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Judentum und Israel
   
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Rabin - Ein politischer Mord und die Zeichen an der Wand

Hetze, Hass und Mord:
Die Rolle der Medien

Amnon Kapeliuk

Nach jedem Terroranschlag auf den Straßen von Israel nährten und verstärkten die Medien - das war zu erwarten - Zorn und Wut des Volkes. Die rechten Extremisten verstanden es, sich ihrer zu bedienen.

Die gewaltigen roten Schlagzeilen der beliebten Zeitungen trugen häufig zur Hysterie bei. Das Motiv für diese Eskalation des Sensationellen lag auch in der gnadenlosen Konkurrenz zwischen den beiden großen israelischen Tageszeitungen und den Fernsehsendern. Nach der Ermordung kritisierte man, wie so oft, die Rolle der Medien und warf ihnen vor, Öl ins Feuer gegossen zu haben. Eine im großen und ganzen ungerechtfertigte Kritik, denn die Medien spiegeln lediglich Meinungen und Ideen wider, selbst wenn sie den Beschwörungen der Rechten, das stimmt durchaus, manchmal mehr Platz eingeräumt haben.
 

Im Frühjahr 1993 mehren sich Fälle palästinensischer Messerstechereien. Am 29.3. titelt Jedioth achronoth "Messer im Rücken"

Eretz Israel - Das zwanzigste Jahrhundert, von Mordecai Naor

Der Rechtsberater der Regierung hatte zwar auf die zur Ermordung führende Hasskampagne nicht reagiert, aber nachdem das Unvorstellbare passiert war, wollte er eine Zensur einführen; er zog seinen Vorschlag jedoch schnell wieder zurück. Die Presse blieb weiterhin frei und gab und gibt alle Äußerungen wieder, auch die von Yigal Amir vor Gericht, über die so viele Menschen schockiert waren.

Im ersten Fernsehprogramm bekommt man in einer wöchentlichen Sendung, einer Diskussion mit dem Titel Popolitica, gespickt mit Ordinärem, Grobheit und verbaler Gewalt, eine Vorstellung von der Stimmung, wie sie auf der Straße an der Tagesordnung ist. Man diskutiert laut schreiend, niemandem gelingt es, auch nur einen Satz zu vollenden. Eine Kultur der Marktschreierei. Sicher verstärkte auch diese Sendung die öffentlichen Unmutsäußerungen. Zahlreiche Beobachter bedauern, dass die heftige politische Diskussion zu einem Symbol der israelischen Gesellschaft geworden ist. In der soeben erwähnten Sendung hatten die Teilnehmer »buchstäblich den Mund voll Blut«.

Aruz-7, Flackschiff der nationalistischen Hetze

Natürlich brauchte Yigal Amir keine derartige Sendung, um zum Handeln animiert zu werden. Dennoch war er ein eifriger Hörer von Kanal 7 (Aruz7 - heute auch 'Israel National Radio'), dem Sender der Siedler in den besetzten Gebieten, in dem Rabin und mit ihm seine Regierung ununterbrochen angegriffen wurden. Das ist ein Piratensender in der Siedlung Beit El bei Ramallah. Selbst im Gefängnis darf Rabins Mörder seinen Lieblingssender hören - er hat Anspruch auf ein Radio.

Unter anderem war folgendes vor der Ermordung zu hören: »Artikel 97 (1977) des Strafgesetzes schreibt vor: Wer der Souveränität des Landes schadet, den erwartet die Todesstrafe oder aber eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Was ist ein Verräter? Das Wörterbuch definiert ihn als jemanden, der das Vertrauen missbraucht, gegen seine Kameraden, sein Volk oder sein Land handelt und dem Feind hilft. Was ist Rabin demzufolge?«

Das ist der Tenor des ersten Sprechers des Senders, Adir Zik. Sein Thema ist unerschöpflich. »Diese Regierung hat den Zionismus verraten und gegen die Gesetze von Israel verstoßen. Wer der PLO und Hamas [mit dem Friedensvertrag] Grund zum Feiern gibt, wird eine passende Antwort bekommen.« »Rabin und Peres, die beiden Verräter, wurden mit Geld gekauft.« »Es überrascht nicht, daß Rabin gesagt hat, die Demonstrationen würden ihn nicht dazu bringen, eine andere Richtung einzuschlagen. Wären Tausende von Menschen gewaltsam bei ihm eingedrungen oder hätten sie ihn einfach nach draußen geschleppt, er hätte es sich anders überlegt. Es ist an der Zeit, Rabin nicht mehr mit Samthandschuhen anzufassen, sondern ihn so zu behandeln, wie er es verdient hat.«

Und auch das war auf Kanal 7 zu hören: »Rabin versteht nur die Sprache der Gewalt, dann muß man eben in der ihm vertrauten Sprache mit ihm sprechen« (Uri Ariel, Vorsitzender des Siedlerrates in den besetzten Gebieten).

»Nein, Yitzhak Rabin ist kein Nazioffizier, wie in der Fotomontage auf der Demonstration in Jerusalem gezeigt, er kollaboriert mit Tausenden von Nazioffizieren. Er läßt sie hinein mitten ins Herz des Staates Israel mit ihrem Führer Adolf Arafat an der Spitze, um das jüdische Volk auszurotten« (der Schriftsteller Moshe Shamir am 18. Oktober 1995).

Übrigens hatte Yigal Amir Avi Rat, einen der Stars von Kanal 7, zu einem Vortrag an einem von ihm veranstalteten Wochenende in den Siedlungen eingeladen.

