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Judentum und Israel
   
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Michael Karpin und Ina Friedman:
Der Tod des Jitzhak Rabin
- Anatomie einer Verschwörung

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Kapitel 5 aus
Michael Karpins und Ina Friedmans
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Der Tod des Jitzhak Rabin
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American Connection

Teil 1
Zeichen an der Wand

Michael Karpin und Ina Friedman

Die Hetzkampagne gegen Jitzhak Rabin in Israel mochte noch so roh und schrill sein - verglichen mit der Kampagne in den USA, die sich gemeinhin eines zivilen Umgangstons im politischen Streit rühmen kann, konnte sie einem fast maßvoll vorkommen.

Im September 1995 brandeten die Hasstiraden gegen den Ministerpräsidenten und seine Regierung dermaßen hoch, dass Colette Avital, Israels Generalkonsulin in New York, dem Treiben nicht mehr untätig zusehen wollte. Zunächst hatten die Rabin-Gegner innerhalb der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft den Ministerpräsidenten als Verräter und Rodef beschimpft; doch dann waren sie so weit gegangen, ihn einen Nazi zu nennen. Avital wusste, daß rechte und orthodoxe Juden die Extremisten in Israel mit Ratschlägen und Geld versorgten - mit viel Geld. Auf ihrem Schreibtisch stapelte sich ein bedrückendes Sortiment von jüdischen Zeitungen, Zeitschriften, Pamphleten, Handzetteln, Radio- und Fernsehmitschnitten und Texten aus dem Internet - ein endloser Strom des Hasses auf Rabin, der sich aus Gerüchten, Lügen, Erfindungen, Halbwahrheiten und Verzerrungen speiste. Avital hielt es für ihre Pflicht, den Ministerpräsidenten davor zu warnen, selbst wenn ihr Bericht daheim zu Gerüchten Anlaß geben würde, die dritthöchste Diplomatin Israels in den Vereinigten Staaten sei der Hysterie verfallen.

Seit fast zwei Jahren, zunächst entgeistert, dann entsetzt, beobachtete Avital ein empörendes Phänomen: In der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde der Welt war nur eine einzige Stimme zu hören: die der radikal-orthodoxen Minderheit, die fast geschlossen gegen den nahöstlichen Friedensprozeß Front machte. Die Friedensanhänger in New York waren offenbar nicht in der Lage, mehr als ein leises Protestmurmeln dagegen über die Lippen zu bringen, während die orthodoxen Rabbiner und Rechtsradikalen pausenlos zur Beseitigung des israelischen Ministerpräsidenten aufriefen.

Avital war konsterniert und verärgert zugleich. Wie konnte es sein, daß die amerikanisch-jüdische Gemeinde, die progressivste und neuerungsträchtigste der Welt, einzig und allein mit einem aggressiven Fundamentalismus zu hören war? Wie war es möglich, daß in diesem Schmelztiegel aus religiösem Pluralismus und Kreativität die Ansichten der orthodoxen Minderheit vorherrschten?

Tag für Tag spürte sie, wie die Mauer der Feindseligkeit zwischen den orthodoxen Juden New Yorks und den offiziellen Gesandten des Staates Israel breiter und höher wurde. Niemals zuvor war israelischen Diplomaten in den USA oder sonstwo der Zutritt zu ganzen jüdischen Vierteln verwehrt worden. Man hatte Avital gewarnt, und zwar unmissverständlich: Sollte sie einen Fuß in die Bastionen der orthodoxen Juden New Yorks setzen, würde man sie mit Flaschen und Steinen empfangen. Die älteren Menschen in den jüdischen Gemeinden sagten ihr, daß kein Teil des amerikanischen Judentums jemals soviel abgrundtiefen Hass gegen eine gewählte Regierung Israels zum Ausdruck gebracht hätte. Manchmal fühlte sie sich wie in einem Alptraum, während die große Mehrheit der amerikanischen Juden, und nicht zuletzt die israelische Regierung selbst, stumm danebenstanden und zusahen.

