Die Einweihung des Büros in der sechsten Etage des
Mosse-Gebäudes am Leipziger Platz wird eine feierliche Angelegenheit
werden. Der amerikanische und der israelische Botschafter werden erwartet,
Ignatz Bubis und andere Repräsentanten der Jüdischen Gemeinde, zahlreiche
Ehrengäste und Honoratioren sowie eine 100köpfige Delegation aus den
Vereinigten Staaten. Sie alle werden vom Bundespräsidenten und dem
Regierenden Bürgermeister empfangen, Bundesaußenminister Klaus Kinkel
(FDP) wird beim abendlichen Gala-Diner eine Rede halten. Eigentlich hatte
das AJC nur mit 250 Gästen gerechnet, doch schon jetzt gibt es doppelt so
viele Anmeldungen. Daß die Abendeinladung ein "hot ticket" geworden ist,
das erfreut vor allem Lawrence und Lee Ramer aus Los Angeles. Das AJC-Büro
im Mosse-Palais wird ihren Namen tragen. Der deutsche Bauherr Hans K.
Röder stellt zwar die Büroetage für zehn Jahre kostenlos zur Verfügung,
aber die Ramers haben den größten Teil der Unterhaltkosten übernommen,
einschließlich der Gehälter. Sie sind die wichtigsten Mäzene, deren
Spenden die Eröffnung ermöglicht hat.
"Was wir tun", sagt Lee Ramer, "ist sicherlich sehr
amerikanisch". Seit über 30 Jahren ist das Ehepaar im AJC aktiv.
Angefangen hat ihr Engagement für die Organisation, die in den USA über 75
000 Mitglieder, 32 Büros sowie eine Zentrale in New York verfügt und sich
inzwischen weltweit für jüdische Interessen einsetzt, in der Zeit der
Rassenunruhen in Los Angeles. In den 60er Jahren habe das AJC mit seinem
interkulturellen Dialog erheblich zum Abbau des Rassenkonflikts
beigetragen, meint Lee Ramer, die im Kulturbeirat der Stadt Los Angeles
tätig ist. Ihr Ehemann, den seine Freunde Larry nennen, hat sein Geld im
Zement- und Farbengeschäft verdient, das inzwischen ein Sohn übernommen
hat. Die Ramers haben drei erwachsene Kinder. Lawrence Ramer hat sich aus
dem Geschäft zurückgezogen und betätigt sich heute als Investor. Das
Engagement fürs AJC ist bei den Ramers geradezu eine Familienangelegenheit
geworden. Bruder Bruce, ein sehr erfolgreicher und angesehener Anwalt in
Hollywood, wird in diesem Jahr sogar die Präsidentschaft des AJC
übernehmen. Larry ist seit einigen Jahren im Aufsichtsrat und zahlreichen
anderen Einrichtungen der Organisation vertreten.
Seit der Wiedervereinigung hat ihm die Aussöhnung und
der Dialog mit den Deutschen besonders am Herzen gelegen. Das hat wohl
auch mit seinem familiären Hintergrund zu tun. Die Familie, die
ursprünglich aus Deutschland stammt, hat über Ungarn den Weg in die USA
gefunden, wo Larry 1928 geboren wurde. Als Achtjähriger hat er erlebt, wie
der Großvater 1936 auf eigene Faust nach Deutschland fuhr, um jüdische
Verwandte zu retten. "Das hat damals besonderen Mut erfordert", meint
Larry. Es gibt noch ein Photo, das den Großvater mit fünf deutschen
Familienangehörigen zeigt, von denen die drei im Konzentrationslager
umkamen, die er nicht zur Emigration überreden konnte. Später, während des
Krieges habe er dann Gespräche im Elternhaus verfolgt, die um die Frage
kreisten, was wohl passiere, wenn Hitler den Krieg gewinnen würde. Als das
AJC ihn dann nach der Wiedervereinigung gefragt habe, ob er den
deutsch-jüdischen Dialog fördern wolle, habe er dies wohl auch getan, um
den Großvater zu ehren.
