Brauner Underground
Im Osten boomt die Szene mit rechtsradikalen Rockbands
Doch das Phänomen ist grenzübergreifend
Von Christine Wagner
«Schwarze Stiefel in der Masse - wir sind die Kämpfer der
Arbeiterklasse», singt Saalefront aus Thüringen. Mit Zeilen wie «Afrika für
Affen, Europa für Weiße. Steckt die Affen in ein Klo, spült sie weg wie
Scheiße» oder «Schlagt sie tot, schlagt sie tot, schlagt die Kommunisten
tot» formuliert Landser aus Henningsdorf deutlicher den politischen Anspruch
der rechten Musikszene. Sie nennen sich Kraftschlag, Noie Werte, Arisches
Blut, Hauptkampflinie, Foierstoss, Brutale Haie oder Atemnot und finden vor
allem in den neuen Bundesländern fruchtbaren Boden.
Der Anstoß für die aus der Subkultur kommenden rechten
Rockgruppen kam aus Großbritannien. Ian Stuart Donaldson verband mit
seiner Band Screwdriver in den achtziger Jahren Punk und Hardrock mit
proletarisch-rassistischem Antikommunismus, was vor allem die aus der
Punkmusik kommende Skindheadszene der DDR dankbar aufnahm. Stuarts
Erfolg mit Hymnen auf den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und den
Ostfeldzug der Deutschen Wehrmacht wurden um so größer, je mehr die
Linken das Feld der politischen Rockmusik räumten. Kommerzielle
Zugeständnisse in der Bundesrepublik von Bands wie Tote Hosen oder das
Einlassen mit dem politischen System in der DDR bei Gruppen wie City,
Pankow und Silly schufen ein Vakuum für die rechte Musikszene. Zeiten,
wo junge Rechte Marschmusik hörten, sind längst vorbei.
Zwar dominieren agitatorisch geprägte Texte über weißen
Rassismus, Wikinger-Tümelei, Germanenkult, Verklärung der Wehrmacht und
des Nazi-Regimes, und die Musik basiert auf einfachen Strukturen, die
einen gewissen Dilettantismus vieler Musiker offenbaren, doch die Szene
professionalisiert sich. Laut Klaus Farian («Skindheads & Rechtsrock»;
Christoph Links Verlag, Berlin 1997) stellen Skinheads nur ein Drittel
der Rechtsrocker. Der Rest kommt vom Punk und Heavy Metal. Auch
HipHopper, Popper und Liedermacher gibt es unter den Rechten, die schon
mal lange Haare und das aktuelle Outfit verschiedener Jugendkulturen
tragen.
Ein Mann wie Frank Rennicke, der sich hörbar die Liedermacher
Hannes Wader und Reinhard Mey als Vorbild wählte, erreicht verschiedene
Generationen - mit schwülstigen Zeilen wie «Und schön ist Kameradschaft,
ist Gefühl und Freud dabei, schön sind frohe Kinderaugen, deutsche
Menschen stolz und frei.» Rassismus ist da nur unterschwellig zu spüren:
Die Rechten nutzen immer mehr die Chiffresprache, wie sie dem DDR-Rock
eigen war, der nur zwischen den Zeilen kritisieren konnte. Und so
verstecken auch die Rechten ihren Rassismus hinter Attacken auf
Kriminelle, die «mit dem Audi ins Sozialamt fahren, mit Drogen handeln,
Kinder entführen und Deutschen die Arbeitsplätze klauen».
Polizei und Justiz verfolgen kontinuierlich die rechte
Musikszene - mit kurzzeitigem Erfolg. Die Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften verbot seit 1991 mehr als 180 CDs, Kassetten
und Schallplatten. Rund 250mal ermittelten die Staatsanwälte in den
letzten sieben Jahren gegen rechte Rocker. Doch trotz immer wieder
tausendfach beschlagnahmter Tonträger läuft der Nachschub weiter. Noch
1995 fanden etwa im Freistaat Sachsen zwei offiziell genehmigte
rechtsextreme Skin-Konzerte statt - ein Jahr später waren es bereits 25
mit jeweils bis zu 1500 Teilnehmern. Rund 100 Bands - die Zahl der von
ihnen produzierten CDs umfaßt mehrere zehntausend - sowie 6000 bis 8000
Fans zählen zum harten Kern der Szene, Zehntausende gelten als
Gelegenheitshörer. In der Regel sind sie männlich (über 80 Prozent) und
zwischen 14 und 30 Jahren alt.
Die Szene hat gelernt, mit den Bedingungen des Underground
umzugehen. Öffentlich angekündigt werden Konzerte nicht. Wenige Tage
oder gar Stunden vorher wissen die Fans erst, wer wo spielt. Mitunter
begeben sie sich auf abenteuerliche Reise zu einem Parkplatz, von dem
sie per Funktelefon über verschiedene Stationen zum Konzert gelotst
werden. Die Bands spielen für ein Taschengeld, Benzinkosten, ein
kostenloses Essen und reichlich Bier und Schnaps.
Auch sonst verfügt die rechte Musikszene über ein gut
funktionierendes Netz. Die Vertriebe mieten Postfächer und Büros im
Ausland - so in Schweden, Dänemark, den USA oder Australien. Torsten
Lemmer (30), einst FDP-Mitglied und Republikaner, Störkraft-Manager und
heute Besitzer des Labels Sunny Records sowie des vierfarbigen
Rechtsrockmagazins «Rock Nord» (Auflage: 14 000) legt dagegen Wert auf
Legalität und läßt seine Waren von zwei Rechtsanwälten prüfen. Der sich
in feinem Tuch und Schlips präsentierende Jungunternehmer, der Wert
darauf legt, kein Nazi zu sein, verdient mit Einkünften zwischen fünf-
und zehntausend Mark nicht schlecht an Songs, die versprechen: «Wir sind
deutsche Nationalisten und kennen keine Gnade» (Sturmwehr).
Im multimedialen Zeitalter hat der Staat keine Chance, die
rechte Szene unter Kontrolle zu bekommen. Auf das Internet hat er keinen
Zugriff. Die Szene ist international organisiert. Rechte Musiker und
Fans gibt es in Polen, Ungarn, Schweden, England, den USA, Tschechien
und Australien. Man besucht sich gegenseitig. Selbst polnische und
tschechische Bands haben einen positiven Bezug zum deutschen
Nationalsozialismus - als hätte der Zweite Weltkrieg nie stattgefunden.
© Berliner Morgenpost 1999
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