Historischer
Rückblick zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
Die Tschechische Republik hat eine lange Geschichte der Vielstaatlichkeit
geerbt. Aus der multinationalen Habsburger Monarchie war die multinationale
Tschechoslowakei hervorgegangen. Diese erste Republik, die nach dem ersten
Weltkrieg in Versailles erschaffen wurden, war zwar''not a ''Prison of
Nations'', but nonetheless a state of many nationalities'' . Nationale Konflikte
spielten auch keine unerhebliche Rolle bei dem Niedergang der Masaryk-Republik.
Nach dem zweiten Weltkrieg sollte daher ein Staat aus Tschechen und Slowaken
gebildet werden, andere ethnische Gruppen waren unerwünscht. So kam es zur
Vertreibung der Deutschen und Ungaren. Trotz allem war die kommunistische
Tschechoslowakei weiterhin Heimat für viele verschiedene Minderheiten. Neben
Tschechen und Slowaken zählte man Mähren, Ungarn, Romas, Polen, Deutsche,
Schlesier und Ukrainer. Die Tschechische Republik hat diese Aufteilungen zum
großen Teil geerbt, so dass sich für das Jahr 1995 folgende Aufteilung der
Bevölkerung ergibt: 94,4% Tschechen, 3% Slowaken, 0,6% Polen, 0,5% Deutsche,
0,3% Romas und 0,2% Ungarn .Der schlimmsten Diskriminierung war seit ihrem
Erscheinen in den tschechischen Ländern im 15. Jahrhundert die Volksgruppe der
Roma ausgesetzt . Den wandernden ''Zigeunern'' wurde verboten, in den Städten
Halt zu machen, man verkaufte ihnen keine Lebensmittel und untersagte ihnen
sogar, aus den Brunnen, Wasser zu schöpfen. Die Situation wurde so ausweglos,
dass die Roma gezwungen wurden, für ihr Überleben zu stehlen. Somit wurde durch
diese frühe Diskriminierung im Mittelalter ein Stereotyp geformt, dass leider
bis heute anhält. Noch heute wird allen Zigeunern nachgesagt, dass sie stehlen
wie die Raben.
Eine erste Gesetzgebung zur Einschränkung der Romas gab es bereits 1541. In der
Regierungsperiode Leopolds I. kam es zu einer Vertreibung aller Roma aus dem
Habsburger Reich, entlang der tschechischen Grenzen wurden tote Romas
aufgehängt, um andere abzuschrecken. Maria Theresia schlug dagegen eine harte
Assimilationspolitik an, die den Roma ihre eigene Sprache, Tracht, ihren Führer
und ihren Hauptberuf, den Pferdehandel verbot. Auch in der humanen ersten
Republik hörte die Diskriminierung nicht auf. Die Roma wurden zwar als eine
eigenständige ethnische Minderheit anerkannt, doch die bürokratischen Schikanen
wurden weiter verschärft, was das Bild des kriminellen Roma, dessen Wege ständig
kontrolliert werden müssen, noch vertiefte.
Im zweiten Weltkrieg erlitten die tschechischen Roma dasselbe Schicksal wie die
deutschen Sinti und Roma. In Lety bei Prag wurde ein Konzentrationslager für
Roma eingerichtet, 1943 wurden die Insassen zur Liquidierung nach Auschwitz
geschickt. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 wurde erneut eine harte
Assimilationspolitik betrieben. Die Roma wurden nicht als ethnische Minderheit
anerkannt, so wurden wiederum ihre Sprache, ihre nomadische Lebensgewohnheit und
ihre Siedlungen verboten. Um die Population zu verringern, wurden Frauen oft
ohne ihr Wissen oder für Geld, ihre schlechte wirtschaftliche Situation
ausnutzend, sterilisiert. Kinder wurden ihren Eltern weggenommen, um sie
''anständig'' zu erziehen.
Nach der samtenen Revolution, wo Romas mit Nicht-Roma Seite an Seite für ihre
Freiheit demonstrierten, wurde die Romani Civic Initiative Party (ROI)
gegründet. So wurden Romas für ROI, aber auch für Civic Forum oder die
kommunistische Partei Abgeordnete und Abgesandte. Schließlich wurde die Roma im
neuen tschechoslowakischen Staat als ethnische Minderheit mit denselben Rechten
anerkannt. Trotzdem nun also die gesetzliche Diskriminierung abgeschafft wurde,
bleiben Romas auch heute noch das erste Ziel rassistischer Angriffe.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit heute
Nach der samtenen Revolution von 1989 war, wie bereits schon 1968, ein neuer
Partikularismus erwacht. Positiv ist zu betrachten, dass ein Gesetzesentwurf der
Kommunisten, der Tschechisch als Staatssprache erklären wollte, mit großer
Mehrheit ablehnte wurde. Ministerpräsident Klaus ''argumentiert(e), sein Land
habe es nicht nötig, nationalistische Untertöne in die Gesetzgebung
einzubringen.''
