Es wäre schon
wunderlich gewesen, wenn es bei der Konferenz in Camp David nicht
zum demonstrativen Kofferpacken und
Türenschlagen gekommen wäre. Immerhin geht es bei der
Verhandlung um den Status der Hauptstadt Irushalajim, um den
schwierigsten und komplexesten Aspekt des Konflikts.
Nach den
Nachrichten aus Camp David ist Barak der Gegenseite in der
Jerusalemfrage mehr entgegengekommen als jeder andere israelische
Regierungschef vor ihm. Dafür gebührt ihm alle Anerkennung, denn
ohne die Bemühungen um 'kreative Lösungen' in diesem Punkt hätte man
den Traum vom Gesamtabkommen mit den Palästinenser von vornherein
begraben können.
Auch wenn ein Ergebnis des
Nahost-Gipfels noch aussteht, so hat er doch bereits das Denken
beeinflusst. Der Status der Hauptstadt Irushalajim wird sachlich
diskutierbar. Die Debatte in Camp David über Jerusalem zwingt auch
die israelische Öffentlichkeit zu diesem Tabu-Thema Stellung zu
beziehen.
Anat Gov
schreibt in Jedioth achronoth, dass der Konflikt mit den
Palästinensern so lange nicht wirklich beigelegt werden kann, wie
wir keinen Kompromiss über Jerusalem schließen, über jenen Ort, auf
den zu verzichten uns am tiefsten schmerzt: "Wieviel Großmut uns das
abverlangt! Es ist dieselbe Großmut, die Awraham an den Tag legte,
als er das Land, das Gott nur ihm und seinen Nachkommen gegeben
hatte, mit Lot teilte, um den Bruderzwist zu vermeiden. Jerusalem
verdient eine solche Großmut. Die Frage ist, ob wir Jerusalem
verdienen."
Der Abgeordnete Jehoschua
Mazza sieht in den Zugeständnisse von Premier Barak die Gefahr von
Zuständen wie in Belfast. Barak handele ohne Rückhalt aus dem Volk.
Eben diesem Volk vertraut Mazza dann aber doch nicht soweit, dass er
ihm im von Barak versprochenen Volksentscheid über das endgültige
Abkommen die uneingeschränkte Entscheidung zugestehen möchte.
Deshalb will er schon am Montag auf die erste Kneseth-Lesung seines
'Jerusalem-Gesetzes' drängen. Dieses Gesetz soll jegliche
Gebietsübergabe in Jerusalem von vorneherein verbieten.
Arieh Naor spricht sich in
M'ariw für eine rationale Regelung aus. In Anlehnung an den 1995er
Entwurf der Friedensgruppe 'Gush Shalom' erhofft er sich für
die Zukunft der Stadt eine "Teilung der Souveränität auf ethnischer
Basis, unter Beibehaltung der munizipalen Einheit."
In diese Richtung denkt auch
der Jerusalem-Experte Professor Mosche Amiraw, der in der Trennung
von den Palästinensern keine zwangsläufige Spaltung der Stadt sieht:
"Es geht darum, die verschiedenen Ansprüche auf Oberhoheit in einem
städtischen Rahmen zu verwirklichen. Jerusalem hat 1967 28 Dörfer
eingemeindet, was eine kommunale Katastrophe war". In dieser
Einschätzung befindet er sich im Einklang mit Reuwen Merhaw, einem
weiteren Experten, den Barak vor einigen Tagen eilig nach Camp David
holen ließ.
Auch der ehemalige Minister
Ran Cohen stellt fest: "Die heiligen Stätten sind doch schon seit
Jahrzehnten autonom. Welche Fahne über ihnen wehen wird, ist
zweitrangig." Damit wiederholt er sinngemäß die
Entscheidung des obersten Rabbinats. Khwod haRaw Eljahu
Bakschi-Doron, der sefardische Ober-Rabbiner, hatte sich bereits vor
einem Monat für ein Verbleiben des Tempelbergs in Jerusalem unter
arabischer Verwaltung ausgesprochen. Moshe Dayan hatte schon 1967
direkt nach der Eroberung der Altstadt die israelische Flagge über
dem Tempelberg sofort nach ihrer Hissung wieder einholen lassen und
dem islamischen Rat, dem Waqf, die Kontrolle über den gesamten
Bezirk zugesprochen.
Selbst Avigdor Lieberman,
ehemaliger politischer Berater des früheren Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu, stellt nicht mehr die Teilung Jerusalems in den
Vordergrund seines Protestes. Shimon Peres verlor damals (1996) die
Parlamentswahlen gegen Netanjahu, weil die Rechte mit dem Slogan
"Peres und Barak wollen Jerusalem teilen" Stimmung machte. Heute
beklagt Liebermann den Zustand der israelischen Demokratie: "Barak
teilt nicht nur Jerusalem, sondern vor allem das Volk". Diese
Behauptung hatte schon Natan Scharansky zur Begründung seines
Ausscheidens aus der Koalition angeführt. Glaubwürdig war sie schon
damals nicht, weiß doch jeder, dass die Ansichten zur Lösung des
Konflikts nicht erst seit Baraks Teilnahme am Gipfel geteilt sind.
Um die Absurdität noch zu
steigern, behauptete Liebermann außerdem, Barak regiere ohne
Parlament und ohne Volk: "Barak sitzt in Camp David wie eine
Exil-Regierung." Widerlegt wird diese Einschätzung von den aktuellen
Umfrageergebnissen. Seit seiner Teilnahme am Gipfel und erst recht
nach seinem überraschenden Verbleiben in Camp David, steigt Baraks
Popularitätskurve wieder nach oben.
Kurz vor Beginn des Schabath
überschlagen sich hoffnungsvolle Gerüchte aus Camp David. Barak
sprach von einer kurz bevorstehenden Entscheidung, in ihrer
Bedeutung vergleichbar mit der Staatsgründung.
Schabath Schalom!
dg / haGalil
onLine 21-07-2000
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