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Judentum und Israel
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Platz der Könige Israels:
Erinnerungen an einen Krieg der "Frieden für Galiläa" hieß

1982 marschierten die israelischen Streitkräfte in den Libanon ein. Das Unternehmen wurde "Schlom haGalil" (Frieden für Galiläa) genannt. Deklariertes Ziel war es dem Norden Israels Ruhe zu verschaffen.

Im Verlauf des Krieges wurde die libanesische Hauptstadt Bejruth belagert und eingenommen, die PLO wurde aus dem Libanon vertrieben und zog sich nach Tunesien zurück. Am Tag des Abzugs der PLO verübten Milizen der christlich-libanesischen Falange in den wehrlosen Flüchtlingslagern Sabra und Schatilah ein Massaker.

Am 25. September 1982 strömten auf dem schmucklosen Kikar Malchei Israel ("Platz der Könige Israels") vor dem Rathaus von Tel Aviv 400.000 Menschen zu der bis heute größten Demonstration in der Geschichte des Landes zusammen.

Zu Beginn des Libanonkriegs konnte sich Menachem Begin, damals Ministerpräsident, auf eine nahezu geschlossene Unterstützung verlassen. Radikalere Vertreter der Nationalreligiösen Partei lieferten sogar eine historisch-religöse Begründung für den Einmarsch: Teile des heutigen Libanon hätten einstmals dem israelitischen Stamm Asher gehört. Der aschkenasische Oberrabbiner Shlomo Goren zitierte biblische Episoden - Josuas Krieg gegen die Kanaaniter und den israelitischen Kampf gegen die Amalekiter - als Rechtfertigung. Aber als die Zahl der toten Soldaten wuchs und deutlich wurde, dass es sich um einen längeren Krieg und nicht nur um eine begrenzte militärische Operation handelte, wuchs der Unmut in der israelischen Bevölkerung.

Schon vom ersten Kriegstag an hatten Intellektuelle wie Amos Oz und Abraham B. Jehoschua öffentlich gegen den Einmarsch protestiert — und sich harsche Kritik eingefangen (beispielsweise von Ephraim Kishon, der gegen den unpatriotischen "Selbsthass der Progressiven" wetterte). Sogar innerhalb der Armee formierte sich mit dem Brief der 92 oder Yesh Gvul ("Es gibt eine Grenze!"), einer Gruppe von Reservisten, die — ein Novum — den Militäreinsatz im Libanon verweigerten, erstmals in der Geschichte des Landes Widerstand gegen einen Krieg noch während der Kämpfe.

Kikar Malkhej Israel
Kikar Jizhak Rabin, Tel Aviv

Habbo Knoch

Am 25. September 1982 strömten auf dem schmucklosen Kikar Malchei Israel ("Platz der Könige Israels") vor dem Rathaus von Tel Aviv 400.000 Menschen zu der bis heute größten Demonstration in der Geschichte des Landes zusammen.

Wenige Tage zuvor hatten, von israelischen Offizieren geduldet, christlich-libanesische Einheiten in zwei palästinensischen Flüchtlingslagern Hunderte von Zivilisten ermordet. Die Kundgebung offenbarte, dass mit den Ereignissen von Sabra und Shatila endgültig der nationale Konsens in Sicherheitsfragen zerbrochen war. Ihr war bereits eine Reihe kleinerer Demonstrationen vorangegangen, seitdem am 26. Juni bei der ersten Antikriegskundgebung 20.000 Menschen in Tel Aviv gegen den Einmarsch protestiert hatten.

