iw 2000 / TSh''S
Die alt-neue Allianz
Saddam Hussein – Arafat
Was sind die Ergebnisse des
Gipfels der arabischen Liga von Kairo vom letzten Wochenende. Jenseits
der Schlagworte analysiert Arabien-Spezialist Pinchas Inbari dies im
nachfolgenden Beitrag für das iw.
Vor ca. sechs Monaten lud der
Irak Delegationen aus der arabischen Welt ein, um sie zur Solidarität
mit dem Leid des Landes infolge der UNO-Sanktionen aufzufordern. Die
Palästinensische Autonomie entsandte eine hochdotierte Delegation unter
der Leitung von Azzam al-Ahmad, einem früheren PLO-Botschafter in
Bagdad. Im Gefolge dieses Besuches wurden die Beziehungen zwischen dem
irakischen Diktator Saddam Hussein und Palästinenserpräsident Arafat
wieder aufgenommen.
Gemäss palästinensischen Quellen
soll Arafat Saddam damals erklärt haben, er sei pessimistisch über die
Möglichkeiten, einen palästinensischen Staat ausrufen zu können. Nicht
nur seien Israel und USA dagegen, so Arafat, sondern auch einige
europäische Staaten, und selbst die meisten arabischen Staaten stünden
einem solchen Staatsgebilde reserviert bis ablehnend gegenüber. Arafat
stellte sich gegenüber Saddam selbst die Frage, ob er im Falle eines
Kollapses des unsicher gewordenen Friedensprozesses die palästinensische
Autonomiebehörde auflösen und sich im Irak als Kommandeur einer
PLO-Basis im Sinne einer kämpfenden Einheit niederlassen sollte. Irak
sollte in diesem Falle militärische Trainingslager mit einrichten.
Arafat entschloss sich
schliesslich damals, an seinen Plänen einer Staatsgründung festzuhalten,
doch die neue Allianz zwischen den Verbündeten der Kuwait-Krise und des
Golfkrieges von 1991 wurde bald deutlich: gleich zu Beginn der
Aksa-Intifada sprach Saddam Hussein wie Arafat vom «Jihad», vom Heiligen
Krieg und sandte Truppen Richtung Jordanien, wobei er erklärte, er
brauche «Platz, um die Zionisten bekämpfen zu können». Es war klar, was
er mit «Platz» meinte – jordanisches Territorium. Das nächste Signal
erhielt Ägypten: Staatspräsident Hosni Mubarak traf im Gefolge der Krise
einen kämpferischen Arafat, den Leader der neuen Intifada und nicht mehr
den fast demütigen Palästinenserchef der Oslo-Verträge, der keine Lust
mehr zu verspüren schien, den guten Ratschlägen des ägyptischen «Rais»
auch nur zuzuhören.
Anvisiert: die arabischen
Massen
Die Gefahr in der erneuerten
Allianz Saddam – Arafat liegt nicht in der direkten militärischen Stärke
des Irak sondern in der Schlagkraft dieser Allianz, die die relative
Stabilität der arabischen Regimes in ihren Grundfesten erschüttern
könnte. Die Gefahr der irakischen «Hamurabi»-Division bestand nicht
darin, Jordanien zu durchqueren, um Jerusalem zu «befreien», sondern
darin, die Massen in Amman (wie in anderen arabischen Hauptstädten) zu
Gewalt und Aufstand anzustacheln. Dies war auch die dringendste Aufgabe
des arabischen Gipfels vom letzten Wochenende in Kairo: die aufgeregten
und aggressiven Demonstranten in den Hauptstädten zu beruhigen, nachdem
solche Demonstrationen vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen wären.
Obwohl von der neuen Allianz zwischen Gaza und Badgad noch wenig spürbar
ist, trug sie für beide bereits erste Früchte: der Irak wurde nämlich
erstmals wieder zu einem arabischen Gipfeltreffen eingeladen. Die
irakischen Vertreter waren klug genug, das Thema der Sanktionen nicht
aufzubringen und es gar mit der Palästina-Frage zu verknüpfen – das
dürfte aber bald der Fall sein.
Die unmittelbare Gefahr besteht
für Jordanien, doch könnte sie auch auf weitere arabische Regime
ausgedehnt werden.
