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Zum 1. September 1999:
Vor 60 Jahren . . .

Thomas Mann (1939):
Dieser Krieg

...Auszüge

Wußten die Deutschen das nicht? Ist ihnen nicht soviel Zusammenschau der Dinge gegeben, um wahrzunehmen, daß sie vor der Katastrophe stehen, die das "national-sozialistische" Regime vom ersten Augenblick an, schon vor seiner Geburt, wenn man so sagen darf, in sich trug, und daß nie etwas anderes aus ihm entstehen konnte, als eben die Katastrophe?

Die Folterkeller der Gestapo, die Konzentrationslager, gefriedete Schutzparks verworfener Brutalität, wo lasterhaften Mordbuben freigegeben war, mit ihren Opfern das Letzte anzustellen, was eine entartete Phantasie an Qual und Schändung aussinnen kann — gewiß, das Herz der Deutschen [...] ihr Herz hat sich ganz gewiß in Scham und Ekel zusammengezogen beim Anblick der "Lösung", die das absolut regierende Pack der Judenfrage zuteil werden ließ; der himmelschreienden Entrechtung und ausgeklügelten Erniedrigung dieser Mitmenschen; [...]

Ist es möglich, daß irgend ein vollsinniger Deutscher, der d a s gesehen auch nur eine Stunde geglaubt hat, diese Regierung habe "den Frieden gewollt", der Krieg sei ihr und dem Volk von böswilligen Feinden aufgezwungen worden? Hat es einen Sinn, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, die selbst durch geschlossene Lider beißt: daß in solchen Taten und Bildern, in allem, aber auch allem, was in Deutschland seit dem Machtantritt dieser Minderwertigen vor sich ging, der Krieg schon enthalten war?

Sie [die Deutschen] haben die Menschenverderbnis, welche der Terror, die bleiche Angst um Leben und Brot, zeitigt, die Charakterniederlage von Menschen, die achtbar hätten durchs Leben gehen können in Zeiten, welche Achtbarkeit physisch ermöglicht hätten, die Entfesselung aller schlechten Instinkte, Kriecherei, Heuchelei, gemeine Wahrnehmung der Gelegenheit, Denunziation, die Vergiftung der Familie, den Verrat verstörter und mißleiteter Kinder an ihren Eltern im täglichen individuellen Leben mit Augen gesehen. Die ganze Verelendung des Menschen, welche die Diktatur – und was für eine Diktatur! Die Diktatur des Gelichters! – zur Folge hat, [...] und als einzigen Trost für diese jammervollen Erfahrungen mit sich selbst gab man ihnen den: sie seien "Arier".

Ich bin überzeugt, daß das deutsche Volk sich dieser Sachlage im Grunde bewußt war. [...] Es konnte ihm nicht wohl sein bei der Zerstörung der Grundwerte abendländischer Gesittung, die in seinem Namen betrieben wurde. [...]

Und nun glaubt das deutsche Volk, denen, die es verführten und belogen, Treue halten und für ihre Taten, die noch nie seinen Enthusiasmus erregt, bei denen ihm sogar höchst unheimlich zu Mute war, aufs äußerste einstehen zu müssen?

So liegt eine schwere Verantwortung auf Deutschland, gegen die Welt und gegen sich selbst, ? eine Verantwortung, von der kein innerer Notstand, kein "Muß" und "Kann nicht", kein angeblich unwiderstehlicher Terror es befreit. Kein Volk muß müssen. Ein Volk, das frei sein will, ist frei in demselben Augenblick. Keine Polizeimaschine richtet etwas aus gegen die Entschlossenheit eines Volkes, das einhellig erklärt: "Genug der Rechtlosigkeit, Ruchlosigkeit, der Niedertracht und des Wahnsinns, wir haben es satt." [...]

Findet das deutsche Volk nicht die Kraft zur Erhebung, zieht es vor, zuzusehen und abzuwarten, ob nicht doch vielleicht der Erfolg seinen Machthabern recht gibt, so häuft es Schuld und Unglück zumal auf sein Haupt, ? es verscherzt den Frieden, der s e i n Friede sein könnte, seiner besonders, ein Friede deutschen Glückes und deutscher Größe.

Denn dies ist die gewisse Wahrheit, die klar vor jedem wirklichen Freunde und Kenner Deutschlands, jedem Bewunderer seiner wirklich großen Eigenschaften liegt: daß es nur groß und glücklich sein kann innerhalb eines politisch entgifteten, vom Wahn überlebter Hegemonie-Gedanken geheilten Europas, das in freier Interessengemeinschaft den Künsten des Friedens leben darf.

Wenn die Deutschen begriffen, daß sie nicht für ihres Landes Glück und Größe, sondern für die Fortune von einem Dutzend Hergelaufener, durch ihre Verbrechen aneinander geketteter Abenteurer kämpfen! Diesen Klüngel nur einen Augenblick fortgedacht ? wo wäre noch irgendein Grund für den Kampf auf Leben und Tod, den Deutschland jetzt glaubt bestehen zu müssen und durch den es von Elend zu Elend sinkt? Doch es ist leider nicht genug, ihn fortzudenken, ? fortgetan muß er sein und abgeschüttelt, damit zum Spuk werde, was nie etwas anderes war, als ein Spuk, und wovon gelten soll, was ein geheimnisvoll vorsehender Dichter gesungen:

"Wenn einstmals diese Not
Lang wie ein Eis zerbrochen,
Dann wird davon gesprochen
Wie von dem schwarzen Tod;

Und einen Strohmann baun
Die Kinder auf der Heide,
Zu brennen Lust aus Leide
Und Licht aus altem Graun."

Der Text entstand im Nov./Dez. 1939.
Der "geheimnisvoll vorsehende Dichter" ist Gottfried Keller ("Die öffentlichen Verleumder").
Quelle:
Thomas Mann Essays, Bd. 5: Deutschland und die Deutschen 1938 – 1945, Frankfurt 1996 (S. 83 ff.)

 
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