Erinnerung zum Lag baOmer:
Der Bar Kochba-AufstandVon
Eli Barnavi
Der letzte bewaffnete Versuch, das römische Joch abzuschütteln, war
der Aufstand, der von einem Mann geführt wurde, der nach der jüdischen
Tradition "Sohn des Sterns" (Bar Kochba) genannt wurde. Diese Revolte
markierte das Ende des politischen Aktivismus der Juden in der Antike. Von
nun an akzeptierten die Juden die Besatzung als nationale Knechtschaft.
Viele Faktoren lassen sich nennen, deren Zusammentreffen diesen Aufstand
auslöste, der an Ausmaß und Heftigkeit alle vorangegangenen jüdischen Kriege
übertraf. Aber auch die Niederlage war verhängnisvoller als alle vorigen, ja
sogar schlimmer als die Katastrophe am Ende des großen Aufstands - die
Zerstörung des Zweiten Tempels.
Abb.:
Lag ba-Omer (jährliches Fest zur Erinnerung an den Bar-Kochba-Aufstand) auf
dem har Meron im nördlichen Galiläa. Nach der Überlieferung ist hier das
Grab des Rabbi Schimon bar Jochaj, der ein Schüler von Rabbi Akiba und ein
glühender Anhänger des Aufsatnds war.
Politisch betrachteten die Juden die römische Herrschaft als nicht
legitim, als das Reich des Bösen, das für alle Verbrechen und Grausamkeiten,
die es seit der Eroberung durch Pompeius (63 v. Chr.) begangen hatte, würde
zahlen müssen.
Aktivistische messianische Bewegungen, die mit der Zerstörung des Tempels
nicht etwa verschwunden waren sondern sogar zunahmen, bereicherten den
Konflikt um eine eschatologische Dimension. Sie betrachteten die
messianische Ära als eine politische Realität, in der es durch tatkräftige
Aktionen möglich sei, die fremde Besatzung zu vertreiben. Der Messias-König,
faktisch ein militärischer Führer, würde das Volk im Kampf führen und das
Königreich Davids wiederherstellen. Die Gestalt des Messias trüge keine
Zeichen des Übernatürlichen, noch wäre sie mit einer Revolution kosmischen
Ausmaßes verbunden.
Derartige Auffassungen liefern eine Erklärung dafür, warum der sehr irdische
Bar Kochba von vielen jüdischen Zeitgenossen - einschließlich religiösen
Führern wie Rabbi Akiva - als Inkarnation des Messias betrachtet wurde.
Es ist möglich, daß der Beginn des siebenten Jahrzehnts nach der Zerstörung
des Tempels zu einem Anstieg messianischer Hoffnungen führte, da zwischen
der Zerstörung des Ersten und der Wiedererrichtung des Zweiten Tempels auch
ungefähr siebzig Jahre verstrichen waren.
Abb.:
Die Reisen des Rabbi Akiba (ca. 120)
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Als Hadrian 117 Kaiser wurde, waren die Juden zunächst voll Freude, da
bekannt wurde, daß er die Besatzungspolitik seines Vorgängers Trajan
rückgängig machen und helfen wollte, die zerstörten Städte wiederaufzubauen.
Es gab sogar ein Gerücht über Pläne, Jerusalem neu zu errichten, aber bald
zeigte sich, dass dieses Vorhaben nicht unbedingt den Erwartungen der Juden
entsprach. Auf den Ruinen Jerusalems ließ Hadrian eine heidnische Stadt
bauen - Aelia Capitolina. Nach dem griechischen Historiker Dio Cassius war
dies dann auch der Hauptgrund für den Aufstand. Andere Quellen betonen
jedoch das Verbot der Beschneidung als Ursache. Für Hadrian selbst war das
vermutlich Teil eines generellen Verbots der Kastration; die Juden sahen
darin jedoch eine ausgesprochene Gemeinheit.
