Aus der CD
'Gamsig'
von Konstantin Wecker, München
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Sage nein!
Wenn sie jetzt, ganz unverhohlen, wieder Nazi-Lieder
johlen,
über Juden Witze machen, über Menschenrechte lachen,
wenn sie dann in lauten Tönen saufend ihrer Dummheit frönen,
denn am Deutschen hinterm Tresen muß nun mal die Welt genesen,
dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!
Meistens rückt dann ein Herr wichtig die Geschichte
wieder richtig,
faselt von der Auschwitzlüge - Leider kennt man's zur Genüge -
mach dich stark und bring' dich ein,
zeig es diesem dummen Schwein:
Sage nein!
Ob als Penner oder Sänger, Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer, Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert - sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!
Auch wenn jetzt die Neunmalklugen ihre Einsamkeit
benutzen
unsren Aufschrei zu verhöhnen, öffentlich zurechtzustutzen,
wolln wir statt mit Eitelkeiten und Zynismus abzulenken,
endlich mal zusammenstehn, endlich mit dem Herzen denken.
Laßt uns doch zusammenschrein:
Sage nein!
Und wenn sie in deiner Schule plötzlich lästern über
Schwule,
schwarze Kinder spüren lassen wie sie andre Rassen hassen,
Lehrer, anstatt auszusterben, Deutschland wieder braun verfärben,
hab' dann keine Angst zu schrein:
Sage nein!
Und wenn aufgeblasne Herren dir galant den Weg versperren, ihre
Blicke unter Lallen nur in deinen Ausschnitt fallen, wenn sie prahlen von der
Alten, die sie sich zu Hause halten, denn das Weib ist nur was wert wie dereinst
- an Heim und Herd, tritt nicht ein in den Verein:
Sage nein!
Ob als Penner oder Sänger, Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer, Hausfrau oder Straßenkehrer,
Ob als Penner oder Sänger, Bänker oder Müßiggänger,
ob als Priester oder Lehrer, Hausfrau oder Straßenkehrer,
ob du sechs bist oder hundert - sei nicht nur erschreckt, verwundert,
tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!
Chor: Les Voies d'Espérance de Doula
Solist: Ndi'i Ndi'i Jean Michel
Konstantin Wecker: Es ist kein Geheimnis mehr, daß
Kreativität sich da erst wirklich entfalten kann, wo sie unbedacht schafft,
sich selbst ihren Weg bahnt, gegen besseres Wissen, gegen marktgerechte
Planung, gegen Voraussagung. Wohl bleibt es ein Geheimnis, wann dem Künstler
dieser Zustand zusteht, denn das Nicht-Geplante konsequent vorzuplanen läge
wohl im Wesen der Zeit, findet aber seine größte künstlerische Vollendung
dementsprechend auch nur im Werbeslogan.
Immer fester glaube ich daran, daß sich nur aus einem
wirklich angefüllten und erlebten Leben heraus Melodien und Verse gestalten
können, um uns manchmal das wunderbare Gefühl zu vermitteln unsere
unaussprechbaren Gedanken seien auf einmal formuliert. Und erst jetzt beginnen
wir, das Undenkbare zu denken. Aber das können natürlich nur Nachgedanken
einer passierten Zeit sein.
Die eineinhalb Jahre seit der Fertigstellung meiner CD
''Wenn du fort bist'' waren breiter, erlebnisreicher und schmerzvoller als all
die Jahre zuvor - und plötzlich war ich mittendrin im Auge des Blues, war
wieder 17 (zwischendurch 140), schwitzte im Tabarin und Birdland, den
unvergessenen Münchner Soulschuppen, die Zugaben unserer Konzerte gerieten zu
einem neuen Programm. Die Lieder entstanden oftmals während der
Improvisationen, mitgetragen und gebannt von einem liebevollen Publikum, ich
brauchte nicht zu schreiben, sie fielen mir aus dem Herzen in den Schoß...
Noch nie habe ich so lange an einer CD gearbeitet.
Genau neun Monate. Die richtige Zeit für eine Geburt.
Die Rohdiamanten, die ich vor meinem Entzug in Kamerun
und während der über 200 Konzerte mit mehr als 300.000 Zuschauern mit meinem
Quartett gefunden hatte, konnte ich im Sinne meiner neuen Klarheit von Januar
bis März in den ARCO Studios in München richtig schleifen und veredeln.
Trotz Anfeindungen, trotz Drohungen aus der Nazi-Szene
oder vielleicht gerade deswegen habe ich mit meinen Musikern und mit meinem
heißgeliebten Kameruner Chor ''Les Voies D'Espérance de Douala'' (''Stimmen
der Hoffnung"), der leidenschaftlich, kein bikchen cool, nie überheblich und
immer dem Höchsten zugewandt ist, mein lebensfrohestes Werk geschaffen.
Noch vor zwei Jahren hätte ich es nicht gewagt, mitten
in Afrika in einer Kirche auf bayrisch zu singen. Und nicht einmal zu hoffen
gewagt hätte ich, daß die Leute aufstehen würden und mitsingen und tanzen.
Doch solange mir solche Sprünge noch gelingen, ich noch die Kraft empfangen
darf, weiter zu staunen, weiter zu spinnen und ich mich wieder mal ganz klein
machen kann, weiß ich, daß ich lebe.
Konstantin Wecker
Sage nein! 14kB-Format, gekürzt auf 140kB
Sage nein! 28kB-Format, gekürzt auf 280kB
Damit auch unsere Leser mit win3.x bzw.
14.4kB Modem in den Genuss dieser Aufnahmen kommen - und weil Musik oft mehr
sagen kann als tausend Worte - stellen wir auch eine kompaktere Real-Audio
Datei zur Verfügung. Die Klangqualität ist zwar weniger gut, die zu
übertragende Datenmenge dafür aber geringer.

(Informationen zu den technischen Aspekten
finden Sie auf unserer TechnikSeite).
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