Kabel 1 hatte in Deutschland vergeblich versucht,
das deutsche Publikum für die erfolgreichste US-Sitcom aller Zeiten zu
begeistern. Vor einigen Monaten übernahm Pro 7 die Serie und ließ sie
weit nach Mitternacht laufen - mit mäßigem Erfolg. Ab heute nimmt der
Münchner Privatsender einen neuen Anlauf: ''Seinfeld'' läuft montags bis
freitags am frühen Abend (17.55 Uhr) auf der Comedyschiene, die schon
Roseanne, Alf oder Bill Cosby populär machte.
Um das Pulikum anzufüttern, hat der Sender für die
ersten drei Wochen die 15 witzigsten und typischsten Episoden aus den
ersten vier ''Seinfeld''-Staffeln zusammengesucht. Danach geht es
chronologisch mit der kompletten vierten Staffel weiter.
Vergangenen Dezember gab Jerry Seinfeld, der
43jährige Schöpfer, Star und Produzent der Sitcom, das Ende bekannt. Er
wolle aufhören, bevor die Serie ihren Höhepunkt überschritten habe,
begründete er seine Entscheidung. In den darauffolgenden fünf Monaten
entwickelte sich in den USA eine irrwitzige ''Seinfeld''-Hysterie.
Arbeiter aus benachbarten NBC-Studios schlichen sich auf den Set, um aus
der Kulisse Souvenirs zu klauen.
''Seinfeld'' dreht sich um
wichtige Nichtigkeiten
Das Drehbuch der letzten Episode unterlag strenger
Geheimhaltung. Jerry Seinfeld grinste als siegreicher Napoleon
verkleidet vom Titelblatt des Magazins ''Vanity Fair''. Der Komiker
hatte gut lachen: Zuletzt sackte er eine Million Dollar pro Folge ein -
seine drei Kollegen gingen immerhin mit 600 000 Dollar nach Hause.
Monatelang zerbrachen sich Kritiker die klugen Köpfe
darüber, was ''Seinfeld'' so attraktiv gemacht hat. Zu tiefschürfenden
Erkenntnissen kamen sie dabei nicht. ''Seinfeld'' ist eine Serie ''about
nothing'', über nichts, sagen die Macher. Jerry und sein bester Freund,
der wehleidige George, die zynische Elaine und der exzentrische Nachbar
Kramer sind durchschnittliche New Yorker Singles mit ganz normalen
Macken und Problemen. Sie schlagen sich mit den banalen, aber
schwerwiegenden Kleinigkeiten des Alltags herum. Und damit erkennt sich
jeder Zuschauer wieder.
Auch in den USA brauchte das Fernsehpublikum eine
gewisse Zeit, um sich mit dem Quartett anzufreunden. Doch bald war
''Seinfeld'' Tagesgespräch. Episoden über Masturbation oder
multikulturelle Ehen wurden heiß diskutiert. Der ''Soup Nazi''
erheiterte und empörte die Nation. Diese Figur basiert auf dem
berühmt-berüchtigten Chef der New Yorker Kantine ''Soup Kitchen'', Al
Yeganeh. Gäste, die in seinem Laden nicht spuren, werden nicht bedient.
Der Standard-Satz des ''Soup Nazis'' - ''Keine Suppe
für Dich'' - ist in den USA mittlerweile so kultig wie hierzulande
Trapattonis ''Ich habe fertig''. Das Vorbild des ''Soup Nazis'' fand das
Ganze gar nicht so witzig. Die Serie habe seinem Geschäft geschädigt,
klagt Yeganeh. Ständig tauchten Touristen auf, die ihn aufforderten, für
ein Foto zu posieren und den entscheidenden Satz zu sagen. Zum
geflügelten Wort wurde auch die Nonsense-Phrase ''yada, yada''. Sie
gehört zum Grundstock der schrägen ''SeinLanguage''. Klar, daß die
Seinfeldianer in die Läden stürzten und das gleichnamige Buch massenhaft
aus den Regalen räumten.
Am 14. Mai erreichte die ''Seinfeld''-Manie ihren
skurrilen Höhepunkt. 76,3 Millionen Amerikaner hockten vorm heimischen
Fernseher, um die letzte Folge zu sehen. In New York, dem Schauplatz der
Sitcom, feierten die Menschen auch auf der Straße und rotteten sich zu
''Seinfeld''-Parties zusammen. Mehrere Hundert Menschen verfolgten das
Spektakel auf der gigantischen Videoleinwand des Times Square - viele
davon als ihre Lieblingsfigur verkleidet.
Am Rande formierten sich kleine Gruppen
protestierender Puertoricaner, die vor den allgegenwärtigen
Fernsehkameras Schilder schwenkten. Der Grund: Anfang Mai hatte der
schusselige Kramer in einer Episode aus Versehen die puertoricanische
Flagge verbrannt.
Werbekunden überboten sich
gegenseitig
Grund zum Jubel hatte vor allem NBC. Neun Jahre lang
bescherte ''Seinfeld'' dem Sender fette Einnahmen. Doch der 14. Mai
übertraf alles: Die Werbekunden überboten sich gegenseitig, um mit ihren
Produktem beim Finale dabeizusein. Am Ende blätterten sie für jeden der
zehn 30-Sekunden-Spots absurde 1,7 Millionen Dollar hin. Bei einer
normalen Episode kostete der Spot ein Drittel.
Es ist unwahrscheinlich, daß das Publikum den
''Seinfeld''-Folgen hierzulande so fanatisch entgegenfiebern wird die
Amerikaner. Dazu sind die Deutschen nicht fernsehverrückt genug. Aber
für ein freudig erregtes ''yada, yada'' am frühen Feierabend wird es
reichen.
Von Anke Groenewold / Neue
Westfälische Zeitung