Es war interessant, die
Gala-Vorstellung des neuen syrischen Präsidenten Bashir Assad in Kairo
zu beobachten. Die «Jihad»-Fahne wehen zu lassen, könnte für den
Vertreter der alauwitischen Minderheit im sunnitischen Mehrheitsstaat
Syrien gefährlich sein. Bereits sein Vater hatte den Jihad-Ruf der
einheimischen Moslem-Brüderschaft vernommen, welche damals von der PLO
unterstützt wurden und Damaskus schliesslich dazu zwangen, die
Beziehungen zu Arafat wieder zu verbessern.
Dieses Mal könnte es noch ärger
kommen, denn Saddams Truppen werden wohl nicht in Jordanien Halt machen
wollen, nicht als Eroberer, sondern die Begeisterung auch der syrischen
Sunniten für den «Heiligen Krieg» zu entfachen und das noch nicht
etablierte Regime Bashir «auf dem Weg nach Jerusalem» zu erschüttern.
Das seltsame Schicksal ist auch für Mubarak gedacht, der sich mit den
radikal-fundamentalistischsten Kräften in der ganzen Region
auseinandersetzen muss.
Was dachte sich Bashir Assad
bei seiner Rede?
Allerdings schien der neue
syrische Führer den Ernst der Lage nicht erfasst zu haben, denn anstatt
die gemässigte ägyptische Position zu unterstützen, sprach er von einer
«Position der Stärke» von der aus mit Israel umgegangen werden müsste
und sprach sich für einen Abbruch jeglicher Beziehung mit dem jüdischen
Staat aus, unterstützte, wenn auch nicht explizit, die Hisbolla. In
dieses Bild passt auch das (staatlich gelenkte) syrische TV, welches in
diesen Tagen mit Bildern vom Aufstand die einheimischen Massen
anstachelt anstatt zu bremsen. Somit scheint Bashir die Rolle seines
Vaters, nämlich die einer Sphinx, weiterspielen zu wollen – wohl nicht
zum Wohle der Stabilität der Region.
Die Frage ist, ob Assad sich der
radikalen Allianz Arafat–Saddam anschliesst oder der gemässigten
zwischen Kairo und Amman. Es sieht nicht nach dem ersten aus, doch
sicher lässt sich dazu nach dem Verhalten des syrischen Präsidenten in
Kairo nicht mehr sagen. Bashirs Rede unterschied sich von derjenigen von
König Abdullah von Jordanien in vor allem einem Punkt: während dieser
von einer Entwicklung der Wirtschaft und der Herausforderung der
«Globalisierung» für die arabische Welt sprach, war dies für Bashir
absolut kein Thema.
Die Versprechungen der Saudis
Und da waren noch die Saudis –
die wieder einmal in den Geldbeutel griffen: sie boten Arafat 250
Millionen Dollar als «Anzahlung» auf eine in Aussicht gestellte
Milliarde, welche in der gesamten arabischen Welt für die Palästinenser
gesammelt werden soll. Arafat müsste eigentlich damit zufrieden sein,
doch scheint dies nicht der Fall zu sein, obwohl es kaum eine seltsamere
Art gibt, die Unzufriedenheit über sein Verhalten in den letzten Wochen
auszudrücken.
Seit der Madrider Konferenz von
1991 gibt es auch das saudische Versprechen, den Palästinensern 300
Millionen Dollar zum Aufbau einer staatlichen Infrastruktur zu
überweisen – das Geld wurde aber nie überwiesen, aus dem einfachen
Grund, weil die Saudis Garantien dafür wollten, dass das Geld nicht in
Arafats Taschen verschwinden würde und diese Garantien nicht gegeben
wurden. Arafat ist es wohl nicht entgangen, dass ausser König Mohammed
von Marokko niemand der in Kairo Versammelten seinen Namen aussprach.
Das saudische Angebot wurde dem «palästinensischen Volk» gemacht und
nicht dem «palästinensischen Staat». Der Palästinenserchef dürfte wohl
verstanden haben, dass das heimliche Ziel dieses versprochenen Betrags
der Versuch sein dürfte, eine Alternative zu seiner Führung aufzubauen.
Auch wenn Arafat dieses Geld
nicht wirklich braucht, wird er nun versuchen, den Akt der
Staatsgründung weiter hinauszuschieben, in der Hoffnung, die
hysterischen Massen würden versuchen, die gemässigten arabischen Regime
in eine Allianz mit Bagdad zu zwingen. Die betroffenen arabischen Regime
sind sich dieser Gefahr offenbar bewusst, Israel möglicherweise nicht.
P.I. / (Übersetzung: Dania
Zafran)
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