Ignatz Bubis, Präsident des Zentralrates der
Juden in Deutschland, ist am Freitag gestorben. Der Jüdische Weltkongress
trauere um einen großen Führer der Juden, einen Staatsmann und in aller Welt
geschätzten Menschen, erklärte der Direktor des Kongresses, Elan Steinberg,
gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Bubis wurde 72 Jahre alt. Er
starb nach kurzer Krankheit.
Bubis wird am Sonntag in Israel begraben, wie der Rundfunk des Landes
meldete. Er wolle in Israel und nicht in Deutschland seine letzte Ruhe finden,
hatte Bubis im Juli in einem „Stern"-Interview gesagt.
Porträt
Ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens: So
sah sich Ignatz Bubis selbst und als solcher wollte er sich von anderen
verstanden wissen. Er vertrat seine Meinung mit Nachdruck, nahm teil an der
Diskussion über große politische Themen und suchte auch das Gespräch mit
unverbesserlichen Antisemiten.
Der Frankfurter Geschäftsmann übernahm 1992 von Heinz Galinski den Vorsitz des
Zentralrates der Juden in Deutschland. Zum Ende seiner Amtszeit zog er eine
pessimistische Bilanz: Er habe nichts bewirkt, jüdische und nicht-jüdische
Deutsche seien einander fremd geblieben.
Anders als sein Vater und zwei Geschwister hatte Bubis den Holocaust überlebt.
Nach dem Krieg kam der im schlesischen Breslau geborene Beamtensohn nach
Frankfurt/Main. Dort war er zunächst im Schmuck- und Edelmetallhandel, 1975
wechselte er in die Immobilienbranche.
Durch seine Geschäfte erwarb er sich in den siebziger Jahren den Ruf eines
skrupellosen Spekulanten.
1985 verhinderten Bubis und andere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in
Frankfurt die Uraufführung des Faßbinder-Stückes „Der Müll, die Stadt und der
Tod“. Sie kritisierten die stereotype Darstellung des „reichen Juden“.
Bubis war auch als Bundespräsident gehandelt worden. Er reagierte skeptisch:
„Ich glaube nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland reif ist für eine
solche Entscheidung.“
Reaktionen
„Wir sind betrübt und schockiert“, erklärte der Europäische Jüdische
Kongress, dessen Präsident Bubis war. Sein Leben habe die Tragödie des
europäischen Judentums zur Zeit der Shoa und das jüdische Leben nach dem
Zweiten Weltkrieg widergespiegelt.
Die Jüdische Gemeinde in Berlin reagierte mit Bestürzung und Trauer. Er
habe wesentlich mehr erreicht, als er selbst geglaubt habe. „Er hat wie kein
anderer die Hand ausgestreckt zur Versöhnung.“
Betroffen zeigte sich auch die Bundesregierung. Bubis sei „ein großer Mahner
und Kämpfer für ein tolerantes Deutschland“ gewesen, sagte Regierungssprecher
Uwe Karsten Heye in der „Tagesschau“. Bundeskanzler
Gerhard Schröder
erklärte, Bubis habe wie wenige andere dazu beigetragen, „dass für
Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens eine Zukunft in Deutschland
überhaupt wieder vorstellbar wurde“ .
„Solche Persönlichkeiten sind rar“, sagte FDP-Chef Wolfgang Gerhardt
über seinen Parteikollegen Bubis. Umso schmerzlicher sei es, wenn man eine von
ihnen verlieren müsse.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber bezeichnete Bubis als
einen „unermüdlichen Streiter für die geschichtliche Wahrheit und Brückenbauer
über die Gräben der Vergangenheit“.
Bubis sei wichtig gewesen für Deutschland, sagten die
Grünen-Fraktionsvorsitzenden, Kerstin Müller und Rezzo Schlauch: „Er hat
sich eingemischt, wenn Unrecht geschah.“
Ignatz Bubis 1927-1999