Die neofaschistische Zeitschrift "România Mare":
Rehabilitierungskampagne wird fortgesetzt
William Totok
Nach einem Streit mit Corneliu Vadim Tudor verlässt der
großrumänische Parlamentarier und frühere Herausgeber der fremdenfeindlichen
und antisemitischen Hetzgazette "Europa" (1990-1996), Ilie Neacsu die Partei
Groß-Rumänien (PRM) und wird mit offenen Armen von der regierenden
Sozialdemokratischen Partei (PSD) aufgenommen.
Der Vorsitzende der PSD und amtierende Regierungschef Adrian
Nastase verharmlost die fremdenfeindlichen, antiwestlichen und
antidemokratischen Äußerungen Neacsus mit dem Hinweis, dieser sei "in
letzter Zeit ja nicht mehr als Extremist rückfällig geworden". (Anfang
September verlässt Neacsu auch die regierende, PSD, - ohne jedoch aus der
Parlamentsfraktion der Regierungspartei auszutreten - und wird Mitglied der
1992 entstandenen, heute unbedeutenden Rumänischen Sozialistischen Partei,
PSR.)
Während eines Fußballspiels - Dinamo-Rapid - auf dem
Bukarester Dinamo-Stadion hissen rechtsextreme Dinamo-Fans am 17. März ein
übergroßes Antonescu-Bild und skandieren rassistische Parolen. Nach dem
Motto: "Die einzige Lösung ist Antonescu" fordern die rechtsextremistischen
Anhänger des dem Innenministerium nahestehenden Dinamo-Fußballclubs schon
seit Jahren die Vernichtung der Anhänger und Spieler von Rapid, die sie als
Zigeuner bezeichnen. Auf der mit einem Hakenkreuz geschmückten Internetseite
der Dinamo-Fußballrowdys ist der Spruch "Sieg Heil, Kameraden" zu lesen.
In einer am 18. 3. vom rumänischen Fernsehsender Pro TV
ausgestrahlten Debatte leugnet der Historiker und großrumänische Senator
Gheorghe Buzatu erneut den rumänischen Holocaust. Gleichzeitig kündigt er
die Veröffentlichung einer vierbändigen Antonescu-Biografie an.
Die rumänische Regierung verbietet per
Dringlichkeitsverordnung (31/2002) die Gründung faschistischer,
rassistischer oder fremdenfeindlicher Organisationen. Die Mitgliedschaft in
solchen Organisationen sowie die Verbreitung, den Besitz oder die Verwendung
faschistischer, rassistischer oder fremdenfeindlicher Symbole soll künftig
mit Haftstrafen geahndet werden. Wer den Holocaust leugnet oder dessen
Auswirkungen öffentlich anzweifelt wird ebenfalls mit Gefängnis bis zu 5
Jahren bestraft. Verboten sind auch Straßenbenennungen nach
Kriegsverbrechern oder Faschisten, die Errichtung von Statuen oder das
Anbringen von Gedenktafeln für Personen, die sich wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit oder den Frieden schuldig gemacht haben.
In einer Ansprache vor den Vertretern der jüdischen
Gemeinschaften aus den NATO-Kandidatenländern, die anlässlich des
Gipfeltreffens der sogenannten Vilnius-Gruppe in Bukarest tagten, verwies
Präsident Ion Iliescu am 27. März darauf, dass "die Rumänen weder
Antisemiten waren noch Antisemiten sind". Die Aussage Iliescus könnte als
eine indirekte Replik auf eine Darlegung des amerikanischen Botschafters aus
Bukarest, Michael Guest gedeutet werden, in der dieser zeigte, dass die
Verbrechen des Antonescu-Regimes auch von einer breiten Mehrheit der
Bevölkerung mitgetragen wurden. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft
aus Rumänien, Nicolae Cajal begrüßte die Regierungsmaßnahmen gegen den
postumen Antonescu-Kult und unterstrich die Tatsache, dass selbst wenn
"Antonescu ein Patriot war, er gleichzeitig auch ein Kriegsverbrecher
gewesen ist".