Hauptorganisator der Großveranstaltung war die Friedensbewegung Schalom Akhschav ("Frieden jetzt"). Bezeichnend für ihre antiexpansionistische, aber keineswegs pazifistische Haltung war, dass sie erst zum Protest gegen den Krieg aufrief, als die israelischen Truppen über die zuvor als Kriegsziel angekündigte Vierzig-Kilometer-Linie vorgedrungen waren. Unter Parolen wie "Zerstört die Armee nicht in Kriegen, für die sie nicht vorgesehen ist!" versammelte sie am 3. Juli in Tel Aviv 100.000 Teilnehmer. Shalom Achshav hatte sich 1978 parallel zu den Friedensverhandlungen mit Ägypten als eine Sammlungsbewegung von Befürwortern des Prinzips "Land gegen Frieden" formiert. Sie agiert bis heute auf der Basis von lokalen Komitees, die in einem nationalen Forum zusammengeschlossen sind. Diese lockere Organisationsform zeigt, dass die Bewegung trotz aller Anfeindungen schon früh einen nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung hatte; Anfang der achtziger Jahre sympathisierte gut ein Viertel der Bevölkerung mit ihren Zielen.

Auch wenn Shalom Achshav sich keiner Partei zuordnen lassen wollte, gehörte sie doch in ein bestimmtes Spektrum linker Bürgerbewegungen und linksliberaler Parteien, die seit Mitte der siebziger Jahre entstanden waren. In dieser Zeit kritisierten zahlreiche Bürgerbewegungen die Strukturen der Mamlachtiut (Etatismus, Anm. die Regierung repräsentiert den Staat) und machten sie für die Beinaheniederlage im Yom-Kippur-Krieg und den von ihnen beklagten Mangel an Demokratie mitverantwortlich. Im rechten und linken politischen Spektrum tauchte durch Abspaltungen und Neugründungen in den siebziger und achtziger Jahren ein Dutzend neuer Parteien auf, von denen viele in die Knesset einziehen konnten; so waren 1981 nur sieben, 1984 aber 13 Parteien im Parlament vertreten. Mehr als vierzig Friedensgruppen stabilisierten die linksliberale Kultur, während sich im rechten Spektrum bis 1996 mehr als ein Dutzend rechtsextremer, gewaltbereiter Parteien und Gruppierungen formierte.

Die Öffnung der politischen Kultur verhärtete zugleich die politischen Fronten im Land. Im Zuge der Auseinandersetzungen um den Libanonkrieg, die Grenzfrage und die Intifada brachen die alten, vornehmlich an Territorial- und Besiedlungsfragen ausgerichteten Richtungskämpfe aus den dreißiger Jahren wieder auf, die durch die Mamlachtiut eingedämmt worden waren. Die Demokratisierung Israels werde, so der israelische Soziologe Shmuel N. Eisenstadt, von einem "politischen Anarchismus" begleitet, der fest in der jüdischen politischen Kultur verankert sei und "im Glauben an einen direkten Zugang zu Gott wurzelt".

Gewalt hielt in die innerjüdischen Auseinandersetzungen Einzug, als Vertreter von Shalom Achshav sich nicht mehr nur verbaler Attacken erwehren mussten. Bei einer Kundgebung im Februar 1983 in Jerusalem starb ein Teilnehmer (Emil Grünzweig), nachdem ein Gegner der Friedensdemonstration eine Handgranate in die Menge geworfen hatte. Die Knesset hielt daraufhin eine ihrer wenigen Debatten über die demokratische Kultur in Israel ab und mahnte zur Einhaltung von Ruhe und Ordnung, aber auch zu gegenseitigem Respekt für das Recht auf freie Meinungsäußerung. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten, eine arbeitsfähige Regierungskoalition zu bilden, wuchs gleichzeitig die Kritik am Viel-Parteiensystem.

Im April 1990 versammelten sich 250.000 Menschen auf dem Platz der Könige Israels zu einer Kundgebung, die eine schon vorher wiederholt diskutierte Änderung des Wahlsystems forderte. Sie sollte kleine Parteien aus der Knesset fernhalten und die Direktwahl des Premierministers ermöglichen. Letzteres wurde nach zähen Verhandlungen 1992 für die Wahl von 1996 entschieden, aber das einfache Verhältniswahlrecht blieb unverändert.

