Teil II / 2
DIE JUDEN IN DER WELT:
SPANIEN
Auf spanischem Boden produziert das Judentum
schöpferische Begabungen, Dichter wie ibn Gabirol (1o21 bis 1o7o), Jehuda
Halevi (1o8o bis ca. 1145) und Mose ibn Esra (1o92 – 1167).
Das Verhältnis zur Kultur des Landes spiegelt sich im
Gebrauch der Sprachen. Die Juden sprechen in Saragossa teils Romanisch,
teils Arabisch. Bachja ibn Pakuda aus Saragossa, der Verfasser des
ethischen Traktats „Herzenspflichten", schreibt Arabisch, obwohl ihm die
Sprache nicht vollkommen geläufig ist. Aber in den anderen Provinzen ist
Arabisch die allgemeine Verkehrssprache. Wiederum muß Juda ibn Tibbon die
spanisch-jüdische Literatur ins Hebräische übersetzen, um sie den
provencalischen Juden zugänglich zu machen. Salomon Parchon, der aus
Nordspanien nach Italien auswandert, hat dort Schwierigkeiten mit seiner
wissenschaftlichen Produktion, weil ihm die hebräische Sprache nicht voll
zu Gebote steht, die arabische Sprache aber außerhalb des arabischen
Kulturkreises keine Geltung hat.
Der arabische Einfluß offenbart sich in der
religionsphilosophischen Betrachtungsweise der spanisch-jüdischen
Theologie, in der Herausstellung der Dogmatik, in der Gestaltung einer
Normenlehre. Demgegen über machen die Zarfatim (die nordfranzösischen
Juden) und die Aschkenasim in Talmud und Bibelexegese einen mehr
überlieferungsmäßigen orthodoxenStandpunkt geltend, und stellen sich zu
den kühnen Systematisierungsversuchen eines Maimonides in scharfen
Gegensatz. In Nordspanien, das unter provencalischem Einfluß steht,
behauptet sich in einem Mann wie Salomo ben Adret in Barcelona wiederum
jener Konservatismus. Er erhält eine Verstärkung in Ascher ben Jechiel,
der aus Deutschland nach Toledo kommt. Der Sohn des aschkenasischen
Gesetzeslehrers Jakob ben Ascher, seit 13o5 Rabbiner in Toledo, schafft
in seinem „Turim" die Grundlage für den Schulchan Aruch des Sefarden
Josef Karo (16. Jahrhundert), eine Mischung sefardischer und
aschkenasischer Gedankenarbeit mit dem Akzent auf dem aschkenasischen
Beitrag. |
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Die Verschiebung des jüdischen geistigen
Zentrums nach Norden, die politische Verdrängung des Arabertums durch die
christlichen Nordmächte verhilft dem jüdischen Geistestyp zur Herrschaft,
der sich in Katalonien, Aragonien und Leon durchsetzt und der im Grunde
dem provencalischen und italienischen weitaus verwandter ist als dem
südspanischen. Die Haltung, die hier dem Rationalismus des Maimonides
entgegengesetzt wird, ist durch einen neuen My stizismus stark gefärbt.
Sie wird durch Nachmanides (Mose ben Nachman) in Barcelona vertreten.
Der Austausch jüdischer und christlicher
Kulturgüter, der sich auf spanischem Boden im 13. und 14. Jahrhundert
vollzieht, soll für die Gestaltung des spanischen Judentums von
entscheidenderer Bedeutung werden, als es der jüdisch-arabische war, denn,
wie innig auch die Bindung an die arabische Sprache gewesen ist, sie löst
sich auf, während die spanische Sprache einmal von den Flüchtlingen der
Pyrenäischen Halbinsel in die weite Welt getragen werden wird, als ein
unveräußerliches Eigentum. Die Kadenzen der spanischen Dichtung, die
canzioneros, bestimmen den Tonfall und den Rhythmus hebräischer
Dichtungen. Juden dichten auch auf kastilianisch, und ein Mann wie Mose
Arragel aus Guadalajara übersetzt und kommentiert (1422 – 143o) das Alte
Testament für die kastilische Geistlichkeit, die die jüdische Exegese aus
authentischer Quelle kennenlernen will.
Aber die wissenschaftlichen Liebhabereien
des Hofes und des Kirchenadels, der gelegentliche Verkehr mit einem
geistig hervorragenden Juden, was ist das mehr als snobistische Spielerei
gegenüber dem unabänderlichen Gang der Ereignisse, die zu dem
Ausweisungsbefehl von 1492 führen. 3oo ooo Juden (nach
anderen,Quellen 8oo ooo) haben in dreimonatiger Frist Spanien zu
verlassen. Ein Drittel wendet sich nach Portugal, ein Drittel nach der
Türkei, etwa 25 ooo gehen nach den Niederlanden, ebenso viele dürften nach
Nordafrika, vornehmlich nach Marokko, gegangen sein, der Rest verteilt
sich auf Frankreich, Italien, Ägypten.
Mauren und Juden haben spanischen Boden
verlassen. Ist es Zufall, ist es die Folge der plötzlichen Entvölkerung –
die Berichte des 16. Jahrhunderts erzählen von der Verödung des flachen
Landes, von den eingetrockneten maurischen Kanälen, von den stillgelegten
Häfen in Barcelona und Malaga.
Die Länder, die die Vertriebenen aufnehmen,
verspüren bald die belebende Wirkung der neuzugeflossenen Energien. Die
Wirtschaftsgeschichte Italiens, der Türkei,
Frankreichs, Hollands verzeichnet einen jähen Aufschwung. Die in jenem
denkwürdigen Zeitabschnitt entdeckte überseeische Welt bietet dem
Pioniergeist der Sfardim ein dankbares Feld. Allerdings hat die
Inquisition einen langen Arm und sie holt sich ihre Opfer vom
verborgensten Fleck der Erde.
