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Judentum und Israel
   
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Michael Karpin und Ina Friedman:
Der Tod des Jitzhak Rabin
- Anatomie einer Verschwörung


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Din Rodef

Teil 2
Der messianische Komplex

Michael Karpin und Ina Friedman

Yoel Bin-Nun wurde zwei Jahre vor der Gründung des Staates Israel als Kind einer aus Osteuropa stammenden Familie in Haifa geboren. Der Sohn eines Linguisten und Lehrers besuchte die Religionsschule, ohne unter dem Minderwertigkeitskomplex zu leiden, der so viele religiöse Jugendliche seiner Generation prägte.

Während die Heranwachsenden aus den säkularen Familien sich freiwillig zu Kampfeinheiten und gefährlichen Missionen meldeten, dienten die jungen Männer mit den gehäkelten Gebetskäppchen vorzugsweise im Militärrabbinat oder in der Etappe. Yoel allerdings ging zu den Fallschirmjägern, bevor er in die Jeschiwa Mercaz Harav eintrat.

Zwar trieb ihn der gleiche messianische Eifer wie die anderen Gründer der Gush Emunim, doch besaß er die seltene Gabe, andere Meinungen tolerieren zu können, und zählte auch weltliche Intellektuelle zu seinen Freunden. Während seine Freunde die ideologischen Gegner als schwache und leere Seelen verachteten, behandelte Bin-Nun sie immer mit Respekt. Mit geschickter Hand hielt er auch ständig Verbindung zum säkularen politischen Establishment, während er zugleich das Vertrauen der hitzigsten Siedler genoß, denen beim Gedanken an weitere Eroberungen die Köpfe rauchten. Wo andere die Gewalt predigten, blieb er ein standhafter Vertreter des Dialogs. Diese Tugenden machten ihn zu einem gewichtigen Vertreter der Siedlerbewegung. Nach der Unterzeichnung des Osloer Abkommens im September 1993 ernannte man Bin-Nun zum Verbindungsmann zwischen dem YeShA-Rat* und dem Büro des Ministerpräsidenten, denn er war in der seltenen Lage, bei Rabin Gehör zu finden, der ihn wegen seiner Integrität und seines Mutes, abweichende Ansichten zu vertreten, bewunderte.

* Rat der Siedler von Yehudah (Judäa), Shomron (Samaria) und Asah (Gaza)

Aufgrund seiner Vertrautheit mit beiden Seiten der politischen Frontlinie in Israel machte sich Yoel Bin-Nun im Laufe der Jahre immer größere Sorgen über die Kluft, die sich zwischen beiden Seiten auftat.

Während der achtziger Jahre beobachtete Bin-Nun mit wachsendem Unbehagen, wie seine Landsleute zur Gewalt griffen, um Konflikte auszutragen und ideologische Ziele zu erreichen. Ein Zwischenfall im Februar 1983 erschütterte ihn heftig.

Yonah Abrushmi, ein von der zügellosen Rhetorik der Rechten getriebener verbitterter junger Mann, warf in der Nähe des Amtssitzes des Ministerpräsidenten eine Handgranate in eine Menge von «Frieden jetzt»-Demonstranten. Ein Mann, Emil Grunzweig, starb bei diesem Anschlag, elf weitere Menschen wurden verletzt.
Nur gut ein Jahr später, im April 1984, kam das Beben noch näher: Bin-Nun entdeckte, daß einer seiner Freunde, Yehudah Etzion, ein führender Kopf des jüdischen Untergrunds war. Er wußte, daß Etzion ungeduldig nach einer Abkürzung zur Erlösung suchte; des öfteren hatten sie sich über seine radikalen Ansichten gestritten. Doch er hätte nie geglaubt, daß ein Mann wie Etzion mit seinen Verdiensten und seinem Ansehen in der Gush Emunim den Plan fassen könnte, die Moschee auf dem Tempelberg zu sprengen. Je mehr er erkannte, wie stark das nationalreligiöse Lager den jüdischen Untergrund bewunderte, desto zorniger wurde er über die Urheber der verqueren moralischen Haltung, die sich unter den Siedlern festsetzte. Bin-Nun verlangte von seinen Kollegen, die extremistischen Rabbiner, die zu Angriffen gegen Araber aufstachelten, zu verurteilen: «Wenn das rabbinische Establishment dieses Problem weiterhin ignoriert, wird es das Siedlungsprojekt in Yesha hintertreiben, das Ansehen der Rabbiner insgesamt gefährden und eine Tragödie heraufbeschwören.» Er forderte seine Mitstreiter im Gush Emunim zudem auf, ihre Werte gründlich zu überprüfen und ihre Fehler zuzugeben. Doch er prallte gegen eine Mauer aus zorniger Abwehr: Einen Grund, in sich zu gehen, gebe es nicht.

Mitte der achtziger Jahre steckte Bin-Nun voller Zweifel über den moralischen Kurs der Siedlerbewegung. Er spürte, daß die rassistische Lehre Rabbiner Meir Kahanes die Köpfe vieler seiner Mitstreiter vergiftete. Ihn schauderte bei Berichten, wonach religiöse Fanatiker Untergrundzellen bildeten, sich über das Recht erhaben fühlten und keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Demokratie als «westlichem» Wert machten. In diesen Jahren wucherte die Gewalt der jüdischen Siedlermilizen, und er mußte immer wieder feststellen, daß die religiösen und politischen Führer die rohe Gewalt einfach ignorierten oder sie sogar guthießen.

Die geradezu versessene Beschäftigung mit der Heiligkeit und Unberührbarkeit des Landes Israel, so Bin-Nun, sei dem jüdischen Leben fremd. Vielmehr habe das Judentum der Heiligkeit des Lebens immer den höchsten Rang verliehen. «Kein Land ohne Volk», predigte er dem schrumpfenden Kreis jener, die ihm noch zuhören wollten. Nach dem Massaker in der Höhle der Stammesväter gab er alle Zurückhaltung auf und verdammte das Lob, mit dem seine Rabbinerkollegen Dr. Baruch Goldstein überhäuften, als «Lästerung des Allmächtigen und Schande für die Thora».
Wie schon zuvor wandte sich Bin-Nun gegen die selbstgerechte Haltung der Siedler, die glaubten, sie stünden immer auf der moralisch richtigen Seite, weil sie Juden seien. Doch diese Warnungen vor der rassistischen Verzerrung des Judentums, die bei so vielen religiösen Siedlern Wurzeln geschlagen hatte, blieben ungehört. Der «Ideologe» war nun in ebenjener Bewegung, die er mitgegründet und -aufgebaut hatte, suspekt geworden. In manchen Siedlungen kursierte sogar das Gerücht, er würde «mit den Linken kollaborieren».

Yoel Bin-Nuns Stellung unter den Siedlerfreunden war also schon ernsthaft gefährdet, als er Ende 1994 hörte, daß sich ein neuer und ausgesprochen gefährlicher Gedanke im Denken der religiösen Gemeinschaft verbreitete...

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