nazistische
Propaganda zu immunisieren. Wir müssen Zivilcourage aufbauen und fördern
und den Widerstand gegen rechte Tendenzen stärken".
Der Rahmen der Workshops ist bewusst
persönlich und überschaubar gehalten. "Das persönliche Gespräch, die
menschliche Begegnung, wirkt oft vielmehr als Vorträge und
Podiumsdiskussionen. Erst vorgestern war hier eine Schulklasse aus
Brandenburg im Gemeindezentrum. Wir haben uns zusammengesetzt. Die
Schüler haben zugehört und sie haben erzählt. Diese Begegnungen sind
auch für uns lehrreich. Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung dieses
Projekts", so SLW von haGalil onLine in Berlin. Die Schüler, die aus
verschiedenen Klassen und Alterssstufen stammen, werden in haGalil
onLine eine Zusammenfassung veröffentlichen. Unsere Forderung an die
Verantwortlichen in diesem Lande, Aktionen und Initiativen, die sich
schon seit Jahren gegen die immer bedrohlichere Ausmaße annehmenden
NS-Aktivitäten stellen, endlich zu unterstützen, können wir hier nur
noch einmal wiederholen.
haGa / MB
- 07-99
Hintergrund:
haGalil onLine - 07-99 |