Die Juden in der Welt:
Palästina / Erez Israel unter türkischer Verwaltung
Teil 4, nach Mark
Wischnitzer
Teil 1 /
Teil 2 /
Teil 3
Die Eroberung Palästinas durch die Türken (1517)
begünstigte die Einwanderung aus dem türkischen Reich. Einwanderer
aus Ägypten meldeten sich. Kein Geringerer als Isaak Scholal, der
Philanthrop und Schriftgelehrte, Nagid der ägyptischen Judenheit,
kam, nachdem das Amt vom Sultan Selim aufgehoben wurde, nach
Jerusalem, um hier als Oberrabbiner zu wirken.
Scholal gründete Lehrhäuser, sorgte für den Zuzug von Talmudlehrern
aus den Nachbarländern. Ein anonymer Reisender, der im Jahre 1522
Jerusalem besuchte, verzeichnet hier bereits 4000 Juden. Die übrigen
Gemeinden haben eine geringere Bedeutung. Jedoch leben Juden in
einer Reihe von galiläischen Dörfern, wo sie für ihre Bedürfnisse
ausreichenden Erwerb finden.
Jerusalem tritt in den folgenden Jahrzehnten, nicht zuletzt infolge
der übermäßigen Steuerbelastung, hinter Safed weit zurück. Im 16.
Jahrhundert erscheint Safed als ein Mittelpunkt des Handels, der in
jüdischen Händen liegt, von allerlei Gewerben, der Wein- und
Ölfabrikation und der Erzeugung von Webstoffen und fertigen
Kleidern. 1563 wird hier eine hebräische Buchdruckerei gegründet,
die erste im Orient, die Werke der Safeder Schule herausbringt.
Eine Episode verdient verzeichnet zu werden: Josef Nassi, Herzog von
Naxos, der bekannte Diplomat und Vertraute der Sultane Suleiman und
Selim, erhält die Stadt Tiberias am galiläischen See (Kinereth, See
Genezareth) mit sieben umliegenden Dörfern zum Geschenk. Er plant
die Errichtung eines kleinen Judenstaates. Tiberias wird aufgebaut
und befestigt, die Ebene urbar gemacht, Maulbeerbäume gepflanzt.
Juden werden angesiedelt. Der Plan Nassis ging dahin, eine
Seidenzuchtindustrie einzurichten, die mit der venezianischen
konkurrieren könnte. Er gab später den Gedanken auf, denn es
beschäftigte ihn ein anderes Ziel: die Errichtung eines jüdischen
Königreiches auf der Insel Cypern.
Ende des 16. Jahrhunderts wird das palästinensische Judentum von der
Pest und von der Cholera, von Erdbeben und Hungersnot, sowie durch
Verfolgungen seitens der Araber schwer heimgesucht. Die jüdische
Gemeinde in Venedig besteuert ihre Mitglieder zugunsten der Brüder
im Heiligen Lande. Dem Beispiele folgen andere Gemeinden. Regelmäßig
treffen Sendboten aus Palästina ein, die die Gelder einsammeln und
die sogenannte "Chaluka" abführen. Die Sendboten ziehen in die
entlegensten Länder, um die Mitte des 18. Jahrhunderts sogar bis
nach Nordamerika, das eine noch recht geringe jüdische Bevölkerung
aufwies.
Die Sehnsucht nach Zion und der Geulah
Im Jahre 1648 war die Not der europäischen Gemeinden
so groß, dass die Aufbringung von Geldern für Palästina stockte.
Eine unbeschreibliche Verzweiflung bemächtigte sich der Juden in
Palästina.
Sabbatai Zewi (Schabtaj Zwi) fand hier einen
günstigen Boden für seine messianischen Schwärmereien. Zwei Jahre
lang (1663-1665) hielt er die Bevölkerung Jerusalems in Atem, bis
die Rabbiner über ihn den Bann verhängten und den Zauber lösten.
Sabbatai Zewi nahm ein klägliches Ende, jedoch ließ sich der Wunsch
nach Erlösung nicht mehr verdrängen.
Ende des 17. Jahrhunderts zieht eine zuversichtliche Schar
polnischer Juden nach Palästina. Sie findet nichts wie Not und Elend
und geht an Entbehrungen und Krankheiten zugrunde.
