iw 2000 / TSh''S
Am kommenden Dienstag
erscheint das Buch «Haider
– Schatten über Europa» von Hans-Henning Scharsach und Kurt Kuch.
Exklusiv druckt das iw als erste deutschsprachige Zeitschrift in dieser
und der kommenden Nummer Teile aus dem Buch ab, von dem der Künstler
André Heller sagt, wäre es früher erschienen, wären die EU-Sanktionen
gegen Österreich möglicherweise noch nicht aufgehoben worden.
Dezent, doch konstant:
Haiders
Antisemitismus
Auszüge aus dem Kapitel
«Haiders primärer und sekundärer
Antisemitismus».
Verleugnung und Bestätigung.
«Als Halbjude im Gerede»
Jörg Haider schreitet weder gegen
antisemitische Ausfälle seiner Parteifreunde noch gegen die antisemitische
Schreibweise von FPÖ-Medien wirkungsvoll ein. Er beschränkt sich darauf, den
vielfach dokumentierten Antisemitismus seiner Partei zu bestreiten oder gegen
jene zu klagen, die ihm Rassismus oder Antisemitismus vorwerfen. In einem
Interview der Zeitschrift «Profil» behauptet er im März 1999, er habe in seinem
ganzen Leben «noch nie etwas Antisemitisches gesagt».
Im Gespräch mit der «Jerusalem Post»
geht er Ende 1999 noch einen Schritt weiter. «Kein freiheitlicher Politiker»
habe je eine antisemitische Äusserung getan, behauptet er diesmal. Haider
verleugnet damit nicht nur ein Stück freiheitlicher Parteigeschichte, sondern
auch Jugend und Herkunft. Als Mitglied der schlagenden Schülerverbindung «Albia»
übt er als Jugendlicher Fechten an einer Strohpuppe, die eine Binde mit der
Aufschrift «Simon Wiesenthal» trägt. Als Student tritt er der schlagenden
Burschenschaft «Silvania» bei, die sein Jugendfreund Helmut Peter, der 1993 die
FPÖ verliess und zum Liberalen Forum wechselte, heute als «rabiat antisemitisch»
beschreibt.
Dass er «Jude» immer noch für ein
Schimpfwort hält, lässt Haider 1985 erkennen, als er seinen Vorgänger Norbert
Steger gegen das Gerücht in Schutz nimmt, jüdische Vorfahren zu haben. «Die
persönliche Ehre» eines freiheitlichen Politikers sei in Gefahr, wenn man ihn
«unter vorgehaltener Hand als Freimaurer oder Halbjuden ins Gerede bringt».
Dieser Satz ist nicht nur Eingeständnis des eigenen Antisemitismus, er bestätigt
auch, dass Haider seine Partei als antisemitisch einschätzt. In Wirklichkeit
unterscheidet sich Haiders Antisemitismus von dem seiner Parteifreunde nur
dadurch, dass er sich unterschwelliger, strafrechtlich schwer fassbarer
Ausdrucksformen bedient. Offene Anspielungen leistet er sich nur selten, etwa im
Waldheim-Wahlkampf, als er seinem Unmut über «gewisse Kreise in Amerika aus dem
jüdischen Element» Luft macht. Ein gutes Jahr später formuliert er: «So wie
Bronfman (Präsident des World Jewish Congress, d. Verf.) hat selbst Goebbels
(...) nicht gegen Österreich gehetzt.
Natürlich weiss er, wie populistische
Wahlkampf-Polemik gegen jüdische Politiker ankommt. Höhnisch kritisiert er
Unterrichtsminister Rudolf Scholten, der von FPÖ-Funktionären nach historischem
Vorbild als «Pfefferkorn» verhöhnt wird: «Wenn er gar nichts mehr weiss, fährt
er nach Israel und spendet dort 20 Millionen Schilling für eine Schule.»
Reporter, die seinen Wahlkampf verfolgen, registrieren «johlenden Beifall»
seiner Anhänger – wie immer, wenn FPÖ-Politiker Juden zum Ziel ihrer Polemik
machen.