Drei Senatoren erklärten am 2. April im Parlament, dass
Rumänien keine Schuld am Holocaust habe. Der sozialdemokratische Senator
Adrian Paunescu, der frühere Justizminister und derzeitige liberale Senator,
Mircea Ionescu Quintus sowie der groß-rumänische Senator Corneliu Vadim
Tudor sprachen übereinstimmend vom Versuch, das rumänische Volk
ungerechtfertigterweise zu beschuldigen. Tudor sagte wörtlich: "jemand habe
ein Interesse, dass rumänische Volk als kriminell darzustellen", während
Quintus all jene aufforderte, sich zu entschuldigen, die Rumänien
unbegründet des Holocaust bezichtigen. Tudor warf Premierminister Adrian
Nastase vor, "Antonescu ein zweites Mal zu töten". Die geplante Beseitigung
der errichteten Antonescu-Statuen bezeichnete er als eine "nationale
Schande". (Piatra Neamt ist die erste Stadt Rumäniens, die ein
Antonescu-Denkmal entfernen ließ. Ende April wurde der Antonescu-Platz in
Bahnhofsplatz ? Piata Garii - umbenannt.) Trotz des Dringlichkeitserlasses
der Regierung wurden bislang die in zahlreichen Städten existierenden
Straßennamen nach Antonescu beibehalten.)
Am 15. April wurde auch das Antonescu-Denkmal in Slobozia
beseitigt.
Die Regierung forderte die Kommunen ultimativ auf, bis zum
15. Mai sämtliche Antonescu-Straßen umzubenennen und alle existierenden
Denkmäler und Gedenktafeln zu entfernen.
Die liberale Senatorin Norica Nicolau (Mitglied im
parlamentarischen Verteidigungsausschuss) kritisierte die
Dringlichkeitsverordnung der Regierung, aufgrund derer die Holocaustleugnung
strafbar ist und erklärte am 9. April: "Durch diese Verordnung möchte die
Nastase-Regierung die Geschichte auf die Anklagebank bringen". Die jüdische
Gemeinde Rumäniens äußerte ihr Befremden gegenüber der Forderung einiger
Spitzenvertreter der National-Liberalen Partei (PNL), die Leugnung des
Holocaust nicht juristisch zu belangen.
Bei einer Begegnung mit Studenten der Universität "Ovidius"
aus Konstanza erklärte Staatspräsident Ion Iliescu am 16. April, Ion
Antonescu habe auch "positive Sachen" durchgesetzt, seine große Schuld aber
sei es gewesen, Rumänien an der Seite Deutschlands in den Krieg zu führen.
Während die rumänische Exekutive per Erlass
Antonescudenkmäler und ?straßen verbietet, wurde im Flur des
Regierungsgebäudes ein Bild des ehemaligen Diktators aufgehängt und die
"Gemäldesammlung der rumänischen Ministerpräsidenten" vervollständigt. Diese
Ehrung gilt, laut Serban Mihailescu, dem Generalsekretär der Regierung,
allen rumänischen Ministerpräsidenten und ist als eine "Geste der
Anerkennung für ihren Beitrag zur Entwicklung Rumäniens im letzten
Jahrhundert" zu verstehen. (In einem Brief - vom 28.6.2002 - an Adrian
Nastase, forderte die amerikanische Helsinkikommission den rumänischen
Premier auf, das Antonescu-Porträt zu entfernen. In dem u.a. von Hillary
Clinton und Christopher Smith unterzeichneten Schreiben wird gleichzeitig
die Beseitigung der Antonescu-Statuen in Bukarest, Sarmas, Calaras und im
Gefängnishof von Jilava wo der frühere Diktator 1946 hingerichtet wurde
verlangt. Kulturminister Razvan Theodorescu streitet die Vorwürfe ab,
während der großrumänische Senator, Gh. Buzatu im Rahmen einer von der
Rumänischen Akademie organisierten Konferenz erneut die Mitschuld Antonescus
am Holocaust leugnet.)
Die groß-rumänische Partei (PRM) und die Liga Marschall
Antonescu feierten am 1. Juni 2002 in der vom früheren Diktator gestifteten
Bukarester Kirche der Heiligen Konstantin und Helena den 120 Geburtstag des
ehemaligen faschistischen Staatsführers. In der gleichen Kirche fand ein
Requiem anlässlich des 56. Todestages von Antonescu statt. Mitglieder der
PRM-Jugendorganisation entfernten das Tuch, mit dem die im Kirchhof
errichtete Büste Antonescus verhüllt worden war, nachdem die
Regierungsverordnung in Kraft getreten ist. Gh. Buzatu hielt am 3. Juni im
Senat eine Rede, in der er an die Verdienste Antonescus erinnerte. Die Rede
wurde im Parteiblatt "România Mare" veröffentlicht. Auch die Tageszeitung
"România libera" widmete dem 56. Todestag Antonescus einen langen Aufsatz,
der in der wöchentlichen Beilage "Aldine" abgedruckt wurde.
