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Am
Rosch Chodesch Elul 1999 ist Ignatz Bubis gestorben. Beerdigt wurde er in
Israel. Der Gedanke, sein Grab könne geschändet werden - in Deutschland, war ihm
unerträglich. Wie recht er mit dieser Befürchtung hatte, denn selbst das
Gedenkbuch für
Ignatz Bubis wurde immer wieder besudelt und missbraucht.
1998 wurde die Grabplatte seines
Vorgängers im Amt, des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Heinz Galinski, gesprengt. Es reagierte kaum jemand in Deutschland. Die
Wiederholung des Anschlags wurde gerade noch als Randnotiz vermerkt. Der
damalige Bundespräsident Roman Herzog kanzelte unbequeme Frager mit einem
Statement über "verwirrte
Einzelgänger" ab.
Vom wachsenden, immer bedrohlicher und aggressiver hervortretenden
Antisemitismus wollte niemand etwas bemerkt haben.
Bubis' Aussage, dass zur "Normalität"
auch ein gewisses Maß von Antisemitismus einer Minderheit gehöre, wurde sogar
als beruhigend empfunden. Was er sich tatsächlich unter "jüdischer Normalität"
in diesem Lande vorstellte, wollte keiner wissen. Für die Politik war längst
alles normal. So wie es einmal normal war, Kinder in Viehwagons zu
transportieren, so war es jetzt normal, mit dem Zentralratspräsidenten Kränze
vor Mahnmalen abzulegen.
Auch zur Glanzstunde deutschen Geistes, zur Feier der Dichter und Denker, zur
Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, war Ignatz Bubis
hinzugebeten worden.
Als Walser zum Befreiungsschlag gegen das "Gedenken" ausholte, erhoben sich die
politischen Größen dieses Landes: Standing Ovations. Ignatz und Ida Bubis
blieben sitzen - alleine, als donnernder Applaus die Halle der Frankfurter
Paulskirche erfüllte.
Erst als Ignatz Bubis tot war, überschlugen sich die Sonntagsredner wieder.
Jetzt konnte er nicht mehr widersprechen und nichts mehr zurechtrücken, er
konnte nicht einmal mehr darüber lachen. Einen "deutschen Patrioten" nannte ihn
Bundespräsident Rau.
"Die Mehrheit hat nie kapiert, worum es mir ging" sagte Bubis in seinem letzten
Interview für den "stern". "Ich habe nichts erreicht".
Auch diesen Satz wollte niemand verstehen, gerade von einem Mann, der im ganzen
Land herumgereist war, dem keine Schulklasse zu weit weg war, als dass er nicht
hingefahren wäre. Ein Mann, dem es nie zu früh oder zu spät war, für einen
Vortrag über die Vergangenheit und gegen den Hass.
Schon lange vor dem Interview im "stern"
war ihm klar, dass er benutzt wurde, dass er "eine
reine Alibifunktion" hatte. Angenommen wurde von ihm nur, was von ihm
erwartet wurde.
Er war nicht eitel und er wusste, dass er vereinnahmt und monopolisiert wurde.
Dass nicht nur der Respekt vor dem Präsidenten des ZJD Maß viel beschworener
"Normalität" sei, sondern auch das Entstehen vielfältiger jüdischer Initiativen
in diesem Lande, war für Bubis klar. Er wollte nicht für alles zuständig sein,
aber für die Vertreter dieser Republik musste er für alles zuständig sein und zu
allem seinen Segen geben.
Er hatte viel mehr zu sagen als seine "politischen Freunde" verstehen wollten.
Sein Widerstand gegen die peu à peu Abschaffung des Grundrechts auf Asyl wurde
kaum ernsthaft berücksichtigt. Auch über seinen Vorschlag, die Erinnerung an den
Nationalsozialismus im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
festzuschreiben, wollte niemand ernsthaft nachdenken.
"Unser Land hat einen großen Deutschen verloren" sagte Roman Herzog vor einem
Jahr. Er hat damit nicht den Menschen Ignatz Bubis gemeint, er hat auch nicht
den Juden Bubis gemeint. Herzog wollte nur noch einmal bekräftigen, dass das
wiedervereinigte Deutschland ein Land mit einer normalen Gesellschaft sei. Ein
Land in dem auch Juden gut leben können. Ein Land in dem auch einem Juden Ehre
zuteil wird.
Was hätte Ignatz Bubis heute gesagt? Ich weiß es nicht. Was zu seiner Zeit zu
sagen war, er hat es gesagt.
Manche Kränkung hingenommen:
Ein Alibi für Deutschland?
Ignatz Bubis:
Jude in Deutschland
Your People, My People
A Man of Great Valor
dg / haGalil onLine 31-08-2000
Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
Ignatz Bubis - Taschenbuch
Juden in Deutschland
Ignatz Bubis - Taschenbuch
Deutschland wohin?
Ignatz Bubis, Wolfgang Schäuble - Taschenbuch |