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"Theater in der Vorburg" zu
Gast in Prag:
Leb wohl, Schmetterling
Der zweite Tag des "devet
bran-festivals" war der Hoffnung gewidmet. Im Rokokotheater am
Prager Wenzelsplatz spielte die Kindertheatergruppe "Theater in der
Vorburg". "Leb wohl, Schmetterling" ist ein Stück über das
Vorzeigelager Theresienstadt im Zweiten Weltkrieg.
Im Zentrum des Stückes stehen die Sternheims, eine deutsch-jüdische
Familie aus dem Sudentenland, assimiliert und gebildet, von den
Tschechen als Deutsche und von den Deutschen als Juden verhaßt.
Die Kinder finden sich mit der Situation nicht ab. Alle drei
rebellieren gegen die bedrückenden Lebensumstände, die ihnen der
Nazismus aufzwingt. Lena, die älteste Tochter geht zu Versammlungen
der Kommunistischen Partei, Martha interessiert sich für den
Zionismus und der jüngste Sohn David hängt ein Plakat mit "Hitler
ist ein Schwein" auf.
Die Familie erhält schließlich, gemeinsam mit Bekannten und
Freunden, den Befehl zum Transport nach Theresienstadt. Nach der
letzten Nacht in Freiheit folgt die ernüchternde und
niederschmetternde Ankunft in der Festung. Die Familie wird
getrennt, Kinder, Frauen und Männer, alle bekommen ein eigenes
"Wohnheim". Das
Stück verfolgt nun mit großer Sensibilität das Lagerleben, erzählt
vom Lebenswillen und der Lebensfreude der Ghetto-Bewohner, ihrem
Versuch, den grauen Alltag zu bekämpfen und sich damit die
menschliche Würde zu bewahren.
In all dem Grauen, dass die Festung barg, gab es unter den
Häftlingen eine Explosion der Kreativität. Dichten, Musizieren,
Singen, Malen, jede künstlerische Aktivität half in Theresienstadt,
nicht am eigenen Verstand und der eigenen Würde zu zweifeln.
Theresienstadt ist damit ein Beispiel des geistigen Widerstands, ein
Aufruf, dass Kultur und Bildung zum Kern der menschlichen Identität
gehören. Die
Handlung des Stücks ist frei erfunden nach Dokumenten und
Zeitzeugnissen aus der Festung Theresienstadt. Die Lieder, Gedichte
und Instrumental-Musik, die vorgetragen und gesungen werden, sind
aber Originale aus dem Lager, die die "Als-Ob-Stadt" sehr lebendig
werden lassen.
Das Stück wurde für das "Theater in der Vorburg", die Kinder- und
Jugendschauspielschule auf Burg Namedy geschrieben. Das Team besteht
aus 25 Schauspielern im Alter von 10 bis 17 Jahren.
Die Erstaufführung war im November 1997 und war bereits 1998 zu Gast
in Prag und in Theresienstadt selbst. Danach reiste die Gruppe nach
Israel. Für das Festival "devet bran" haben die Jugendlichen das
Stück nochmals einstudiert.
Die Jugendlichen vollbringen mit diesem Stück eine wahre
Glanzleistung. Dominique Caillat, Gründerin der Schauspielschule,
erzählt von dem ersten Treffen der Kinder mit Überlebenden des
Ghettos. "Es wurde den Kindern plötzlich klar, wie normal, wie echt
diese Menschen sind, Leute wie sie und ich. Die Warmherzigkeit
dieser Begegnung, die Dankbarkeit auf beiden Seiten... Oder die
Besichtigung der Pinkas Synagoge, heute Gedenkstätte für die fast
80.000 tschechischen Opfer der Vernichtungslager: auf den Wänden
lasen die Kinder die Namen vieler Theatercharaktere (ein Zufall,
denn die Namen der Personen des Stücks sind frei erfunden). Die
Figuren des Stücks lösten sich aus dem theatralischen Konzept und
wurden lebendig, die Kinder fühlten sich um so mehr verantwortlich
für ihre Rollen".
Diese Verantwortung der jungen Schauspieler um ihre Rollen ist auf
der Bühne stets präsent, das Stück daher hervorragend gespielt.
Gerade die Tatsache, dass die Schauspieler noch so jung sind,
verleiht dem Ganzen etwas Einzigartiges. Und erzeugt bei den
Zuschauern bedrohliche Beklemmung, wenn die Schauspieler alle
Spalier stehen und "Heil Hitler" rufen.
Text in English
haGalil onLine 19-11-2000 |