Original oder Fälschung:
Berliner Gedenken
Von Ingolf Seidel Der CDU
lässt sich vieles nachsagen. Gutes und Böses, Kompetenz oder Inkompetenz, je
nach Gusto. Nur eines ist sie gewiss: eine moderne Partei, ja eine, die hip
ist und stets bereit dem Zeitgeist auf den Puls zu fühlen. In ihrem Kampf um
Modernisierung und nationale Selbstfindung strebt sie danach jenen, die im
Jargon der Apostel einer Zivilgesellschaft Rechtsradikale, anstatt Nazis
genannt werden, das Wasser abzugraben. Integration des rechten Randes wird
so etwas genannt. Derart brachten
die Christdemokraten wackere Vorkämpfer der Meinungsfreiheit und Tabubrecher
wie Martin Hohmann hervor,
der den ideologischen Luftkampf gegen den 'jüdischen Bolschewismus' aufnahm
und den Juden zeigte was eine christliche Harke ist, indem die Frage er sie
als "Tätervolk" titulierte. Ein aktuelles Beispiel für solch teutonischen
Furor liefern Teile der CDU im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf, allen
voran Rechtsanwalt und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Torsten
Hippe. Bereits am 19. Januar hatte die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf, gemeinsam mit den
Stimmen der CDU und den Nachfolgern des Möchtegern-Werwolfs Möllemann aus
der FDP, einen Antrag zu ihren Vorstellungen des Gedenkens am 8. Mai
beschlossen. Darin hieß es, dass am Tag der militärischen Zerschlagung des
Nationalsozialismus gleichzeitig den "Verfolgten und Ermordeten des
Naziregimes, der Kriegsopfer, Flüchtlinge, Vertriebenen, geschändeten Frauen
und der Opfer des sinnlosen Bombenkrieges" gedacht werden solle. Den
Kameraden von der sächsischen NPD müssen solche Formulierungen ein "innerer
Reichsparteitag" (Gremliza) gewesen sein, bieten sie doch die Folie auf
welcher die nazistische Formulierung vom "Bomben-Holocaust" völkische
Legitimität gewinnt, die noch nicht einmal besonders originell ist. Hatte
doch schon 'Der Spiegel' im Hinblick auf den britischen Luftwaffengeneral
Sir Arthur Harris geschrieben, er habe "den ersten vornuklearen Massenmord
aus der Luft" organisiert (zit. nach Eike Geisel).
Nicht, dass derartige geschichtspolitische Revisionen und
Lügen ein Novum wären. Spätestens seit der Einrichtung der 'Neuen Wache' als
nationale Gedenkstätte allen "Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft"
gewidmet, ist Schluss mit den kaum vorhandenen Selbstzweifeln. Den Juden,
allerdings nur den ermordeten, wird seitdem die zweifelhafte Ehre zu Teil,
heimgeholt zu werden in eine "postmortale Volksgemeinschaft" (Geisel).
Sekundiert wurden derartige Bestrebungen von wissenschaftlicher und
pseudowissenschaftlicher Seite durch den, ehemals durchaus kritischen,
Historiker Jörg Friedrich, der es besser wissen könnte und den
Fernsehhistoriker Guido Knopp, der es nicht besser wissen will.
Im unterschiedslosen Gedenken wird die Tatsache verdrängt,
dass es die Deutschen waren, welche die Barbarei in bis dato ungekanntem
Ausmaß in die Welt trugen. Die deutsche Volksgemeinschaft, in welcher das
nazistische Subjekt auf pathische Weise zu sich selbst fand, war die Basis
zur Errichtung der "Todesfabriken" (Hannah Arendt) von Auschwitz, Treblinka
und Majdanek. In der Volksgemeinschaft schien sich das Abstrakte der
Warengesellschaft aufzulösen in Organizität und Natürlichkeit. Dafür nahmen
die nazistischen Subjekte in Kauf gebraucht zu werden, wie sie wussten, "für
die Vernichtung der anderen, die als das Abstrakte, Künstliche, Fremde
gelten – eine Vernichtung, die soweit bejaht werden muß, selbst das eigene
Leben dafür zu opfern (...)" (Gerhard Scheit). Im Sinn dieses Prinzips
führten die Deutschen auch den Angriff- und Vernichtungskrieg gegen
Liberalismus und jüdisch konnotierten Bolschewismus. Für die weltweite
Verbreitung dieses gesellschaftlichen Wahns nahm man sowohl die Toten von
Guernica, Belgrad, Rotterdam und Coventry in Kauf und betrieb die
Vernichtung der europäischen Juden, wie auch der Sinti und Roma.
Die Initiative der Berliner Bezirks-CDU, von welcher sich ihr
Juniorpartner FDP mittlerweile wohl mehr taktisch, denn aus besserer
Einsicht distanziert hat, stützt einen Opferdiskurs der
Mehrheitsgesellschaft, in welchem die eigenen Opfer und Kriegserlebnisse
noch heute als "Deckerinnerung" (Birgit Rommelspacher) zur Verdrängung der
Untaten durch die deutsche Tätergeneration im Nationalsozialismus fungieren.
Auf die Spitze getrieben wurde die Debatte durch den erwähnten Torsten
Hippe, der in diesem Zusammenhang äußerte, "er könne nicht verhindern,
inhaltlich in einzelnen Fragen den Positionen der NPD nahe zu stehen. Es sei
möglich, dass man in Teilfragen zu gleichen Teillösungen komme." (Die Welt
online, 27.02.) Ein daraufhin durch den Landesvorstand betriebenes
Parteiausschlussverfahren gegen Hippe wegen parteischädigendem Verhalten
wurde durch den Kreisvorstand der Südwest-Union vorerst mehrheitlich
verhindert. Eine solche Entscheidung zeugt von Konsequenz des
Kreisvorstandes. Hat doch Hippe sicherlich kaum das Image der Partei bei
dessen Klientel beschädigt, welche die CDU auch und zum Teil gerade wegen
ihres nach Rechts offenen Kurses wählt. Wenigstens solange bis das Wahlvolk
sich doch lieber für das völkische Original entscheidet, wie unlängst in
Sachsen. Solange Hippe nicht auf die
Idee verfällt bei der nächsten Parteisitzung mit Glatze und Springerstiefeln
zu erscheinen und fröhlich das Horst-Wessel-Lied zu krähen, wird der
Kreisvorstand auch weiterhin formulieren, Torsten Hippe stehe in "keiner
Nähe zu rechtsextremistischem Gedankengut". Schließlich stellt man sich in
Steglitz-Zehlendorf seit Jahren gegen die Umbenennung der Steglitzer
Treitschkestraße. Heinrich von Treitschke war doch schließlich auch kein
Antisemit. Oder?
Rund um den 60. Jahrestag des 8.Mai 1945:
Was ist eigentlich los in
Steglitz-Zehlendorf?
Begonnen hat alles, als die Berliner
Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) von Steglitz-Zehlendorf über eine
Eingabe der PDS-Abgeordneten Wagner zu befinden hatte, die den 8. Mai im
Jahre 2005 als einen "Tag der Befreiung" zu begehen beantragte...
Der 8. Mai 1945:
Auch in Zehlendorf ein
Tag der Befreiung?
Die Betergemeinschaft Hüttenweg richtet an den
Bezirksbürgermeister Steglitz-Zehlendorf folgenden Appell...
hagalil.com 05-03-2005 |