Am Weizmann-Institut fuer Wissenschaft haben
Forscher jetzt das "Berufsgeheimnis" dieser molekularen
Reparaturmannschaft gelueftet und gezeigt, wie eine Winzigkeit
genetischen Materials, das genau an der richtigen Stelle eingefuegt
wird, die DNS vor einer genetischen Katastrophe retten kann. Doch der
Reparaturtrupp verhindert nicht nur ernsthafte Mutationen, er laesst
auch aufsehenerregende Spuren zurueck: eine "gute" Mutation, welche die
berlebenschancen eines Organismus verbessern kann.
Die DNS wird unablaessig von
verschiedenartigen Umweltfaktoren, wie zum Beispiel
Ultraviolett-Strahlung, geschaedigt. Dieser Schaden wird im allgemeinen
mit Hilfe spezieller, als Reparatur-Enzyme bekannter Proteine
korrigiert. Manchmal jedoch gelingt es diesen Enzymen nicht, ihre Arbeit
erfolgreich durchzufuehren.
Dann wird es Zeit, den Notdienst zu rufen.
Seit ueber 20 Jahren ist den Wissenschaftlern bekannt, dass die DNS
neben den normalen Reparatur-Enzymen ueber einen Last-Minute
Korrekturmechanismus, die sogenannte SOS-Reparatur, verfuegt. In einer
Studie, die am 28 August in der Zeitschrift MOLECULAR CELL
veroeffentlichtet wird rekonstruierte Prof. Zvi Livneh von der Abteilung
fuer Biochemie des Weizmann-Instituts in Zusammenarbeit mit den
Jungakademikern Nina Reuven und Guy Tomer diesen Mechanismus in einem
Reagenzglas und deckte auf, wie der SOS-Trupp bei seiner Arbeit vorgeht.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in
Faellen, in denen geschaedigtes Genmaterial nicht repariert wird, der
fehlerhafte Abschnitt der DNS - der gewoehnlich aus ein oder zwei
"Buchstaben" des genetischen Codes besteht - waehrend der Reproduktion
kurzerhand geloescht wird und der Rest des DNS-Molekuels sich
verschiebt, um die Luecke auszufuellen. Das Ergebnis ist eine
folgenschwere Mutation, welche die genetische Schrift
durcheinanderbringt. Dies wiederum hat die Produktion fehlerhafter
Proteine zur Folge, die einen verheerenden Schaden in der Zellfunktion
anrichten koennen. So koennen diese Proteine zum Beispiel Krebs
unterdrueckende Gene ausschalten, ein Vorgang, der zur Entwicklung eines
Tumor fuehrt, oder ein unentbehrliches Protein vernichten und damit den
Zelltod herbeifuehren.
Wenn aber der SOS-Reparaturdienst einspringt,
ersetzt er die beschaedigte DNS mit willkuerlich gewaehltem genetischen
Material. Dieses Material wirkt wie eine "Leertaste", die das
DNS-Molekuel in der richtigen Anordnung haelt. Vergleichbar der
Vorgehensweise von Archaeologen, die Ton formen, um die Luecken zwischen
den Scherben antiker Gefaesse zu fuellen, verhindert diese "Leertaste"
die Ausloeschung beschaedigter genetischer Buchstaben und haelt die
Gesamtstruktur der DNS intakt.
Doch die SOS-Reparatur verhindert nicht nur
eine genetische Katastrophe, sondern sie verschafft der DNS noch einen
zusaetzlichen Vorteil. Indem sie willkuerlich gewaehltes genetisches
Material in die Luecken einfuehrt, in denen vorher fehlerhafte DNS
siedelte, erzeugt der SOS-Mechanismus ein leicht mutiertes Gen, das
weiterhin funktionsfaehig ist und bisweilen sogar besser funktioniert
als die urspruenglichen Gene. Tatsaechlich wirken diese "sanften" und
vorteilhaften Mutationen als treibende Kraft der Evolution, da sie eine
genetische Vielfalt erzeugen, welche die Grundlage der natuerlichen
Auslese bildet.
Das Verstehen dieser und anderer
DNS-Reparaturmechanismen eroeffnet den Wissenschaftlern neue Einblicke
in Krankheiten, wie z.B. Krebs. Eine weitere Anwendungsmoeglichkeit
liegt im Bereich der Behandlung bakterieller Infektionen, da die
SOS-Reparatur eine der Strategien darstellt, mit deren Hilfe sich
Bakterien einer medikamentoesen Behandlung widersetzen. Das Verstaendnis
dieses Mechsanismus wirft Licht auf das bedrohliche Phaenomen der
Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika.
Diese Forschungsstudie wurde unterstuetzt von
der U.S. - Israel Binational Science Foundation, dem israelischen
Ministerium fuer Wissenschaft und dem Leo-und-Julia-Forchheimer-Zentrum
fuer Molekulargenetik am Weizmann-Institut.