Yitzhak Rabin hätte die Wahl 1996 höchstwahrscheinlich gewonnen. Doch am 4. November 1995 wurde er im Anschluss an eine Demonstration auf dem Platz der Könige Israels vom radikal-nationalreligiösen Yigal Amir ermordet. 150.000 Menschen hatten zuvor für die Friedenspolitik der Regierung demonstriert - ein persönlicher Triumph für Rabin, der sich Ende der achtziger Jahre, nach seiner jahrzehntelangen Karriere im Geiste einer Politik der Stärke, zum zögerlichen Befürworter eines gebremsten Friedensprozesses gewandelt hatte. Je länger der Friedensprozess dauerte, d.h. je langsamer er voran schritt, desto besser formierten sich seine Gegner. In den Monaten vor dem Attentat hatte sich die Kritik an Rabin und seiner Regierung von rechter — säkularer wie nationalreligiöser - Seite massiv zugespitzt. Beschimpfungen ("Rabin, Du Verräter!"), für die es in dieser "Kultur der Marktschreierei" (Amnon Kapeliuk) keine Tabus mehr zu geben schien, verfolgten den Premierminister bis vor seine Haustür. Kritische Beobachter sahen die Demokratie in Gefahr: "Die Israelis haben einen neuen Feind: sich selbst. Hysterie und Haß haben Debatten ersetzt. Eine Kultur der Gewalt liegt überall in der Luft" (Hirsh Goodmann, Jerusalem Report, 15. Oktober 1995).

Mit dem Attentat auf Rabin ist der Platz der Könige Israels vom Mythos der israelischen Demokratie und einer weitverbreiteten Friedensbereitschaft zur symbolischen Ruine einer national getragenen Friedenspolitik geworden. Die Spaltungskämpfe über diese Frage, die mit ethnischen und religiös-kulturellen Spannungen verknüpft sind, zerstören vielleicht einmal das politische System des Landes. Denn die Attacken gegen die Friedenspolitik der Rabin-Regierung waren bei vielen der religiös-nationalistischen Akteure mit Vorstellungen verbunden, Israel auf längere Sicht zu einem Staat zu machen, in dem das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, gilt. Auch Yigal Amir ist der Überzeugung, dass "ein jüdischer Staat und ein demokratischer Staat" nicht zusammenpassen. Gleichwohl hat sich vom Platz der Könige Israels aus seit 1982 ein größeres Bewusstsein für die Notwendigkeit ausgebreitet, sich öffentlich für die humanistischen und liberalen Werte des Judentums einzusetzen. Und nur eine Minderheit stellt das demokratische System selbst grundsätzlich in Frage. Das hat das Attentat, mit dem der Geburtsort der israelischen Friedensbewegung zum Rabin-Platz wurde, allerdings nicht verhindert.

Vom Likud als Demonstration nationaler Stärke gedacht, stoppte der Libanonkrieg den scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der Partei. Begin hatte ein Sakrileg begangen, als er die Armee und das Leben jüdischer Soldaten für einen Feldzug mißbrauchte, der zum Überleben des Landes nicht notwendig war. Er trat im August 1983 zurück, sein Nachfolger wurde Yitzhak Shamir. Mit den Wahlen von 1984 begann eine über ein Jahrzehnt währende Phase, in der sich zwei gleichstarke Parteien, die Arbeiterpartei und der Likud, im Kampf um die Macht gegenseitig lähmten.

Die israelische Armee zog sich 1985 aus dem Libanon zurück, behielt aber unter Aufsicht der von Israel unterhaltenen Südlibanesischen Armee eine "Sicherheitszone" im Süden des Landes unter Kontrolle. Dennoch sind seitdem von der Hizballah Hunderte von Katjuscha-Raketen auf das nördliche Israel abgeschossen worden. In den letzten Jahren, zuletzt Ende 1995 mit der Operation "Früchte des Zorns", kam es wiederholt zu massiven israelischen Gegenschlägen, die aber immer weniger über die schwache Position Israels an dieser Grenze hinwegtäuschen können: Die Südlibanesische Armee ist von der Hizballah unterwandert, die Guerillakämpfer sind inzwischen mit besseren Waffen ausgestattet, und die israelische Regierung verliert mit jedem der Gegenangriffe, die ihr angesichts der starren syrischen Haltung auch keine politische Dividende einbringen, an politischem Prestige.

