Victor Klemperer, ein Chronist des Jahrhunderts
"Mein Leben ist so sündhaft"
Von Ullrich Kasten und Wolfgang
Kohlhaase
Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten / 1933-1945, die Tagebücher des
Romanisten Victor Klemperer über die Zeit des "Dritten Reiches" sind mit
ihrem psychologischem Scharfblick und der sprachlichen Meisterschaft ein
einzigartiges Zeugnis über den Alltag im NS-Staat und die Praxis der
Judenverfolgung.
Sie sind ein Protokoll über die sich fast
täglich verschärfende Situation der deutschen Juden, über die Vielzahl der
Einschränkungen, Drangsalierungen, Bedrohungen, Demütigungen durch das
Regime. Publizisten und Wissenschaftler sind sich darin einig, daß an diesen
Tagebüchern nicht vorbeikommt, wer in Zukunft über diese Zeit forschen will.
Der Dokumentarfilm über das Schicksal
Victor Klemperers, der im NS-Jargon eine Mischehe führte, konzentriert sich
auf die Leidensjahre 1933-45 in Dresden. Dabei lassen der renommierte
Szenarist Wolfgang Kohlhaase und der Filmautor Ullrich Kasten die politisch
verdüsterte Erlebniswelt Klemperers einfühlsam erstehen - in einer
atmosphärisch dichten Komposition von Tagebuchauszügen, seltenem
historischen Filmaterial , Berichten von Augenzeugen und Aufnahmen von
Originalschauplätzen. Der knappe, informierende Kommentar überläßt alles
Weitere der bannenden Kraft von Klemperers Sprache.
Im erzählerischen Nachvollziehen des
Tagebuchs und des realen Geschehens entwickelt der Film eine beklemmende
Spannung. Victor Klemperer wird zugleich als ein Chronist des Jahrhunderts
deutlich - durch die biographischen Rückblenden ins Kaiserreich und die
Weimarer Zeit: erzählerische Einschübe, in denen Klemperer von Kindheit und
Jugend, Studium und Teilnahme am 1. Weltkrieg berichtet. Ihnen liegen die
Lebensbeschreibungen "Curriculum Vitae" (1881-1918) und "Leben sammeln,
nicht fragen wozu und warum" (1918-1933) zugrunde. Der filmische Epilog, der
die Jahre 1945 - 1960 umreißt, spiegelt sein Leben in der DDR und zitiert
aus noch unveröffentlichten Selbstzeugnissen dieser Zeit.
Victor
Klemperer erscheint als ein Repräsentant des jüdischen Bildungsbürgertums in
Deutschland, das durch den Holocaust vernichtet wurde und das
unwiederbringlich verloren ist. Klemperer, ein Romanist von europäischen
Rang, arbeitete in den Jahren der Verfolgung unermüdlich weiter an seinem
Werk, schrieb eine Geschichte der französischen Aufklärungsliteratur,
sammelte Material für eine Studie über die Sprache der Nazizeit ("Lingua
Tertii Imperii") und begann, sich mit dem Judentum auseinanderzusetzen. Sein
Leben und Werk ist Teil der schmerzhaften Assimilationsgeschichte des
deutschen Judentums. Die stupende öffentliche Resonanz auf die Tagebücher
1933-45 verdeutlicht das Singuläre dieses Dokuments: die Authentizität, mit
der hier aus der Innenansicht und Perspektive eines Opfers das unglaubliche
Geschehen festgehalten worden ist.
Victor Klemperer 1933 - 1945:
Zeugnis ablegen - bis zum
letzten
Bilder:
Aufbau Verlag // Dresden //
haGalil 10-99
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