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Schon früh zeigte sich die Tendenz die Juden in die Täterrolle zu drängen. Der "im Angesicht der deutschen Geschichte zu seiner Verantwortung stehende Vergangenheitsbewältiger" empfindet sich durch "jüdische Forderungen", die stets als Undank und schließlich Maßlosigkeit abgewehrt werden, als ein im Edelmut verkanntes Opfer...
Teil I der Serie zum Fall Auerbach

Der Fall Auerbach (Teil II):
Tödlicher Antisemitismus im "anderen Deutschland"

Das Geschick und die Eigenwilligkeit, mit der Auerbach die Interessen der NS-Verfolgten vertrat, hatten ihn schon frühzeitig ins Kreuzfeuer der Kritik geraten lassen.

Obwohl er sehr genau darauf achtete, dass sich die "Wiedergutmachungsforderungen" gegenüber dem Staat im Rahmen des finanziell Machbaren bewegten, ließ er sich weder durch Mitglieder der bayerischen Landes- noch der amerikanischen Militärregierung an die Leine legen.3

Zu einem gefährlichen Konflikt spitzte sich für ihn die Situation erstmals im Sommer 1948 zu. Kurz vor der Währungsreform hatte er als Generalanwalt für "Wiedergutmachung" über den Rundfunk in mehreren Reden bekanntgegeben, dass er für Verfolgte des NS-Regimes besondere Geldmittel bereit halte, um ihre Ausstattung mit neuen Banknoten zu verbessern. Wie aus einem OMGUS-Bericht hervorgeht, löste diese in Aussicht gestellte Unterstützungsaktion unter der Bevölkerung Bayerns eine Protestwelle aus. Bei der Rundfunkanstalt und an anderen Stellen gingen massive Beschwerden wegen der angeblichen Bevorzugung von Juden ein. Der amerikanische Militärgouverneur Murray D. van Wagoner versuchte daraufhin, bei Ministerpräsident Hans Ehard die Ablösung Auerbachs von seinem Amt zu erreichen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Erneut in die Schußlinie, wenn auch in einem völlig anderen Zusammenhang, geriet Auerbach, als er im Mai 1949 aus der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) austrat und kurze Zeit später die Gründung eines "Landesrats für Freiheit und Recht" als neuer Organisation bekanntgab. Weil er die VVN als kommunistisch unterwandert anprangerte, sah er sich in den Jahren darauf heftigen Angriffen ausgesetzt. Insbesondere die Wochenzeitung der VVN, Die Tat, scheute sich nicht, mit antisemitischen Ressentiments gegen das abgesprungene Mitglied Stimmung zu machen.

Als am 27. Januar 1951 der dritte und entscheidende Angriff startete und das Landesentschädigungsamt in München von der Polizei in einer Großaktion besetzt und durchsucht wurde, begann in der Presse eine regelrechte Hetzkampagne gegen den sich zu dieser Zeit noch auf freiem Fuß befindlichen Auerbach. So schrieb Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 14. Februar, kaum ein vorurteilsbehaftetes Klischee auslassend, über ihn:

Sein schwarzer Dienst-BMW fuhr regelmäßig um 7 Uhr morgens in der Arcisstraße vor. Dann rollt der Tagesablauf des Betriebsamen, oft mit Hunderten von Besuchern ab. Zwischen Postdiktat, Unterschriften und Anweisungen, die über seine Tisch-Mikrophonanlage an Mitarbeiter gingen, wurden die Fragen beantwortet, und wie Cäsar gleichzeitig vier Schreibern Arbeit gab, so saß er massig im Oberhemd mit Brasil hinter seinem Tisch: als Cäsar der Wiedergutmachung.4

Und eine Aneinanderreihung der Zwischenüberschriften desselben Artikels macht unmissverständlich klar, worauf die Vorwürfe abzielten: "Fälschung und Gegenleistung" - "Kredit auf KZ-Lager" - "Ich bin der Präsident" - "Geld genommen" - "Wiedergutmachungsgeschäft".

So wie es Kriegsgewinnler gab, so musste es nun - das jedenfalls wurde nahegelegt - "Wiedergutmachungsgewinnler" geben, wirkliche oder angebliche Opfer des NS-Regimes, die mit ihrem Status kaltblütig Profit zu machen versuchten. Und der Hauptmanipulateur, der, der die Fäden zog, sollte der geldhungrige, geltungssüchtige, in seinem Wirkungskreis kaum noch zu bremsende Jude Auerbach sein.
Die Dämonisierung des Auschwitz-Überlebenden traf auf einen gut vorbereiteten Boden. Die sich noch in München aufhaltenden jüdischen DPs waren nicht nur den CSU-Politikern ein Dorn im Auge. An ihrer Präsenz hatte sich die antisemitische Stimmung unter der deutschen Bevölkerung wiederholt entzündet. Eine dürre Assoziationskette wie Geldgeschäft - "Wiedergutmachung" - Jude reichte, ohne dass weiter nach Kausallogik noch nach Beweisen hätte gefragt werden müssen. Der Schuldige stand in der Öffentlichkeit schon fest, als der Prozess noch nicht einmal eröffnet war.