Die hin und wieder im Norden Israels zu vernehmenden Donnergeräusche erinnern in der reizvollen Landschaft daran, dass der Krieg auf Raten andauert Nicht abreißende Nachrichten über gefallene israelische Soldaten ließen im Herbst 1997 bis in die Likud-Regierung hinein Stimmen lauter werden, die einen Ruckzug hinter die Grenzen von 1949 forderten. Aber dann lägen die Vororte von Haifa in Reichweite der Katjuscha-Raketen. Bislang droht nur der äußerste Norden auf längere Sicht zum Niemandsland zu werden. Als die Hizballah im Sommer 1993 das nördliche Galilaa mit Raketen eindeckte und die israelische Armee mit der Bombardierung ihrer Stellungen antwortete, flohen dreiviertel der Bewohner dieser alten Frontregion in den Süden, Richtung Tel Aviv.

Aus dem Kapitel "Land ohne Frieden" von Habbo Knoch
(in Davids Traum, Bleicher 2000)

Eines schönen Tages:
Von Tel Aviv nach Beirut

1987 erinnerte Si Hi-Man die Israelis an eine bittere - aber auch hoffnungsvolle - Wahrheit: "BeJom bahir efschar liroth miTel-Aviv et Bejruth"...

Anmerkung: Nach den Ereignissen von Sabra und Schatila zog sich Israel in den Süden des Libanons zurück und errichtete entlang der israelischen Nordgrenze eine Sicherheitszone, um die Ortschaften im Norden des Galil vor Angriffen zu schützen. Das Vakuum, das durch die Abwesenheit der PLO entstanden war, wurde durch iranisch und syrisch gedeckte schiitisch-fundamentalistische Terrorverbände (v.a. "Hizbollah" und "Amal") ausgefüllt.

Am 24. Mai 2000 verließen die letzten israelischen Truppen die Sicherheitszone. Da es kein Abkommen mit dem Libanon gibt, wurde die Entscheidung, den Libanon zu verlassen, unilateral von der israelischen Regierung unter Ehud Barak getroffen, um sich an die UNO Resolution 149 zu halten. Dies war die Folge eines Versprechens, dass der zukünftige Ministerpräsident Ehud Barak im Wahlkampf im Mai 1999 abgab. Barak hoffte auf eine Einigung mit Syrien, eine der hauptsächlichen Kräfte im Libanon. Seine Hoffnungen wurden im Frühjahr 2000 zunichte gemacht, als der syrische Präsident Assad klarstellte, dass er bezüglich der Golanhöhen keinem Kompromiss zustimmen werde.

Unmittelbar nachdem der Südlibanon von den israelischen Truppen verlassen worden war, nahmen die HisbAlah (Krieger Alahs) das Gebiet ein und bezeugten damit ihren Willen, auf der künftigen politischen Bühne eine Hauptrolle zu spielen.

Kurzbeschreibung zum Buch
Davids Traum - Ein anderes Israel

 

Ein anderes Israel:
Davids Traum
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Habbo Knoch (Hg.)
Gebundene Ausgabe
- 459 Seiten
Erscheinungsdatum: 2000
ISBN: 3883500496
Preis: 25.00 Euro
Bleicher Verlag

"Ein wichtiges Buch: durchaus als Reiseführer geeignet für alle, die nicht nur Israels Mittelmeerküste erleben wollen; und ein Muss für Interessierte, die über den Tellerrand der Klischees hinaussehen wollen."
(Buchhändler heute)

www.bleicher-verlag.de
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hagalil.com 15-10-2002


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