"Deutschland wird ein Machtzentrum im vereinten Europa",
meint Larry. Was hier geschehe, werde auch auf die Nachbarn ausstrahlen,
vor allem im Osten. Mit AJC-Delegationen sind Larry und Lee Ramer in den
letzten Jahren mehrfach in der Bundesrepublik gewesen, die sie als starke
Demokratie anerkennen. "Die Regierung hat uns immer mit offenen Armen
empfangen", meint Larry. Besonderen Wert legen die Ramers, wie das AJC
insgesamt, auf die Pflege des Dialogs mit der jungen Generation, bei der
sie für Verständnis, Toleranz und Aussöhnung werben wollen. "Dieses
Jahrhundert war für Juden eine schreckliche Zeit", sagt Larry. "Wir wollen
dazu beitragen, daß unsere Enkel in einer Welt aufwachsen werden, in der
so etwas nie wieder passieren kann". Larry und Lee Ramer sind stolz
darauf, in einer Organisation mitzuwirken, die schon unmittelbar nach dem
Krieg den Dialog mit den Deutschen gesucht, gepflegt und ausgebaut hat.
Das war damals, unmittelbar nach dem Krieg, nicht unumstritten in den USA,
meint Larry. Aber das AJC hat sich in seinem Bemühen nicht beirren lassen
und kann nun, kurz vor Eröffnung des Büros, die ersten Früchte ernten. Der
in der letzten Woche ausgehandelte Kompromiß in der Frage der
Entschädigung osteuropäischer Holocaust-Opfer ist vor allem dem
hartnäckigen Engagement des AJC zu verdanken.
Mit dem Büro in Berlin will das AJC auch der
Tatsache Rechnung tragen, daß die jüdische Gemeinde in der Bundesrepublik
aufgrund des Zuwachses durch die osteuropäischen Zuwanderer die weltweit
am schnellsten wachsende ist.
Als Konkurrenz zu den Jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik verstehen
sich die Amerikaner aber nicht. Vielmehr wollen sie mit den deutschen
Juden eng zusammenarbeiten und von ihrem Berliner Stützpunkt aus auch die
Kontakte nach Osteuropa ausbauen. Außerdem wird das AJC weiterhin die
Austauschprogramme pflegen, die seit Anfang der 80er Jahre mit den
politischen Siftungen durchgeführt werden. In Berliner Büro wird auch eine
Bibliothek untergebracht mit Veröffentlichungen zum amerikanischen
Judentum, die vor allem Wissenschaftlern und Forschern offenstehen soll.
Durch Vorträge und Seminare will man weiter zum besseren gegenseitigen
Verständnis beitragen. Die amerikanischen Juden, meint Eugene DuBow,
hätten ein ambivalentes Verhältnis zu den Deutschen. Einerseits würden sie
rational die Stabilität der deutschen Demokratie anerkennen, andererseits
hätten sie aber aufgrund der Geschichte immer noch starke emotionale
Vorbehalte.
Diese Ambivalenz wird auch im Umgang mit den
rechtsradikalen Vorfällen in der Bundeswehr sichtbar. Während Eugene DuBow
und Rabbi Andrew Baker, Direktor für europäische Angelegenheiten im
Washingtoner Büro des AJC, noch auf einer Pressekonferenz ihre Besorgnis
darüber äußern, ist eine Gruppe junger Offiziere längst in das
Besuchsprogramm des AJC in den USA eingebunden. Seit einigen Jahren schon
kommen die jungen Offiziere beim AJC vorbei. Auf die nunmehr guten
Beziehungen kann man dann auch bei der Bewältigung des Ansturms fürs
Gala-Diner zurückgreifen. Dort wird eine Abordnung junger Offiziere
aushelfen, natürlich in Zivil.