Die Mitglieder des Stadtrats aus Oradea/Großwardein stimmten
Anfang Juni gegen eine Umbenennung des Antonescu-Boulevards. Gegenstimmen
kamen bloß seitens der Vertreter des Demokratischen Verbandes der Ungarn
(UDMR). Gegen eine Umbenennung einer Antonescu-Straße stimmten im Juli auch
die Stadväter von Botosani, um sie schließlich Anfang August doch
zuzulassen. Die in Temeswar existierende Antonescu-Chaussee (früher:
Bogdanestilor) war auch Ende Juni noch nicht umbenannt worden.
Der Senat definierte den Holocaust als systematische
Vernichtung der europäischen Juden in den Vernichtungslagern der Nazis
während des 2. Weltkriegs. Diese Definition soll demnächst in das Gesetz
einfließen, das aufgrund der Regierungsverordnung 31/2002 vom Parlament
verabschiedet werden soll. Dadurch wird die von Antonescu angezettelte
Vernichtungsaktion rumänischer und sowjetischer Juden verniedlicht.
Anlässlich des 75 Gründungstages der faschistischen "Legion
des Erzengels Michael" (24.6.1927) versammelten sich in Bukarest mehrere
Altlegionäre und junge uniformierte Sympathisanten dieser Organisation zur
einer Gedenkveranstaltung. Serban Suru, der selbsternannte Chef der
"Legionärsbewegung" und Vorsitzender der Bukarester Filiale der
Nationalchristlichen Vereinigung "Petre Tutea" erklärte bei dieser
Gelegenheit: "Ich, Serban Suru, leugne hier und jetzt den Holocaust!"
(Zusammen mit Vertretern anderer revisionistischer Organisationen, wie dem
Verband der Kriegsveteranen und deren Nachkommen, der Liga zur Bekämpfung
des Antirumänismus LICAR -, der Vereinigung Vatra Româneasca Rumänische
Heimstätte -, protestierte Suru im großrumänischen Parteiblatt, "România
Mare" gegen die Regierungsverordnung, die jegliche faschistische
Betätigungen untersagt.)
Anlässlich der Ende Juli erfolgten Einweihung, der im
Geburtshaus Elie Wiesel errichteten "Gedenkstätte Elie Wiesel" in Sighet,
forderte der Friedensnobelpreisträger Präsident Iliescu auf, die gesamte
Wahrheit über den von Antonescu mit verschuldeten Holocaust öffentlich zu
thematisieren. In einem Zeitungsinterview bezeichnete Elie Wiesel den
postkommunistischen Antonescu-Kult als "einen unehrenhafter Schandfleck" für
"das rumänische Volk, die politische Klasse und Kultur".
Der Vorsitzende der Nationalen Einheitspartei der Rumänen
(PUNR),der umstrittene Ex-General Mircea Chelaru forderte am 2. August die
Durchführung eines Referendums über die Rechtsmäßigkeit der
Regierungsverordnung, die die Verherrlichung faschistischer Persönlichkeiten
und die Holocaustleugnung untersagt.
Rumänischen Presseberichten zufolge wurden bis Anfang
September von den landesweit insgesamt 25 extistierenden Antonescustraßen 10
umbenannt. Darunter auch jene in Oradea/Großwardein und Cluj/Klausenburg.
Wegen wiederholter "Anstiftung zur Hetze gegen Juden, Roma
und sexuelle Minderheiten" wurde dem privaten TV-Sender OTV am 12. 09. die
Lizenz entzogen. Anlass für diese umstrittene Maßnahme war ein am 10.09.
ausgestrahltes Gespräch mit dem Chef der neofaschistischen Groß-Rumänien
Partei, Corneliu Vadim Tudor, der erneut die Juden und Roma beschimpfte.
Tudor durfte auch schon früher als Gast des Moderators Dan Diaconescu
auftreten. Die Protokolle dieser TV-Gespräche wurden anschließend in
mehreren Folgen in der Zeitschrift "România Mare" abgedruckt. Präsident
Iliescu bezeichnete die Sendung als "Instrument des Hasses und der
Intoleranz". Der Rumänische Presseklub begrüßte die Entscheidung des
Nationalen Rates für audiovisuelle Medien, OTV die Lizenz zu entziehen.
September 2002
hjs-online:
http://home.t-online.de/home/totok/ion.htm
hagalil.com
19-09-2002
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