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In Spanien selbst ist das Ziel, das der
Inquisition vorschwebt, im 16. Jahrhundert erreicht. Der
Assimilierungsprozeß der conversos ist vollendet. Die Marannen, die
nach Portugal geflohen waren und 158o nach Spanien zurückkehren, um
sich als Ärzte, Juristen, Steuerpächter und Kaufleute niederzulassen,
sie müssen sich schon selber sehr entjudaisiert vorkommen, wenn sie
den Versuch wagen können, diesen mit dem Blut ihrer Vorfahren
durchtränkten Boden zu betreten.
Der Minister Philipps IV. (1621 – 1665), Graf Olivares,
faßt den Plan, Juden,aus Afrika und der Levante in der Nähe von Madrid
anzusiedeln. Wenn die Absicht auch nicht verwirklicht wurde,
kennzeichnet sie doch einen bedeutenden Gesinnungswandel. Ende des 18.
Jahrhunderts sind die Finanzen Spaniens nach dem Krieg gegen das
republikanische Frankreich in arg zerrüttetem Zustand. Der
Finanzminister des Königs Karl IV., Don Pedro Varela, scheint sich von
einer jüdischen Einwanderung viel zu versprechen, denn er empfiehlt im
Jahre 1796 die Aufhebung des Niederlassungsverbotes. |
Angesichts der ablehnenden Haltung des
Klerus gab der König 188o2 dem Inquisitor die Erklärung ab, daß das Verbot
in Kraft bleibt. Seit 1876 werden die Juden in Spanien geduldet. In den
achtziger Jahren werden 4oo Juden gezählt. Ihre Andachten üben sie in
Privathäusern aus. Nach Artikel 11 der Verfassung von 1876 ist jede
„religiöse Kundgebung", außer der katholischen, verboten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erheben sich
in Intellektuellen- und Politikerkreisen Stimmen, die die
Wiederherstellung der Ehre der Diffamierten fordern. Neben Angel Pulido
Fernandez, dem „Apostel der Sefarden", war es der Romanschriftsteller
Benito Perez Galdos, der sich für die Wiedergutmachungsaktion einsetzte.
1909 wird Artikel 11 der Konstitution, der den Juden die Errichtung von
Gotteshäusern verbietet, aufgehoben. 1910 wurde Ignacio Bauer, der
Begründer der neuen Gemeinde in Madrid, als Abgeordneter von La Coruna in
das Parlament gewählt.
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Das Maimonides-Denkmal
in seiner Geburtsstadt Córdoba.
Zur Zeit des RaMBaM erstrahlte Córdoba,
damals die größte und blühendste Stadt der Welt,
im Licht der Toleranz.
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Marcus Ehrenpreis erzählt in seiner spanischen Reise
(„Das Land zwischen Orient und Okzident", 1928) von dem außerordentlichen
Interesse, das in der spanischen wissenschaftlichen Welt den Juden und den
Mauren des Mittelalters entgegengebracht wird. Man hat die Sefardim
„entdeckt", man widmet sich der kunstgeschichtlichen Erforschung der
Juderias und der synagogalen Denkmäler. Der Marannenabkönimling Rafael
Cansinos Assens schrieb ein begeistertes Buch über den Talmud. Carmen de
Rurgos behandelte das Judenproblem in einer Anzahl von Büchern und
Zeitschriftenartikeln. Wir erfahren, daß ein spanischer Schriftsteller,
Gomez Carrillo, Tiberias besuchte, um den Spuren des Maimonides
nachzugehen. Schon damals, vor sieben Jahren, prophezeite er in
überschwänglichen Worten die Wiedergeburt des Maimonides in Spanien. Und
so ist es uns denn doch eine Genugtuung, wenn in unseren Tagen die
8oojährige Wiederkehr des Geburtstages des Mose ben Maimon in seinem
Heimatort Cordova feierlich begangen werden konnte.
Es leben jetzt Juden in Barcelona (etwa 4ooo), in Madrid
und in Sevilla, vereinzelt auch in Valencia und in Toledo. Neues
jüdisches Leben ist im Entstehen begriffen. Zum Zionistenkongreß in Luzern
1935 erschien erstmalig ein Delegierter aus Spanien.
Einwanderungswilligen werden keinerlei Hindernisse in
den Weg gelegt. Im Jahre 1933 ist eine größere Anzahl Juden aus
Deutschland nach Spanien gegangen. Ein Teil ist geblieben, ein Teil mußte
infolge der Wirtschaftskrise und der Schwierigkeiten, die die Syndikate
fremden Arbeitskräften bereiten, das Land verlassen. Jedoch hält der Zuzug
aus Deutschland an. Die Aussichten sind für den Handel und
Industrieunternehmeungen nicht ungünstig.
Quelle:
Mark Wischnitzer: Die Juden in der Welt
Las Puertas de la Esperanza - She'arej
haTikvah
'Duenos de Zaouya!
Amanecerán arraigadas las semillas secas...
Se abrirán los ojos cerrados... se cubriran los cuerpos desnudos... se
moverán las personas paradas... renovará lo antiguo, y resucitará el
exterminio de los males y sufrimientos'.
...
Hoy se aclara el cielo
se ajusta la balanza
y se abren las puertas de la esperanza.
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Rabbi Moses Ben Maimon
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Mark Wischnitzer:
Die Juden in der Welt |