Der Chassidismus
nährt die Sehnsucht und die Liebe für Palästina. Ber von Meseritsch,
der Schüler des Bescht, der die chassidische Bewegung begründet hat,
sagte: "Zion ist die Mitte der Welt, der Lebensquell der Welt. Zion
besitzt von jedem Lande etwas. Sie kommen alle nach Zion und
schöpfen dort ihre Lebenskraft."
Rabbi Nachman von Bratslav sagte: "Wer ein wahrhafter Jude sein
will, muß nach Erez Israel gehen; die Hindernisse mögen noch so
viele sein, er muss sie überwinden und gehen." Er ging selber 1799
nach Palästina. Als er, von seinen Anhängern schwer vermisst,
zurückkehrte, fühlte er sich stark gewandelt. Seine alten Lehren
befriedigten ihn nicht mehr, er ging neue Wege.
Im Jahre 1777 übersiedelte eine chassidische Gruppe von 300 Menschen
mit Frauen und Kindern nach Galiläa, wo sie sich unter der Führung
ihrer Lehrer, darunter der Rabbi Mendel von Witebsk, ein Anhänger
des Meseritscher Rabbi, im kabbalistischen Safed niederließen. Die
osteuropäische chassidische Einwanderung nach Palästina bildete ein
beträchtliches Element.
Wenn
das Land im Jahre 1839 bereits eine jüdische Einwohnerschaft von
12.000 Seelen zählte, verdankte es den ansehnlichen Zuwachs der
Einwanderung der Chassidim.
Jerusalems jüdisches Viertel und die neuen Vororte in
der zweiten Hälfte des des 19.Jh.
Aufbau unter größten Opfern
Im 19. Jahrhundert lassen sich Bestrebungen zum
Wiederaufbau Palästinas verzeichnen. Sir Moses Montefiore setzt sich
für die städtische Kolonisation ein und lässt Häuserkolonien bauen.
Die Rothschilds fördern Schulen, Krankenhäuser und
Wohlfahrtsanstalten. Der Dichter Ludwig August Frankl, Verfasser des
Buches "Nach Jerusalem", gründet 1856 die Lämelschule, die erste
weibliche Schule im Lande.
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Petach Tikvah - Tor der
Hoffnung, gegründet 1878, nach vor der "Ersten Alijah" |
Orangenplantagen in Petach
Tikvah |
Die jüdische Bevölkerung Palästinas beginnt in den
siebziger Jahren sich selbst kulturell und sozial zu betätigen. Die
städtische Kolonisation in Jerusalem macht Fortschritte. In Safed
und in Tiberias wird der Ackerbau gefördert, in Jaffa und Haifa der
Warenhandel. Endlich legen jüdische Menschen aus Jerusalem den Grund
zur landwirtschaftlichen Kolonisation. 1878 wird nordöstlich von
Jaffa die erste landwirtschaftliche Kolonie Petach Tikwa
gegründet, nachdem acht Jahre vorher in Mikwe Israel von der
Alliance die noch heute bestehende Ackerbauschule eröffnet wurde.
BILU - Beth J'akow lekhu vnelkhah beOr A'd'on'a'j
Haus J'akows, geh und schreite im Licht des
''''...
Der Wahlspruch der "Ersten Alija", mit der erstmals Juden nicht nur
aus religiösen Gründen nach Erez Israel kamen.
Wir stehen am Vorabend einer neuen Zeit. Die
Ereignisse von 1882 in Russland bringen Scharen von Auswanderern
nach Palästina. Auch aus Rumänien kommen welche.
In Judäa werden die Kolonien Rischon leZion und Wadi Chanin
(heute Nes Zionah) gegründet, westlich von Samaria Sichron
Jakob und in Galiläa Rosch Pinah.
Siehe Karte: Städte und Dörfer
der 1. und 2. Alijah
Gleichzeitig kommen die ersten jemenitischen Juden ins Land, die
sich als tüchtiges Kolonisationselement erweisen. Die
Schwierigkeiten sind jedoch ungeheuer. Ohne die großzügige
Unterstützung des Barons Edmond de Rothschild wäre das
Kolonisationswerk zusammengebrochen.
