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Tödlicher Ausgang:
Antisemitismus in Deutschland - nach 1945
Foto:
Philipp Auerbach
Philipp Auerbach wurde 1951 wegen angeblicher finanzieller
Unregelmäßigkeiten verhaftet und verurteilt.
Besonders das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der
Spiegel", damals beliebtes Sammelbecken zahlreicher Hetzer, die
schon in der NS-Presse zu Geld und Ruhm gekommen waren, tat sich in der
Kampagne gegen Auerbach hervor.
In der Schlagzeile vom "Cäsar der Wiedergutmachung" zeigte sich schon damals
die Tendenz die Juden in die Täterrolle zu drängen.
Der "im Angesicht der deutschen Geschichte zu seiner Verantwortung stehende
Vergangenheitsbewältiger" empfindet sich durch "jüdische Forderungen", die
er erst als Maßlosigkeit abwehrt, in die Rolle des verkannten Opfers
gedrängt, das durch Undank in seinem Edelmut gekränkt wurde.
Wie beim betrogenen Ehemann kann diese Kränkung in rasende Zerstörungswut
umschlagen. Weil sich diese Zerstörungswut aber nicht mehr in Pogromen Luft
machen kann, werden von Zeit zu Zeit "Sündenböcke" gesucht. Einer der
ersten, nicht der letzte, war Auerbach.
Gegen soviel Selbstgerechtigkeit konnte er keine Gerechtigkeit erreichen. Er
hat die Auseinandersetzung mit deutschen Behörden und Befindlichkeiten
verloren und brachte sich um.
In seinem Abschiedsbrief schrieb er: "Nicht aus Feigheit, nicht aus einem
Schuldbekenntnis heraus handle ich, sondern weil ein Glaube an das Recht für
mich nicht mehr besteht... Man hat mir Unrecht getan... Ich habe bis zuletzt
gekämpft, es war umsonst! Mein Blut komme auf das Haupt der Meineidigen".
Ein nach internationalen Protesten vom
Bayerischen Landtag eingesetzter Untersuchungsausschuss bewies - vier Jahre
später - Auerbachs Unschuld und schloss mit seiner völligen Rehabilitation.
Wir erinnern an Philipp Auerbach mit einer Serie von Wolfgang Kraushaar*
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Teil I:
Die Affäre
Auerbach
In kaum einem anderen Vorgang ist das
Verhältnis der Nachkriegsdeutschen zu den jüdischen Überlebenden
deutlicher vor Augen getreten als in der "Affäre Auerbach".
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Teil II:
Tödlicher Antisemitismus im "anderen Deutschland"
Das Geschick und die Eigenwilligkeit,
mit der Auerbach die Interessen der NS-Verfolgten vertrat, hatten ihn
schon frühzeitig ins Kreuzfeuer der Kritik geraten lassen...
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Teil III:
Dem Raubmord folgt der Kleinkrieg gegen die
Juden
Zwei Tage nach Auerbachs Beerdigung erschien
im Spiegel eine ausführliche Recherche über die Hintergründe des als
"tragisch" dargestellten Todesfalles...
*)
Von Wolfgang Kraushaar ist soeben sein aufsehenerregendes Buch "Die
Bombe im jüdischen Gemeindehaus" erschienen:
Nicht die Rote Armee Fraktion war die erste Gruppierung, die in den
Untergrund ging, sondern eine, die sich nach südamerikanischem Vorbild
Tupamaros nannte: die Tupamaros West-Berlin.
Sie plazierten am 9.November 1969 eine Bombe, die von einem Agent
provocateur des Verfassungsschutzes stammte und im Jüdischen Gemeindehaus
während einer Gedenkveranstaltung explodieren sollte.
Am Jahrestag des Nazi-Pogroms wollten sie für ein Fanal sorgen. Die Bombe
versagte zwar, der Schock jedoch saß tief. NS-Überlebende hätten erneut
Opfer werden sollen - diesmal durch die Kinder der Täter-Generation. Was bei
der Olympiade 1972 in München mit dem blutigen Überfall auf die israelische
Olympia-Mannschaft schließlich traurige Wirklichkeit wurde, fand hier
bereits seinen Auftakt.
Wer hat am 9. November 1969 diese Bombe gelegt? Gab es Auftraggeber? Was ist
aus dem Bombenleger geworden? Die Spuren, die über Jahrzehnte hinweg
verblaßt und darüber hinaus absichtlich verwischt worden sind, können mehr
als nur neu gelesen werden - diesmal, 35 Jahre danach, können sie entziffert
werden.
Die Tupamaros West-Berlin waren ein Produkt jener linksradikalen Subkultur,
die aus einer orientierungslos gewordenen 68er-Bewegung hervorgegangen war
und seit dem Herbst 1969 West-Berlin mit einer Serie von Bombenanschlägen
überzog. Im Vordergrund standen nicht nur Angriffe auf Justizangehörige,
Richter und Staatsanwälte. Auch israelische und jüdische Einrichtungen
wurden zu erklärten Zielscheiben. Den Protagonisten der Tupamaros
West-Berlin ging es darum, den Vietnamkrieg durch den Nahostkonflikt zu
ersetzen und den Guerillakampf in das Land der NS-Täter zu holen.
Obiger
Beitrag erschien 2001 im von Julius H. Schoeps
herausgegebenen Sammelband:
Leben im Land der Täter
Jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland (1945-1952)
Mit Beiträgen von Werner Bergmann, Y. Michael Bodemann, Josef Foschepoth,
Angelika Königseder, Wolfgang Kraushaar, Ina S. Lorenz, Lothar Mertens,
Ulrike Offenberg, Julius H. Schoeps, Juliane Wetzel, u.a...
hagalil.com
27-07-2005 |
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