Noch deutlicher wird Haiders
Antisemitismus nach der Nationalratswahl 1999, als Ariel Muzicant, Vorsitzender
der israelitischen Kultusgemeinde, antisemiti- sche Briefe vorlegt, in denen er
eine Reaktion auf den von der FPÖ mit ausländerfeindlichen Parolen geführten
Wahlkampf sieht. «Wo Jud, da Betrug», heisst es da etwa. «Sie gierige jüdische
Kanaille.» «Geht heim, wenn euch der Haider nicht passt.» «Du stinkender
Drecksjud.» «Ohne Ursache gibt es keinen Antisemitismus.»«Gott wird euch bald
wieder strafen, wie er es schon so oft in eurer Geschichte getan hat, denn ihr
seid unerträglich!» Unterschrieben sind die braunen Pamphlete mehr oder weniger
deklarierter Haider-Fans von einem «gut meinenden Österreicher», einem
«anständigen Österreicher», einer «Österreicherin, die auf Juden scheisst», oder
einfach mit «Heil Österreich!». Muzicant veröffentlicht auch Übergriffe, die das
«Forum gegen Antisemitismus», eine Selbsthilfegruppe junger Juden, penibel
dokumentiert hat. Telefonterror in Eisenstadt: «Ihr Saujuden, schleichts euch
nach Israel!» Anpöbelungen in der Wiener Innenstadt: «Das ist ein jüdisches
Geschäft, da wollen Sie doch nicht einkaufen?!» Offener Terror in
Wien-Leopoldstadt. Einem frommen Juden wird von Jugendlichen der Hut vom Kopf
gerissen und johlend herum geworfen. Der Gedemütigte muss warten, bis seine
Angreifer der antisemitischen Schmähungen müde sind und ihm die Kopfbedeckung
wieder aushändigen.
Als Jörg Haider mit diesen
antisemitischen Übergriffen konfrontiert wird, spricht er dem Vorsitzenden der
israelitischen Kultusgemeinde Glaubwürdigkeit und Redlichkeit ab. «Es gibt keine
wie immer geartete Bedrohungssituation für jüdische Mitbürger.» Er fordert
Muzicant auf, Anzeige zu erstatten, und betont: «Es gibt bei Anzeigen ja keine
ethnischen Differenzierungen.» Haider bedient hier nicht nur das antisemitische
Vorurteil des «unehrlichen Juden», er zieht auch eine rassistische
Unterscheidungslinie, indem er das religiöse Bekenntnis zur ethnischen
Zugehörigkeit umdeutet. Der in freiheitlichen Medien vertretene
Ethnopluralismus, der sich gegen die «Vermischung» von Österreichern mit
«anderen Ethnien» wendet, wird damit auf die Juden übertragen. Wenn er Juden als
eigene «Ethnie» ausgibt, zählen sie für ihn nicht zu den im FPÖ-Wahlkampf
plakatierten «echten Österreichern» – eine deutliche Parallele zum
Rassen-Antisemitismus der Nazis. Haiders Einschätzung österreichischer Juden als
eigene «Ethnie» ist keine einmalige Entgleisung. Auch zu den
Entschädigungszahlungen für die Opfer des Zweiten Weltkriegs meint er,
menschenrechtswidriges Verhalten hänge nicht von der «ethnischen Zugehörigkeit»
ab. Offenen Antisemitismus lässt Jörg Haider auch gegenüber dem mittlerweile
verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignaz
Bubis, erkennen. Im Interview mit «Profil» unterstellt er diesem, sich an dem in
der Schweiz liegenden «Nazigold» bereichert zu haben und an einer Aufklärung
daher nicht interessiert zu sein: «... weil dann könnte man (...) möglicherweise
draufkommen, dass der Herr Bubis (...) Gold, das seinen früheren Freunden
abgenommen worden ist, wieder illegal nach Deutschland gebracht hat und seinen
Reichtum begründet hat».
Antisemitischer Stereotypen bedient sich
der FPÖ-Chef auch, als die Medien darüber berichten, dass sein Besitz im
Bärental im Dritten Reich «arisiert» bzw. «entjudet» wurde, Haider durch die
Schenkung seines Grossonkels also Nutzniesser der «Entjudung» geworden sei.
Zuerst bezeichnet er die Diskussion als «bösartige Verleumdung aus Israel». Dann
erfindet er einen «Juden Löw» – «ein Getreidehändler und Jagdfreund meines
Grossonkels» als Vermittler des erpresserischen Geschäfts. Damit bedient er
nicht nur das Vorurteil vom «handelnden Juden», er vermittelt auch den Eindruck,
1940 hätten Juden im Dritten Reich frei leben, mit Getreide handeln, mit
Freunden jagen gehen und Geschäfte vermitteln dürfen. Dass er den aus
katholischem Elternhaus stammenden Geschäftsmann zum Juden macht, gibt dem
Geschäft mit der jüdischen Besitzerin den Anschein der Legalität. Legal aber war
nichts an den (auch gerichtlich festgestellten) nationalsozialistischen
«Raubrittermethoden», die den Besitzwechsel des Bärentals erzwangen.
