Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, MdB
Bundesjustizministerin a.D., Rechtsanwältin
Platz der Republik
11011 Berlin
2. April 2001
Prozess gegen
Anton Malloth
56 Jahre nach Ende des zweiten
Weltkrieges muß sich Anton Malloth, Wachmann im Lager Theresienstadt, 89
Jahre alt, in Deutschland strafrechtlich für ihm vorgeworfenen Mord in
mehreren Fällen im Lager Theresienstadt verantworten. Die Münchner
Staatsanwaltschaft hat in kurzer Zeit die Ermittlungen bis zur
Anklageerhebung durchgeführt und damit schon jetzt einen wichtigen
Beitrag für Gerechtigkeit und Sühne schwerster Verbrechen geleistet.
Die Mühlen der Justiz haben in
den vergangenen Jahrzehnten leider häufig nur sehr langsam gemahlen,
wenn es um die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ging. Der Fall Malloth
macht dies wieder einmal auf drastische Weise deutlich. Mehrere Male
wurden von der damals zuständigen Staatsanwaltschaft in Dortmund die
Ermittlungen eingestellt. Da darf es nicht verwundern, dass die
Nachkommen der Opfer verzweifeln und ihr Vertrauen in das ernsthafte
Bemühen der Justiz verlieren, nachdrücklich und konsequent alle
Verantwortlichen für die schlimmsten Verbrechen strafrechtlich zur
Verantwortung zu ziehen.
Einige haben in Ihrem Bemühen
nicht nachgelassen, Staatsanwaltschaft und Justiz Fakten und Hinweise zu
liefern, wie zum Beispiel Peter Finkelgruen, dessen Großvater in
Theresienstadt ermordet wurde. Wegen dessen Todes ist Anton Malloth noch
nicht angeklagt. Als Enkel hat Peter Finkelgruen nach geltendem
Stratprozessrecht keine Befugnis, sich einer erhobenen öffentlichen
Klage als Nebenkläger anzuschliessen und damit die sich daraus ergebenen
Rechte zu gebrauchen. Zu recht kritisiert er dies seit Jahren.
Die Bewältigung der
NS-Vergangenheit ist für die Deutschen kein Ruhmesblatt. Viel zu lange
wurde geschwiegen und verdrängt in der Hoffnung, so das Unrecht aus der
Welt schaffen zu Können. Auch die Auseinandersetzung mit der NS-Justiz
ist in Deutschland nicht gelungen. Zu lange und in zu großem Umfang
fanden sich in der deutschen Nachkrlegsjustiz Richter und Staatsanwälte
wieder, die auch unter Hitler dort tätig gewesen waren. Der Grundsatz
"Was gestern Recht war, kann heute nicht Unrecht sein", setzte sich in
vielerlei Variationen und als ungeschriebene Begründung manchen Urteils
gegen die Täter des "Dritten Reiches" durch. Justizkritik blieb in den
ersten zwei Jahrzehnten der Bundesrepublik vereinzelt.
"Recht ist Wille zur
Gerechtigkeit" - dieser Satz des großen Juristen und Rechtspolitikers
der Weimarer Zeit, Gustav Radbruch, gilt auch heute und sollte Maßstab
für die so spät, aber hoffentlich noch nicht zu spät durchgeführten
Ermittlungen und die Anklageerhebung gegen Anton Malloth sein.
Text einer
Erklärung der
Bundesministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
haGalil onLine Pressekonferenz
München, am 23. April 2001.
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