JUDEN in der ehemaligen Tschechoslowakei
von Chaim FRANK
Die Erste Republik
Bald nach der Gründung der selbständigen
tschechischen Republik, wo verschieden Rechtslagen noch nicht geordnet
waren, kam es zu vereinzelten Unruhen gegen Juden. Das war bereits im
Dezember 1918 und wenig später, im Mai 1919, hervorgerufen durch eine
drastische Teuerung, bei der man Schuldige brauchte. Der heftigste
Zusammenstoß erfolgte jedoch im November 1920, wo ein aufgebrachter Mob
in das jüdische Rathaus eindrang und die Eirichtung zu demolieren
begann.
In der Wiener Tageszeitung ''Neue
Freie Presse'' wurde gemeldet, daß der amerikanische Konsul genötigt
war, seine Flagge zu leihen, die man am Rathaus befestigte, um so -
wenigstens symbolisch - die Juden, die im Rathaus Zuflucht fanden, zu
schützen. In einem Brief Franz Kafkas an seine Geliebte Milena, wird
diese tragische Tatsache ebenfalls bestätigt.
Aber es fanden nach der Staatsgründung
nicht bloß negative Erscheinungsbilder statt.
Seit 1918 gab es in den sog. historischen
Ländern den 'Obersten Rat der Kultusgemeinden', ihm waren die deutschen,
tschechischen, mährisch-schlesischen und Prager jüdischen Gemeinden
unterstellt.
1920 erhielt Prag die erste jüdische
Schule, die zunächst noch einklassig war, aber schon 1924 fünf Klassen
besaß. Eines der ersten Lehrerinnen war übrigens eine Schwester von
Franz Kafka, Valy POLAKOVA.
Zahlreiche tschechisch-jüdische
Interessengemeinschaften und Vereine haben sich gebildet, oder sich den
bereits bestehenden unterstützend angeschlossen.
Es entstanden zionistische
Gruppen, z.B. HeChaluz, HaSchomer HaZair und andere, die bei der Jugend
zunächst noch wenig Anklang fanden, denn die verschiedenen Sportvereine
wie z.B. der HaGibor HaMakkabi (bes. Schwimmdisziplin) oder der
slowakische Sportclub Bar Kochbar (in Bratislava) machten ihnen die
größte Konkurrenz.
1919 erschien die erste Zeitung für
Juden, die, wie es im Untertext hieß: ''ein tschechisches Blatt
brauchen'', und 1921 gab Arne LAURIN
(1889-1945) die ''Tibuna'' heraus, an der zahlreiche Literaten
mitschrieben. Leider stellte sie aus finanziellen Gründen 1928 wieder
ihr Erscheinen ein.
Schon 1918 gab Ludwig SINGER
seine ''Zidovske zpravy'' (Jüdische Nachrichten) heraus, ein
zionistische orientiertes Blatt, an der u.a. auch Max
BROD und Felix WELTSCH mitgearbeitet haben.
Im Kulturleben - ich sagte es schon -
nahmen jüdische Persönlichkeiten einen wichtigen Platz ein und leisteten
einen enormen Beitrag für die tschechische Republik.
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