Ein
Geschenk zu
Israels 50. GeburttagGehaßte, geliebte
Diva
Jan Feddersen
1983,
Ende April, München. Die Sängerin Ofra Haza vertritt ihr Land Israel
beim jährlichen Schlagerpopfestival "Grand Prix d'Eurovision". Mit dem
Titel "Hi" gelang ihr der zweite Platz. Zu Hause sitzt ein elfjähriger
Junge vor dem Bildschirm. Und fiebert mit. Er muß sich gesagt haben: So
eine will ich auch werden. Auf der Bühne stehen... Umjubelt ... In
Blumen ertrinken... Mit Punkten aus allen Ländern gesegnet...
Keine sehr männliche Phantasie, gewiß, das wird Yarkon
Cohen geahnt haben. Zumal in einer der machomäßigsten Gesellschaften
oberhalb des Südpols überhaupt. Der Sproß jemenitischer Juden hat seinen
ganz persönlichen Schluß aus diesem Widerspruch gezogen: Eigentlich bin
ich eine Frau.
Vor vier Jahren hat er sich für die radikale Lösung entschieden. In
London ließ sich der Hänfling von seinen sekundären Geschlechtsmerkmalen
befreien. Von da an war Yarkon Cohen nur noch - Dana International. Ihre
Eltern waren zuerst schockiert, später versicherten sie ihr aber, "mich
zu lieben, wie ich bin".
Dieses Jahr hat die konvertierte Frau die Chance, ihr Idol Ofra Haza zu
übertrumpfen. Die 26jährige - modelhaft schlank, ausnehmend attraktiv,
verführerisch weiches Timbre, selbstbewußt und willensstark - singt für
Israel beim Grand Prix d'Eurovision. Ihr discofähiger Titel kommt einem
späten Triumph gleich: "Diva".
Dana gilt als eine der heißen FavoritInnen auf den Sieg am 9. Mai in
Birmingham - und das ist vielen ihrer Landsleute so gar nicht lieb. Im
Gegenteil: Ausgerechnet zum 50. Staatsjubiläum soll für Israel eine
gewinnen, die ein Mann war und, schlimmer noch, mit gußeiserner
Religiosität wie der der Orthodoxen nichts zu schaffen haben will.
Ganz Dame, nimmt Dana International die Aufregung um ihre Person
äußerlich gelassen. Als kürzlich der Rabbiner Schlomo Ben Isri von der
Regierungspartei Schas ihre Geschlechtsumwandlung "schlimmer als
Sodomie" befand und auf Nachfrage dann die verfolgende Unschuld spielte
mit der Formulierung "Wieso, ich respektiere alle Tiere auf dieser
Welt", hat Dana nur geäußert: "Diese Intoleranz macht mich traurig, mehr
nicht."
Weshalb
auch? Sie ist bei der westlich orientierten Jugend des Landes - wie auch
in Ägypten, Tunesien oder Jordanien - ein Star, eine Mitkönigin des
Pops, eine Enkelin von Madonna und Cher. Drei goldene Schallplatten,
stete Präsenz im Äther: Diese Erfolge machen sie auch zu einer
Hoffnungsträgerin der ethnischen Minderheiten des Landes.
Israel
ist eine quirlige, offene, nervöse Gesellschaft. Doch Karriere machen
jüdische Zuwanderer aus dem arabischen Orient am ehesten noch im
Kulturgewerbe - wie eben auch Ofra Haza in den achtziger Jahren, deren
folkloristisch inspirierte Dancesongs sich auch in Mittel- und
Westeuropa glänzend verkauften.
Dana
setzt dieser Entwicklung vorläufig die Krone auf. Sie gibt sich nicht
einmal den Anschein, als buhlte sie um den Segen des versammelten
Rabbinats. Hält sich pinkfarben getönte Pudel, hat ihr Apartment -
Frisierhocker, Schminkspiegel, Trockenhaube, farblich grell indifferente
Sofas - zum Hort erlesenster Geschmacklosigkeiten ausgebaut: Das wirkt,
so öffentlich zur Schau getragen, auf die religiös Gestrengen nicht eben
friedensstiftend.
Vor einem Jahr, während der Pessachwoche, wurde Dana International von
200 schwarzgekleideten Orthodoxen auf einer Freilichtbühne in Tel Aviv
mit Flaschen attackiert, ehe man ihrem Auftritt dadurch ein Ende setzte,
daß die Lautsprecherkabel gekappt wurden. Die Angegriffene - Bodyguards
lehnt sie ab, genauso wie Politik - sagt spitz: "Das kommt mir so vor,
als sollten wir in Israel bald wie im Iran leben."
Eine
Riesen-Party zum 50. Unabhängigkeitstag:
Viva la Diva!
Israel ist das erste
Land, das zum Grand Prix d' Eurovision eine transsexuelle Teilnehmerin
entsendet - und Israel ist stolz darauf!
Ein
Gefühl von Befreiung:
Israelis feiern Danas Erfolg als «Sieg über
religiösen Druck»
Tel Aviv (dpa) -
Tausende begeisterte Israelis haben den Erfolg ihrer Sängerin Dana
International beim Grand Prix d'Eurovision de la Chanson in der Nacht
zum Sonntag in Tel Aviv ausgelassen gefeiert. Auf dem zentralen
Rabin-Platz sangen und tanzten jubelnde Fans der transsexuellen
Sängerin. Zahlreiche Feiernde sprangen vor Freude in eine große
Springbrunnenanlage auf dem Platz.
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