Die "religiöse" Wochenschrift haSchawu'a

Unter den religiösen Zeitungen nimmt die Wochenschrift Hashawua (»Die Woche«) im Feldzug gegen Rabin eine Sonderstellung ein. Über ein Jahr lang bis zum Tod des Ministerpräsidenten übertraf die im Blatt verwendete Sprache alle anderen an Gewalt und Brutalität. Wiederholt befasste es sich mit der Frage, ob Rabin wegen seiner Politik sterben müsse. Immer wieder tauchten in den Spalten die Wörter »Verräter«, »Verrückter«, »Nichtjude«, »Nazi«, »Kapo« und »Judenrat« auf. Der Chefredakteur hatte vorgeschlagen. Rabin zu schlagen, »bis das Blut spritzt«.

In einem Artikel ist zu lesen: »Eines Tages wird das Volk von Israel Rabin und Peres auf die Anklagebank setzen, ihnen den Prozeß machen, und dann werden sie nur noch zwischen Galgen oder Irrenanstalt wählen können.« Im August 1995 hieß es, bestimmte Gruppen würden sogar so weit gehen, Rabins Hinrichtung zu fordern.

Nach der Ermordung stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen für einen Monat ein, danach kam sie wieder heraus. Und auch die Angriffe wurden wieder aufgenommen. »Ein Mörder bleibt ein Mörder, selbt wenn er tot ist«, hieß es in der Zeitschrift, in der Yigal Amir als eindrucksvoller Mann beschrieben wird. Asher Zuckerman, der Zeitungsherausgeber, sagte dazu: »Unsere Linie wird sich nicht ändern, dafür gibt es keinen Grund.«

Die verbale Gewalt fanatischer orthodoxer Kreise kannte keine Grenzen. Am 26. Januar 1995 war Yitzhak Rabin bei einer Zeremonie zur Vereidigung junger Fallschirmjäger an der Westmauer [Klagemauer] anwesend. Plötzlich ertönten Parolen wie: »Rabin, Verräter! Rabin, Mörder!« Die Rufe kamen von der Yeshiva Esh ha-Thora (Aish »Feuer der Thora«), von der man direkt auf die Mauer blickt. Rabins persönlicher Referent forderte einen Polizeioffizier auf, den jungen Studenten diese skandalösen Schreie sofort zu verbieten. Der Offizier kam seiner Aufforderung nach, aber gleich nach seiner Rückkehr erklangen die Rufe erneut, diesmal noch heftiger.

"Rabin spaltet das Volk"

In den religiösen Schulen der Siedlungen erzieht man die Kinder schon früh zum Haß auf die Araber, die Palästinenser: Wer sich mit ihnen abgibt, ist bösartig und ein Verräter. Eine solche Erziehung bringt einen Yigal Amir hervor.
Der israelische Filmemacher Micha Peled drehte in Kiryat Arba, der Siedlung oberhalb der arabischen Stadt Hebron, in der auch der Moschee-Attentäter Baruch Goldstein lebte, einen Film mit dem Titel Gottes Bunker.

Eine Szene drehte er in der Schule dieser Siedlung. Der Lehrer fragt: »Was habt ihr heute gelernt?« Ein Schüler: »Wir haben gelernt, dass Rabin das Volk spaltet.« Ein anderer Schüler: »Wir haben gelernt, dass Rabin Fehler begeht.« Eine weitere Szene zeigt Kinder der Siedlung im Bus, sie singen: »Alle hassen die Araber. Aber am wichtigsten ist es, sie zu töten, einen nach dem anderen.« Und der Refrain: »Ha! Ha! Ha! Ich habe mich noch nicht richtig gerächt!« Danach skandierte Rufe: »Ami Popper! Keiner kommt Dir gleich!« Der Israeli Ami Popper hatte 1990 sieben palästinensische Arbeiter aus Gaza ermordet, dafür wurde er zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.

Professor Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität in Jerusalem, sein Fachgebiet ist das Dritte Reich, sagte in einem Interview: »Einen bestimmten Teil der israelischen Öffentlichkeit würde ich ohne zu zögern mit deutschen Nazis vergleichen. Die Siedlerkinder in Hebron benehmen sich genau wie die Hitlerjugend. Sie werden mit der Vorstellung aufgezogen, dass alle Araber Übeltäter und alle Nichtjuden, die Gojim, gegen uns sind. Man macht sie zu Paranoikern, und sie sind davon überzeugt, daß sie "einer Herrenrasse" angehören, genau wie die Hitlerjugend.« Die zukünftigen Amirs und Goldsteins...

Auch nach der Ermordung Rabins wird Siedlerkindern immer noch eingebläut, dass er für das Böse steht. So veröffentlichte die Zeitschrift des Regionalrats von Gush Etzion (zwischen Bethlehem und Hebron gelegen) ein von den Schülern erdachtes »Interview« mit dem Ministerpräsidenten: »Erlauben Sie, Herr Rabin, wie konnten Sie nur so ein schreckliches Abkommen unterzeichnen, das soviel Schlimmes über unser Volk bringt?« Rabin: »Mein liebes Kind, Du weißt also noch nicht, dass der Teufel sich meiner bemächtigt und mich zu so gräulichen Taten verführt hat. Ich weine vor Traurigkeit, weil ich es gewagt habe, die Einheit unseres Volkes zu zerstören.« Und in diesem Ton geht es weiter...

Nationalismus und rechte Gewalt:
Gott führt Krieg

Der Mord an Rabin in den Augen eines israelischen Linken...

siehe p114ff.
Amnon Kapeliuk
RABIN - Ein politischer Mord
Beschreibung zum Buch

Amnon Kapeliuk,
Rabin: Ein politischer Mord.

Nationalismus und rechte Gewalt in Israel.
Vorwort von Lea Rabin
Euro 8,90

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hagalil.com 05-11-2003

 


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