Auerbachs überraschende Karriere vom KZ-Überlebenden zum einflussreichen Landespolitiker fand vermutlich deshalb ein so jähes Ende, weil sich dieser in seinen Zielsetzungen immer mehr mit seinen einstigen Gönnern, der amerikanischen Besatzungsmacht und der bayerischen Landesregierung, überwarf.

Er wollte nicht nur die NS-Opfer unterstützen, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen, sondern auch die Täter ausfindig machen und sie gegebenenfalls vor Gericht stellen lassen. Für ihn gehörten "Wiedergutmachung" und Entnazifizierung untrennbar zusammen.

Die einzige Möglichkeit, die Opfer auch nur annähernd zu entschädigen, sah er darin, ihnen die Sach- und Vermögenswerte zufließen zu lassen, die die Spruchkammern den in den Entnazifizierungsverfahren belasteten Ex-Nazis entzogen hatten.
Am bekanntesten war Auerbach seinerzeit durch seine Initiative für ein Haftentschädigungsgesetz geworden, nach dem jedem KZ-Häftling pro erlittenem Hafttag zehn DM hätten ausgezahlt werden sollen.

Am 10. März 1951 war es soweit. Ein Kommando der Polizei stellte auf der Autobahn einen schwarzen BMW, einen Dienstwagen des Staates Bayern. Auerbach, der sich auf der Rückfahrt von Bonn nach München befand, wurde unter dem Vorwurf des Betruges auf der Stelle verhaftet. Am Tag zuvor hatte er im Bundespräsidialamt an einer Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Zeitgeschichte teilgenommen, das damals freilich noch Deutsches Institut für die Geschichte der nationalsozialistischen Zeit hieß. Dabei war es, wie aus dem Protokoll hervorgeht, zu einer Kontroverse über die Rolle des Widerstands gekommen, in der Auerbach vor einer Pauschalisierung des Widerstands gewarnt hatte. Durch Widerstandskämpfer sei in vielen Fällen keine Demokratie, sondern lediglich eine andere Form der Diktatur angestrebt worden. Damit hatte er in gewisser Weise die Gründungslegende der Republik in Zweifel gezogen.

Anderthalb Monate zuvor, am 26. Januar, war der amerikanische Landeskommissar George N. Shuster beim bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU) erschienen und hatte ihm mitgeteilt, dass in einem Prozess vor dem Stuttgarter Militärdistriktgericht der Verdacht geäußert worden sei, im bayerischen Landesentschädigungsamt wären Finanzmanipulationen vorgenommen worden.
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Einen Tag darauf war auf Anordnung der Staatsanwaltschaft das Amt von der Polizei besetzt, durchsucht und nach der Beschlagnahmung umfangreichen Aktenmaterials geschlossen worden. Den spektakulären Schritt, der in der konservativen Lokalpresse fast einhellig Beifall fand, hatte der bayerische Justizminister Josef Müller, der als "Ochsensepp" bezeichnete CSU-Begründer, veranlaßt.
6 In der über zehn Wochen anhaltenden Besetzung der Amtsräume kam die Bearbeitung von Entschädigungsanträgen fast zum Erliegen.

Über die Presse ließ Müller verlauten, es seien aufgrund gefälschter Dokumente insgesamt 1,3 Millionen DM an "Wiedergutmachungsgeldern" erschwindelt worden. Der implizite Vorwurf war eindeutig: Juden betrügen den bayerischen Staat im allgemeinen und den Steuerzahler im besonderen. Die Folge erschien nur zu logisch: Gegen den verantwortlichen Amtsleiter musste ermittelt werden. Um eine Flucht oder Verdunkelung zu verhindern, schien nichts anderes übrig zu bleiben, als ihn zu verhaften.

Mehr als ein Jahr später begann vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts München der Prozeß gegen Philipp Auerbach und drei weitere Angeklagte, darunter den Landesrabbiner Aaron Ohrenstein. In einer über 100 Seiten umfassenden Anklageschrift wurde dem Präsidenten des bayerischen Landesentschädigungsamtes eine Vielzahl von Delikten vorgeworfen: Erpressung, Untreue, Betrug, Bestechung, Amtsunterschlagung, Angabe falscher Versicherung an Eides Statt und die unbefugte Führung eines akademischen Grades.
Aus Furcht vor einem nicht ordnungsgemäßen Verfahren gründeten Freunde Auerbachs in den USA ein Committee on Fair-Play for Auerbach. Wie recht sie damit hatten, ließ sich schon an der Zusammensetzung des Gerichts erkennen.

Der Richter, Landgerichtsdirektor Josef Mulzer, der außerplanmäßig den Vorsitz übernommen hatte, war nicht nur ein ehemaliger Oberkriegsgerichtsrat, sondern auch ein früherer Kollege des Josef Müller (Ochsensepp), aus dessen Anwaltskanzlei. Ihm entfuhren während der Verhandlung schon einmal Bemerkungen wie die, dass Auerbach eine "arische Ehefrau" hätte. Ein Beisitzer des Gerichts war ein früherer SA-Mann, der Staatsanwalt ebenso wie der psychiatrische Sachverständige, der Auerbach als "Psychopathen und Phantasten" beurteilte, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied.