Drei
Vertreter der "Ersten Alijah" (ltr) J'akow Schertok (Bilu), Vater
von Moscheh Scharet, dem ersten israelischen Außenminister, Elieser
Ben-Jehudah, Erwecker des neuen Hebräisch zur Umgangssprache, Z'ew
Dubnow (Bilu), Bruder des Historikers Simon Dubnow
In den folgenden Jahren entstehen die Kolonien Jessod Hama'ala am
Hulesee, Ekron, Gedera, deren Gründer junge Männer, meist
Hochschüler aus Rußland, waren, Bne Jehuda am Ostufer des Sees
Genezareth (Jam Kinereth), Rechowoth und Mischmar haJarden an der
Jordanbrücke zwischen dem Hule- und Genezarethsee und einige
kleinere Siedlungen.
Jerusalem:
Juden an der Kothel (Westmauer / sog. Klagemauer)
Zu gleicher Zeit wächst die Bevölkerung in den
Städten, in Neu-Jerusalem, in Jaffa, das im Mittelpunkte der
Kolonien liegt, in Gaza, wo eine größere Gemeinde bestanden hatte,
und in Ramle; die Handwerker und Arbeiter dieser Stadt fanden
Beschäftigung bei den Kolonisten. Safed nimmt an Bevölkerungszahl
und Bedeutung zu. Im Zeitraum von 1880-1900 war die jüdische
Einwohnerschaft von 35.000 auf 90.000 angewachsen.
1896 lebten in Jerusalem 45.420 Menschen. Davon waren
8.560 Muslime, 8.748 waren Christen (jeweils unter 20%) und
28.112 Juden (über 60% bzw. 3/5 der Gesamteinwohnerschaft).
Die
Mehrheit der Einwohner Jerusalems waren Juden, (Abb. Altstadt 1896)
Abb.: Chajm Valero, Bankier und prominentes Mitglied
der sefardischen Gemeinde Jerusalems.
Der politische Zionismus
Am Ausgang des 19. Jahrhunderts erhält die
Kolonisationsbewegung eine mächtige organisatorische Stütze. 1897
wird die Zionistische Organisation begründet. Im nächsten Jahre
übernimmt die Jewish Colonization Association die Verwaltung der
Rothschildkolonien. Größere Bodenflächen werden erworben, auf denen
im, Laufe der nachfolgenden 14 Jahre 29 Kolonien und Farmen
errichtet wurden. Neben die europäische Einwanderung tritt die
Einwanderung aus dem Kaukasus, aus Persien, Buchara, Kurdistan und
Mesopotamien. Besonders stark war der Zustrom aus Jemen. Das Land
braucht Menschen. In Jerusalem werden neue Vorstädte gebaut, im
Norden Jaffas entsteht 1909 die Vorstadt Tel Aviv, die heute
(1935) eine Stadt von rund 120.000 Einwohnern ist.
Die Erziehung der heranwachsenden Generation schafft
einen neuen Problemkreis. Neben die Alliance, die Schulen in
Palästina unterhielt, trat der Hilfsverein der Deutschen Juden.
Es wurden von ihm die ersten hebräischen Kindergärten,
Elementarschulen, höhere Schulen, eine Realschule, Handwerkerkurse,
ein Lehrerseminar und zwei Jahre vor Ausbruch des Weltkrieges das
Technikum in Haifa zur Ausbildung qualifizierter Handwerker
geschaffen.
Städte und
Dörfer der 1. und 2. Alijah
>> weiter: Die
Besitznahme des Landes durch die Engländer...
Abb.:
Amud
haEsch / Pillar of Fire, 7tlg. israel. TV - Dokumentation v.
Yigal Lossin 1988
1. Die Rückkehr der Juden (1896-1920)
2. Der Traum (1914-1929)
3. Die deutschen Juden - Aufstieg und Niedergang (1891-1936)
u. nach Moscheh Aumann, Geschichte Israels, Carta.
Barnavi:
UNIVERSALGESCHICHTE DER JUDEN
James Parkes:
The
British in Palestine / Mark Wischnitzer:
Die Juden in der Welt
hagalil.com
03-04-2005 |