Was auch immer die Ursachen gewesen sein mögen, so steht fest, dass der
Aufstand keine spontane Erhebung war. Schon vorher wurden Waffen
zusammengetragen, unterirdische Verstecke waren angelegt worden, taktische
und strategische Pläne lagen vor. Dio Cassius liefert eine knappe
Beschreibung dieser Vorbereitungen, die durch archäologische Funde bestätigt
worden sind.
Der Aufstand begann 132 und dauerte dreieinhalb Jahre. Es existieren
wenige fragmentarische Dokumente, und es gibt keinen Bericht, der der
Darstellung des Jüdischen Krieges durch Josephus Flavius nahe kommt. Zwar
sind die Dokumente, die am Toten Meer gefunden wurden und andere
archäologische Entdeckungen von großer Bedeutung, sie geben aber keinen
Überblick über den Krieg. Sie enthüllen zum Beispiel jedoch den wirklichen
Namen von Bar Kochba: Simon ben Koseba, der identisch ist mit Schimeon
ha-Nassi (Simon, Prinz von Israel), wie er auf Münzen, die während des
Aufstands geprägt wurden, zu finden ist. Diese Münzen vermitteln auch
wertvolle Informationen über die Gefühle, Hoffnungen und Ziele der
Aufständischen. Sie zeigen Symbole, die mit den Tempelriten verbunden sind,
Inschriften, die die "Erlösung Israels" und die "Freiheit Jerusalems"
beschwören.
Der Krieg fand größtenteils im südlichen Palästina statt. Ein Ergebnis
des Aufstands war eine Verschiebung des Zentrums jüdischer Bevölkerung aus
dem verwüsteten Judäa in den Galil. Noch schwerwiegender waren jedoch die
Hunderttausenden jüdischen Opfer, was zu einer Dezimierung der jüdischen
Bevölkerung führte, die demographisch den ethnischen Aufbau des Landes
veränderte. Städte und Gebiete, die zuvor ausschließlich jüdisch gewesen
waren, hatten nun eine gemischte oder gar mehrheitlich nichtjüdische
Bevölkerung. Durch das katastrophale Ende des Aufstands entstand auch
erstmals die Gefahr einer Massenemigration. Ausdrückliche Befürchtungen in
dieser Hinsicht finden sich in den Schriften der Weisen, die nun die
Verpflichtungen der Juden gegenüber dem Land Israel betonten.
Darüber hinaus untergrub der Aufstand das empfindliche Gleichgewicht
zwischen dem Zentrum in Palästina und der Diaspora. In der starken
babylonischen Gemeinschaft gab es in der Folge verschiedene Versuche, sich
von der geistlichen Führung in Palästina zu lösen, religiöse Unabhängigkeit
und sogar Hegemonie anzustreben.
Die religiöse Führung in Palästina erlitt heftige Schläge durch die
Verfolgungen Hadrians, die gegen Ende des Krieges begannen. Rabbinische
Quellen bezeugen die lange Reihe von Einschränkungen, die nicht nur das
rebellische Volk bestrafen, sondern ein für allemal jene orientalische
Religion vernichten sollten, die auf die Bewohner des Imperium Romanum eine
derart starke Anziehungskraft ausübte.
Die Schriftgelehrten reagierten mit der Formulierung von genauen
Vorschriften für Kiddusch ha-Schem (Märtyrertum). Die Legende von den
zehn Märtyrern, einer Gruppe Weiser, die durch Römer gefoltert und getötet
wurden, erscheint wiederholt in verschiedenen Versionen späterer
Generationen und wurde in der kollektiven Erinnerung der Juden zu einem
Symbol heldenhaften Opfers im Namen Gottes.
Der
letzte Aufstand gegen die Besatzer:
Bar Kochba scheitert
Eine Zeittafel aus der Von Jerusalem nach Jawne:
Die Zerstörung des Tempels
Eine Zeittafel aus der
von Eli Barnavi, Frank Stern, Michel
Opatowski, Denis Charbit
Früher Hardcover: EUR 59,90, jetzt auch als Taschenbuch: EUR 39,00
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09-05-2006
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