Nach fünfmonatiger Verhandlungsdauer verkündete das Gericht am 14. August 1952 das Urteil. Obwohl die Anklage in wesentlichen Punkten zusammengebrochen war, wurde Auerbach zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren und zu einer Geldstrafe von 2.700 DM verurteilt. Er selbst verglich das Strafverfahren mit dem Fall Dreyfus. Die Entscheidung des Landgerichts bezeichnete er als "Terrorurteil" und erklärte, dass über sein Handeln manche Juristen den Kopf schütteln mochten, dass sein Wollen aber immer "ehrlich und rein" gewesen sei.

Zwar konnte er das unbefugte Tragen des Doktortitels ebensowenig abstreiten wie einige andere Formverletzungen, in der Zurückweisung des Betrugsvorwurfs wurde ihm jedoch Recht gegeben. Der in Stuttgart erhobene Verdacht basierte auf einem Übersetzungsfehler. Gemeint war nicht, dass im bayerischen Landesentschädigungsamt gefälscht worden sei, sondern ihm gegenüber.

Von welch langer Hand das Verfahren offenbar vorbereitet worden war, ließ sich an der Tatsache erkennen, dass Justizminister Müller bereits 1949 einen Staatsanwalt dafür abgestellt hatte, die gegen den "Generalanwalt für Wiedergutmachung" zirkulierenden Verdächtigungen zu sammeln. In der Urteilsbegründung von Josef Mulzer hieß es dann, es könne keine Rede davon sein, "dass der Fall Auerbach lediglich eine Intrige des Justizministers Müller"
7 gewesen sei, woraus wohl zu schließen ist, dass selbst der Landgerichtsdirektor diesen bislang nur vage geäußerten Verdacht, dass auch der Minister darin verwickelt sein könnte, bestätigte.

Noch in der Nacht nach der Urteilsverkündung nahm der 45jährige Philipp Auerbach eine Überdosis Schlaftabletten, an der er einen Tag später starb.

Seine Frau fand einen Abschiedsbrief vor, der auf die Rückseite der gerichtlichen Vorladung geschrieben war. "Ich habe mich niemals", stand dort, "persönlich bereichert und kann das entehrende Urteil nicht weiterhin ertragen. Ich habe bis zuletzt gekämpft - umsonst [...]. Mein Blut komme auf das Haupt der Meineidigen."
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Mit dem Prozeß gegen Philipp Auerbach wurde eine öffentliche Abstrafung durchexerziert. Ein vermeintlicher jüdischer Aufsteiger konnte abgeurteilt werden. Indem ihm, dem Repräsentanten der NS-Opfer, eine Liste von Vergehen vorgehalten und einige sogar nachgewiesen werden konnten, war es möglich, den moralischen Malus, schuld an der Judenvernichtung zu sein, zu senken, wenn nicht gar ihn wettzumachen. Das jedenfalls dürften - ganz im Sinne einer vermeintlich ausgleichenden Ungerechtigkeit - nicht wenige geglaubt haben.

Anmerkungen

3 - Zur folgenden Darstellung vgl.: Wolfgang Kraushaar, Die Affäre Auerbach, in: Menora -Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte 1995, München 1995, S. 319-343.
4 - Der Spiegel, 14. Februar 1951, V. Jg., Nr. 7, S. 11.
5 - Vgl.: Constantin Goschler, Der Fall Philipp Auerbach. Wiedergutmachung in Bayern, in: Ludolf Herbst/Constantin Goschler (Hrsg.), Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland, München 1989, S. 77-98.
6 - Zur politischen Biographie Müllers und dessen NS-Vergangenheit - er war Oberleutnant und Mitarbeiter von Admiral Canaris in der Abwehrstelle München - siehe: A.R.L. Gurland, Die CDU/CSU - Ursprünge und Entwicklung bis 1953, Frankfurt a.M. 1980, S. 60 und Walter Schellenberg, Memoiren, Köln 1959, S. 327f..
7 - Der Spiegel, 20. August 1952, VI. Jg., Nr. 34, S. 5.
8 - Die Neue Zeitung, 18. August 1952.

Fortsetzung folgt... Im Teil III.: Zwei Tage nach Auerbachs Beerdigung erschien im Spiegel eine ausführliche Recherche über die Hintergründe des als "tragisch" dargestellten Todesfalles...

Dieser Beitrag erschien 2001 im von Julius H. Schoeps herausgegebenen Sammelband:
Leben im Land der Täter
Jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland (1945-1952)
Mit Beiträgen von Werner Bergmann, Y. Michael Bodemann, Josef Foschepoth, Angelika Königseder, Wolfgang Kraushaar, Ina S. Lorenz, Lothar Mertens, Ulrike Offenberg, Julius H. Schoeps, Juliane Wetzel, u.a...

hagalil.com 21-07-2005

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