Anspielungen.
Haiders antisemitische Vorbilder
Nur in seltenen Fällen ist Haiders
Antisemitismus so greifbar. Oft begnügt er sich mit Anspielungen, um seinen
Anhängern zu signalisieren, wo er steht. Schon seine Berufung auf das «dritte
Lager», das in der Ersten Republik von der Grossdeutschen Volkspartei und vom
Landbund verkörpert wurde, ist verräterisch: Im Programm der Grossdeutschen
Volkspartei findet sich das «Gebot der Abwehr volksfremder, schädlicher
Einflüsse» und «das Bedürfnis nach Schutz gegen Fremdkörper» wie dem «Judentum».
Der bäuerliche Landbund bekannte sich zum Kampf gegen das «zersetzende Element»
der «jüdischen Rasse».
1992 legt Haider in einem Leserbrief ein
Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat «im Sinne des deutschen
Rechtsphilosophen Ernst Forsthoff» ab. Haider zitiert damit den rabiatesten
Antisemiten, der sich unter den deutschen Rechtsphilosophen finden lässt.
Anlässlich der «Säuberung» der deutschen Hochschulen hatte Forsthoff 1933
formuliert, diese habe dazu gedient, «in Vollziehung der Unterscheidung von
Freund und Feind diejenigen auszumerzen, die als Artfremde und Feinde nicht
länger geduldet werden konnten». 1938 schrieb er in «Deutsche Geschichte seit
1918 in Dokumenten»: «Der Nationalsozialismus (...) hat zum ersten Mal gesehen,
dass das Judentum nicht nur eine Religionsgemeinschaft, sondern ein vom
deutschen Volk grundverschiedener rassischer Fremdkörper ist.» Das Judenpogrom
der so genannten «Reichskristallnacht» schilderte Forsthoff als «eine von der
ausländischen jüdischen Gräuelhetze provozierte Boykottaktion gegen jüdische
Geschäfte». Zum Thema Holocaust fiel ihm ein: «Darum wurde der Jude, ohne
Rücksicht auf guten oder schlechten Glauben und wohlmeinende oder böswillige
Gesinnung, zum Feind und musste als solcher unschädlich gemacht werden.»
Provokantes:
Geschichts-(ver)fälschung
Seinen eigenen Beitrag zum Antisemitismus
leistet Haider durch eine Geschichtsauslegung nach dem Vorbild neonazistischer
Verdrängungstaktiken: Es ist fester Bestandteil des Nachkriegs-Antisemitismus,
die Einmaligkeit des Holocaust nicht zur Kenntnis zu nehmen, ihn durch
Aufrechnung mit anderen Verbrechen der Weltgeschichte zu relativieren oder durch
Umschreibungen zu verharmlosen, die Täter zu entschuldigen und zu glorifizieren,
die nationalsozialistischen Weltverschwörungstheorien von Juden, Freimaurern und
Grossfinanz weiterzuspinnen, den Juden im Sinne der nationalsozialistischen
Täter-Opfer-Umkehr die Mitschuld am Holocaust oder am wieder entstehenden
Antisemitismus zuzuweisen, den Widerstand gegen das NS-Regime zu diffamieren,
die seriöse Geschichtsschreibung in Zweifel zu ziehen und die jüdischen Opfer
samt ihren hinterbliebenen Angehörigen zu ignorieren.
Jörg Haiders Antisemitismus entspricht
Punkt für Punkt diesem in der wissenschaftlichen Literatur ausführlich
beschriebenen Schema. In der Debatte um die Novellierung des Verbotsgesetzes
tritt er im Februar 1992 für dessen Ausdehnung auf andere historische Verbrechen
ein. Die Judenvernichtung im Dritten Reich soll nicht als «einmaliges
Verbrechen» gesetzlich fest geschrieben werden. Also plädiert der FPÖ-Chef
dafür, auch die Leugnung anderer Massenmorde (die ohnedies niemand versucht) –
von Lenin und Stalin bis Pol Pot – unter Strafe zu stellen. Das Verbotsgesetz,
das aus den österreichischen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus entstanden
ist und seiner Bekämpfung dienen soll, wäre damit umgewidmet und in seiner
politischen Bedeutung unkenntlich gemacht worden.