Besonders aktuell bis in die heutigen Tage ist das Problem der Vertreibung der
Sudetendeutschen. Erst in den letzten Wochen, nach einigen diplomatischen
Schwierigkeiten bahnt sich ein Ausgleich an, der endlich eine Abschlusserklärung
der beiden Regierungen herbeiführen könnte . Trotzdem ist in einigen Teilen der
Bevölkerung die Abneigung gegen Deutsche noch immer groß. So haben sich seit
1991 beispielsweise verschiedene Klubs an der deutsch-tschechischen Grenze
gegründet, die einer offenen oder versteckten Germanisierung entgegentreten
wollen. Wenn diese Grenzlandklubs auch keine tätlichen Angriffe gegen Deutsche
verüben, so stimmt doch die Zahl der Mitglieder von 10.000 durchaus bedenklich.
Die Klubs haben ein eigenes Presseorgan und publizieren alle zwei Wochen eine
Seite im ''Spigl''. Problematisch ist auch der Umgang mit sehr kleinen Gruppen,
darunter vor allem Vietnamesen, die noch zu kommunistischen Zeiten als
Arbeitskräfte geholt, aber nicht mehr abgeschoben worden waren. Der öffentliche
Unmut richtet sich auch gegen andere Asiaten, Araber und Afrikaner.
Rassistische Übergriffe und Diskriminierung richten sich heute in einem großen
Masse gegen Romas, deren Anzahl in Tschechien auf ca. 300.000 geschätzt wird.
1992 wurde ein Passus in das Staatsbürgerschaftsrecht eingefügt, wonach nur
Personen, die in den letzten fünf Jahren keine Straftaten begangen haben, die
tschechische Staatsbürgerschaft erhalten können. Dabei ist offensichtlich noch
nicht geklärt, welche Straftaten damit gemeint sind. Würden beispielsweise auch
Verstöße gegen die Meldepflicht als solche zählen, müsste jedem dritte Roma die
Staatsbürgerschaft verweigert werden. Durch die schlechte Wohnungssituation in
Industriezentren wie Nordböhmen tauchen viele Neuankömmlinge aus der Slowakei
zunächst bei Verwandten unter. So kommt es, dass teilweise bis zu 20 Personen in
einer Zweizimmerwohnung ohne Dusche hausen . Viele Stadtverwaltungen denken
darüber nach, ob eigene Siedlungen für Roma gebaut werden sollen, was angeblich
deren Wohnungssituation verbessern würde, tatsächlich aber einem modernen Ghetto
entsprechen würden. Noch schlimmer werden die Roma in der Ausbildung
diskriminiert. Obwohl die Roma nur einen Bevölkerungsanteil von etwa 2-5%
ausmachen, stellen sie auf Schulen für geistig Behinderte 30%. Dieses Problem
ist sehr komplex. Einerseits werden die Kinder von Roma von den Lehrern oft
benachteiligt, so dass sie den Anschluss verlieren und die Schule verlassen
müssen. Andererseits haben sie oft eine große Sprachbarriere zu überwinden, vor
allem Kinder von Einwanderern aus der Slowakei. Und schließlich wollen viele
Kinder von vornherein auf die Sonderschule, da ihre ganzen Freunde dort sind.
Die Aufzählung der Diskriminierung ließe sich weit fortsetzen, sei es im Zugang
zu Restaurants und Diskotheken, öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Umgang mit
Behörden und Polizei. Leider bleibt es nicht nur dabei, Gewalttaten gegen Roma
nehmen ständig zu.
Das Innenministerium beziffert die Zahl der rassistisch motivierten Straftaten
von Januar 1993 bis Mitte 1994 mit 450 . Davon wurde ein Grossteil in Prag
begangen. Opfer der Übergriffe waren in den meisten Fällen Romas oder Personen,
die irrtümlich für Romas gehalten wurden. Die Straftäter waren vor allem
Skinheads, deren Brutalität ständig ansteigt. Die erste rassistische Straftat
nach der samtenen Revolution wurde 1990 in Pilsen von einem Skinhead, der einen
Türken erstach, begangen. 1991 mussten schon fünf Todesfälle verzeichnet werden,
alle Romas, darunter auch ein 7-jaehriger Junge, der auf dem Spielplatz von
einem Skinhead erdrosselt wurde. 1993 fielen ebenfalls fünf Menschen dem
Skinheadterror zum Opfer, dabei auch zwei Nicht-Roma, die zu Hilfe kommen
wollten und erschlagen wurden. Schließlich brachen Skinheads im Mai 1995 in das
Haus einer Roma-Familie ein und erschlugen den Vater vor den Augen seiner fünf
Kinder mit einem Baseballschläger. Erst jetzt reagierte die Regierung mit der
Überprüfung der Registrierung einiger fraglicher Organisationen. Zudem wurde das
Strafmass für rassistisch motivierte Straftaten erhöht. Die Bewegung der
Skinheads besteht aus 13 tschechischen und zwei internationalen Organisationen,
darunter beispielsweise die `Patriotische Liga´ oder die sehr militante Bewegung
`Hammerskins´. Neben diversen Musikbands, die ihre Bänder schwarz verkaufen und
so klangvolle Namen wie `Legion des Hasses´, `Diktator´ oder `Bulldog´ haben,
erscheinen etwa zehn offiziell nicht registrierte Zeitungen, darunter vor allem
der `Arische Kampf´, der Juden und Schwarze vehement angreift. In den letzten
fünf Jahren wurden insgesamt 225 Personen wegen rassistisch motivierter
Straftaten vor Gericht geführt.
hagalil.com
20-04-2002
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