Wien (dpa) - Begonnen hatte die
Diskussion im vergangenen Januar in New York mit der Beschlagnahme von
zwei Bildern Egon Schieles aus der österreichischen Sammlung Leopold,
weil sie angeblich von den Nazis geraubt und unrechtmäßig weiterverkauft
worden sein sollen.
Jetzt holten die oppositionellen Grünen der
Alpenrepublik zu einem weit größeren Schlag aus: Sie verlangen die
Untersuchung von nicht weniger als 241 Kunstwerken im Staatsbesitz,
deren Herkunft zumindest zweifelhaft sein soll.
«Blinder Aktionismus», schimpft die Kultusministerin
Elisabeth Gehrer. Sie habe schon längst das Bundesdenkmalamt mit einer
Klärung beauftragt. Doch damit werde der Bock zum Gärtner gemacht,
kritisierte die angesehene Zeitung «Der Standard». Denn in vielen Fällen
habe diese Behörde jüdische Ausreisende noch nach dem Krieg «überredet»,
als Gegenleistung für die Ausfuhrgenehmigung ihrer privaten
Kunstsammlungen wertvolle Stücke dem Staat zu überlassen. So könne diese
Institution, «die bei den erpresserischen Methoden in den späten 40er
Jahren federführend tätig war», jetzt nicht zur Aufhellung der dunkelen
Vergangenheit beitragen.
Nach Darstellung der Grünen stehen in den
sogenannten Bestandsverzeichnissen der Österreichischen Galerie, des
Kunsthistorischen Museums und der Albertina Herkunftsnachweise wie
«Überweisung vom Reichsstatthalter» oder «ehemaliger Besitz (des
Hitler-Sekretärs) Martin Bormann». Auch der Nachweis «nach dem Krieg in
Bad Aussee gefunden» mache stutzig. Denn dort hatten die Nazis einen
großen Teil ihrer geraubten Kunstschätze zwischengelagert. Auch wenn die
Fälle juristisch verjährt seien, müßten die unrechtmäßig erworbenen
Bilder den rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden.
Die Kultusministerin erwartet vom Denkmalamt «erste
Ergebnisse bis Sommer». Der dort mit dieser Aufgabe betreute Historiker
Theodor Brückler gibt zu, «daß wir 50 Jahre Leichen im Keller versteckt
haben». Bundeskanzler Viktor Klima macht inzwischen Druck. Er verlange
eine «volle Aufklärung» aller strittigen Fälle, beschreibt sein Sprecher
Josef Kalina dessen Position. «Wichtig ist vor allem, daß das nicht ewig
dauert». «Unabhängige Experten», die auch «international akzeptiert»
seien, müßten schließlich eine Bewertung aller auf den Tisch gelegten
Daten vornehmen. Der Kanzler ist offenbar bemüht, im Ausland keine neuen
Zweifel an der Position Österreichs im Umgang mit seiner jüngeren
Geschichte aufkommen zu lassen. Erst seit wenigen Jahren ist das
Verhältnis zu Israel entspannt.
Jahrzehntelang hatte sich Wien um eine klare
Mitverantwortung für die Nazi-Verbrechen gedrückt. Erst vor eineinhalb
Jahren waren rund 8 000 Kunstgegenstände in Wien versteigert worden,
welche die Nazis vorwiegend jüdischen Besitzern weggenommen hatten. Der
Erlös dieser «Mauerbach-Auktion» von 155 Millionen Schilling war
Holocaust-Opfern und deren Angehörigen zugute gekommen.