In der Debatte um die Entschädigung von
Naziopfern wirft Jörg Haider der Regierung 1998 vor, «mit zweierlei Mass» zu
messen: «Wenn jüdische Emigranten Forderungen stellen, dann ist sozusagen die
Wiedergutmachung endlos. Wenn Sudetendeutsche dasselbe (...) verlangen, dann
wird gesagt, irgendwann muss einmal ein Schlussstrich unter die Geschichte
gezogen werden (...). Man kann nicht Gleiches ungleich behandeln.» Als der
Fernsehmoderator nicht glauben kann, dass Haider den systematischen, industriell
organisierten Massenmord an Juden mit den Vertreibungsverbrechen an Deutschen
gleichsetzt, meint dieser, er «möchte nicht beurteilen, was schlimmer gewesen
ist». Nochmals fragt der Moderator nach: «Sie stellen die Verbrechen an
Sudetendeutschen und Juden gleich?» Haider: «Selbstverständlich, weil ich mich
dagegen wehre, dass man Menschenrechtsverletzungen quantifiziert.»
Vier Tage danach bekräftigt Haider in der
ORF-Pressestunde seine Forderung: «Gerechtigkeit für Altösterreicher». Opfer
seien für ihn Opfer. Daher seien Juden und Sudetendeutsche in der Frage der
Wiedergutmachung gleich zustellen. Haider tut genau das, was in der
wissenschaftlichen Literatur als Verharmlosung und Relativierung des Holocaust
durch Aufrechnung mit anderen Verbrechen und als Wesensmerkmal des
Nachkriegs-Antisemitismus beschrieben wird.
Auch die begriffliche Verharmlosung des
Holocaust durch Haider ist dokumentiert: In einem berühmt gewordenen
«Profil»-Interview bezeichnete er 1985 den industriell organisierten Massenmord
an Juden als «Vorgänge, die nicht zu akzeptieren sind». Auf die Nachfrage «Haben
Sie Schwierigkeiten, von Vergasungen und Massenmord zu sprechen?» räumte er
zögernd ein: «Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord.» Selbst dort, wo
Haider die Schuld der Täter nicht bestreitet, übernimmt er das antisemitische
Verharmlosungsvokabular. Die nach 1945 Hingerichteten hätten «für die Zeit
vorher» gebüsst, erklärt er bei einem Neujahrstreffen der FPÖ. Woraus
unverbesserliche Ehemalige ableiten könnten: nicht für begangene Verbrechen.
Glorifizierung:
Täter als «verdiente Persönlichkeiten»
Für die Entschuldigung und Glorifizierung
der Täter und Tätergeneration lassen sich zahlreiche Beispiele finden. Zum
Todestag von Grossadmiral Karl Dönitz würdigt Haider den fanatischen
Nationalsozialisten und glühenden Hitler-Verehrer, den der Führer in seinem
Testament zum Nachfolger bestimmte, als «grossen Mann» und attestiert ihm
«grossartige menschliche Leistungen» .
Als Haider wenig später Chefredakteur der
Parteizeitung wird, bescheinigt diese Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess, «der
ihm eigenen deutschen Ehre treu geblieben» zu sein. Dem nationalsozialistischen
Gauhauptmann Kärntens wird «menschliche Grösse» attestiert. Der prominente
Nationalsozialist Hans Steinacher, der sich im «Volksbund für das Deutschtum im
Ausland» ausgezeichnet habe, wird als aufopferungsvoller Kämpfer gewürdigt.
Haider selbst nennt Alexander Löhr, Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht am
Balkan, der nach Gerald Reitlinger an der Judendeportation «vielleicht grösseren
Anteil als irgendein Befehlshaber der Wehrmacht» hatte, eine «historisch
verdiente Persönlichkeit».
Walter Reder, Hauptsturmführer der
Waffen-SS, auf dessen Konto eines der schrecklichsten Verbrechen des Zweiten
Weltkrieges geht, nimmt er als Soldat in Schutz, der «nur seine Pflicht getan
hat».Die Würdigung von Veteranen der Waffen-SS – also jener
nationalsozialistischen Eliteorganisation, die auch für die Bewachung der
Konzentrationslager verantwortlich war – als «anständige Menschen, die auch bei
grösstem Gegenwind ihrer Überzeugung treu geblieben sind», und die Verfälschung
der Waffen-SS zu einem «Teil der Wehrmacht» fällt in die gleiche Kategorie.
(wird fortgesetzt)
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