Colette Avital war die erste Frau im Amt des Generalkonsuls, die sich in der diplomatischen Residenz Israels an der Upper East Side von Manhattan eingerichtet hatte. Die gebildete, elegante Frau Anfang Fünfzig spricht leise, aber deutlich und, so heißt es in ihrem Umkreis, versteht es meisterhaft, selbst ihre turbulentesten Gefühle zu verbergen. Doch ihr sanftmütiges Gebaren täuscht, denn Avital hat Rückgrat und schreckt vor Streit nicht zurück. Um das Hindernisrennen des diplomatischen Dienstes in der von Männern beherrschten israelischen Politik zu bewältigen, muß eine Frau außer Talent auch Schneid und Entschlossenheit besitzen. Dreißig Jahre bevor sie nach New York geschickt wurde, war sie in das Büro ihres Vorgesetzten in Jerusalem gegangen und hatte um ihre Versetzung aus der Verwaltung in den diplomatischen Dienst ersucht. «Da haben Sie keine Chance», sagte er. «Frauen sind für die Diplomatie nicht geeignet. Frauen sind hysterisch.»

Dieses Vorurteil war ihr noch gut in Erinnerung, selbst nach dreißig Jahren einer Karriere, die es Lügen strafte. Avital wurde 1993 nach New York versetzt, nachdem sie zuvor als israelische Botschafterin in Portugal gedient hatte. Die als arbeitswütig verschrieene Expertin für Öffentlichkeitsarbeit fand bald Anerkennung als eine Diplomatin, die an ihre Mission glaubt und ihren Standpunkt ebenso elegant wie überzeugend durchsetzt. In der Arbeitspartei wurden Stimmen laut, man müsse sie aus dem diplomatischen Dienst holen und für eine politische Karriere gewinnen. Doch bei all ihrem Können war sie nicht auf den Schwall an Drohungen und Beschimpfungen vorbereitet, der ausgerechnet in New York auf sie und ihre Mitarbeiter niederging.

Schon bevor Avital ihnen entgegentrat, zeigten sich die orthodoxen Juden in New York missvergnügt über die Neue. Die Rabbiner und führenden Vertreter der Gemeinden, befangen in ihren Vorstellungen von Kindern, Küche und Synagoge, waren der Meinung, eine Frau habe auf einem so hochrangigen Posten nichts zu suchen. Man lud Avital ein, beim Jahresdinner 1994 des Jerusalem Reclamation Project (JRP) zu sprechen, einer rechten Organisation, die Gelder sammelt, um Juden in arabischen Vierteln Jerusalems anzusiedeln. Als sie aufs Rednerpult zuschritt, empfing man sie mit einem Hagel aus Pfiffen und Buhrufen. Von da an ging es bergab. Und als die Jewish Press - die wichtigste Wochenschrift der Orthodoxen und radikalen Rechten New Yorks - ihre Leser aufforderte, über Avitals Leistung abzustimmen, war die überwältigende Mehrheit dafür, ihr so schnell wie möglich den Laufpaß zu geben. Daß man sie in Begleitung des ABC-Nachrichtenmode-rators Peter Jennings sah, den man in rechten Blättern gewöhnlich als «Israel-Prügler» bezeichnete, trug gewiß nicht dazu bei, Avital bei den Verleumdern in ein besseres Licht zu rücken. Im Grunde stand ihr eine Einheitsfront aus orthodoxen und rechten jüdischen Aktivisten gegenüber, angeführt von dem Abgeordneten im Parlament des Staates New York, Dov Hilkind, den Rabbinern Abraham Hecht und Herbert Bomzer, den Geschäftsleuten Sam Domb und Jack Avital. Hinzu kam allerdings noch Bürgermeister Rudolph Giuliani, der eigentlich nicht richtig dazupasste, doch politisch in der Schuld der andern stand. Es überrascht kaum, daß die meisten New Yorker Gegner des nahöstlichen Friedensprozesses über den verstorbenen Rabbiner Meir Kahane miteinander verbunden waren, dessen Organisationen und Zöglinge die Allianz der orthodoxen rechten Kräfte geschmiedet und den Bürgermeister für ihre Sache eingespannt hatten...

>>> Teil 2 American Connection:
Auf dem Weg zum 4. November 1995

Israels Generalkonsulin in New York verfolgte besorgt die anwachsende Hetzkampagne nationalistisch-orthodoxer Kreise in den USA gegen Rabin und Arafat...

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Staat und Gesellschaft

hagalil.com 04-11-2004

 


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