MASSGEBENDER LEHRER
1135-1204, Spanien, Ägypten
"Es gibt diejenigen, die nach Vollkommenheit im Dienst für Gott
streben, die sich ganz Gott zuwenden und alle Akte des Intellekts auf die
Erforschung Gottes und der Existenz Gottes richten. Dies sind die
Propheten". (Führer
der Unschlüssigen lll.51)
Seit Mose hatte im Judentum niemand einen solchen Einfluss und eine
solche Autorität wie Rabbi Moses ben Maimon.
Maimonides wurde 1135 in Córdoba geboren. Im Alter von 13 Jahren floh er
mit seiner Familie aus Spanien und lebte fortan in Fostat bei Kairo. Bereits
mit zwanzig schrieb er sein erstes Hauptwerk, einen Kommentar zur Mischna:
dem Kodex des jüdischen Gesetzes. Während dieser Zeit wurde er von seinem
wohlhabenden Bruder David unterstützt, der mit Edelsteinen handelte. Als
sein Bruder jedoch im Meer ertrank, war Maimonides gezwungen, sich seinen
Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Er entschloss sich, Medizin zu
studieren und wurde Leibarzt des Wesirs des Sultans. Er hörte jedoch nicht
auf, zu lernen und schrieb seine Werke in seiner Freizeit. Durch die
Klarheit seines Stils und seine eindringlichen Argumente gelang es ihm, eine
Synthese zu bilden zwischen dem großen Korpus des jüdischen Rechts und
ethischen Zielen.
Zu seiner Zeit galt Maimonides als die führende Autorität des Judentums.
Er erhielt Briefe von jüdischen Gemeinden aus aller Welt, in denen seine
Meinung über Glaubensfragen, über Rituale und Bräuche erfragt wurde.
Maimonides blieb nicht ohne Gegner. Dass er die jüdische Lehre mit Hilfe
der griechischen Philosophie zu erklären versuchte, wurde von einigen als
ketzerisch missbilligt. Doch Maimonides Schriften, vor allem sein großer
philosophischer Traktat »Führer
der Unschlüssigen«, bleiben eine Inspiration für Juden, Christen und
Muslime, die eine Religiosität suchen, die sich auf die Vernunft gründet. In
derselben Weise lehrte Maimonides, die Prophetie sei ein natürlicher
Zustand, den alle erreichen könnten. Wenn das menschliche Bewusstsein
genügend Intelligenz und Empfindsamkeit und Mut und Umsicht habe, könne es
sich in die göttliche Einsicht verwandeln, und das sei »Prophetie«. So
verstanden war Maimonides ein Prophet, und tatsächlich hat er sich selbst so
betrachtet. Die Prophetie ist seiner Meinung nach der Gipfel der
menschlichen Errungenschaften und das Ziel aller, die nach religiöser
Erfüllung streben.
ACHT STUFEN DER WOHLTÄTIGKEIT
Die allerhöchste Stufe:
Dem Bedürftigen die Möglichkeit geben, sich selbstständig zu ernähren.
Die zweithöchste Stufe:
Wohltätig sein in einer Weise, dass der Spender und der Bedürftige
nicht voneinander wissen.
Die dritthöchste Stufe:
Der Wohltäter weiß, wem er gibt, aber der Arme erfährt nicht den Namen des
Spenders.
Die vierthöchste Stufe:
Der Gebende kennt nicht den Namen des Bedürftigen, aber dieser kennt den
Spender.
Die fünfthöchste Stufe:
Geben, bevor man gebeten wird.
Die sechsthöchste Stufe:
Geben, nachdem man gebeteten wurde.
Die siebthöchste Stufe:
Zwar nicht ausreichend geben, aber dennoch mit Freundlichkeit.
Die unterste Stufe:
Mit Unfreundlichkeit geben.
(Aus K.M. Olitzky, R.H. Isaacs,
Kleines 1x1 Jüdischen Lebens,
Berlin 2001, S.175)
DER ZWECK DES GESETZES
"Der Zweck des ganzen Gesetzes ist zwiefach, Beförderung des geistigen
und des leiblichen Wohls.
In Beziehung auf das geistige Wohl, werden dem gemeinen Manne heilsame,
seinem Fassungsvermögen angemessene Wahrheiten mitgeteilt. Daher sind einige
deutlich ausgesprochen, andere aber in Gleichnisse gehüllt, weil auf den
gemeinen Mann bei seiner niederen Bildungsstufe nicht jede unverhüllte
Wahrheit einen heilsamen Eindruck macht.
Zur Beförderung des leiblichen Wohls, gehört die Verbesserung der
Verhältnisse ihres geselligen Lebens. Dies kommt aber durch zwei Dinge zu
Stande, erstens, daß man alle Gewalttätigkeit aus ihrer Mitte hinwegräume,
damit nicht jeder willkührlich und nach Gutdünken seine Kraft anwende;
sondern nur das thue, was das allgemeine Wohl befördert; zweitens, daß man
den Menschen für die Gesellschaft nützliche Tugenden lehre, damit ein wohl
geordnetes Gemeinwesen zu Stande komme.
Merke jedoch, daß von diesen beiden Zwecken des Gesetzes der erste, die
Beförderung des geistigen Wohles durch Ertheilung heilsamer Wahrheiten, ohne
Zweifel dem Range nach vorangeht, der andere aber, Beförderung des
leiblichen Wohles durch angemessene Leitung des Staates und der
Angelegenheiten seiner Bewohner der Natur der Sache und der Zeit vorangehen
muß".
(Führer
der Unschlüssigen III.27)
ZITIERT NACH DALALAT AL HAIIRIN - Zurechtweisung der Verwirrten
von Rabbi Moses Ben Maimon, übersetzt von Simon Scherer, III.Teil,
2.Auflage Berlin 1920, S.184