Wahlkampf:
Die CSU braucht das Gewitter zwischen Bonn und Prag
«Ein deutsch-tschechisches Sommertheater ist das letzte, was
wir brauchen», zeigt sich der deutsche Außenminister Klaus Kinkel besorgt.
Es dürfe nicht dazu kommen, daß «einzelne unglückliche Äußerungen» einen
Schatten auf das deutsch-tschechische Verhältnis werfen, warnte Kinkel. Doch
dafür ist es wohl schon zu spät. Die von Politikern in Prag und Bonn als
völlig unnötig empfundene Attacke des neuen tschechischen
Ministerpräsidenten Milos Zeman auf die sudetendeutsche Landsmannschaft
gerät immer mehr ins deutsche Wahlkampfgetöse.
Selbst der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl kündigte von seinem
österreichischen Urlaubsort an, er werde sich bei nächster Gelegenheit den
Kollegen in Prag wegen der Beschimpfungen vornehmen. Der Vorsitzende der in
Bonn mitregierenden bayerischen Christlich- Sozialen Union (CSU), Theo
Waigel, verlangte ebenso wie die Vorsitzende der Sozialdemokraten (SPD) in
Bayern, Renate Schmidt eine Entschuldigung für den Vergleich zwischen der
Führung der Sudetendeutschen einerseits und Kommunisten und
Rechtsextremisten im Prager Parlament andererseits.
Nur von den deutschen Grünen kam Verständnis für Zemans Töne. Die
im Verhältnis zu Prag sehr engagierte Parlaments-Vizepräsidentin Antje
Vollmer erinnerte daran, daß die Vertriebenen schließlich die
deutsch-tschechische Versöhnungserklärung von 1997 abgelehnt hätten und
weiter dagegen polemisierten. Vollmer hält es deshalb für «doppelzüngig»,
daß Vertriebenfunktionäre trotzdem auf einen Sitz in der Spitze des
Dialogforums gedrängt hätten.
Nicht gerade ungelegen kommt der CSU der Streit für die bayerische
Regionalwahl am 13. September, die zwei Wochen vor der nationalen Wahl am
27. September liegt. Die von der CSU gestellte Regierung in München versteht
sich traditionell als Schirmherrin der 1,5 Millionen Sudentendeutschen in
Bayern. Nicht ganz überraschend legte deshalb Ministerpräsident Edmund
Stoiber nach und drohte Widerstand beim geplanten EU-Beitritt Tschechiens
an. Auch die offene Parteinahme Kohls verbucht die CSU als Erfolg einer
Doppelstrategie: massive Kritik an Prag einerseits sowie Aufforderungen zum
diplomatischen Handeln an Kinkel andererseits. Nicht zum ersten Mal steht
der liberale Außenminister im CSU- Kreuzfeuer.
Schon während des Sudentendeutschen Tags Ende Mai hatten Waigel
und Stoiber unter lautem Beifall erhebliche Zugeständnisse Prags an die
Vertriebenen für ein Ja Bayerns zum EU- Beitritt Prags verlangt. Erwartet
werde von den Tschechen eine «Geste des guten Willens» beim Heimatrecht und
die Annullierung von Nachkriegsgesetzen zur Vertreibung und Enteignung der
Sudentendeutschen.
Wahrscheinlich ist Zeman selbst am meisten über die heftige
Reaktion erschrocken. Er hatte schließlich schon als Oppositionführer die
Nominierung von Sudetendeutschen für das Gremium kritisiert. Offensichtlich
hat er jetzt aber unterschätzt, daß sein neues Amt solchen Aussagen mehr
Gewicht verleiht und in Deutschland eben Wahlkampf tobt.
Im Außenministerium in Bonn gibt es offene Besorgnisse über
scharfmacherische Entwicklungen im Bund der Vertriebenen unter der neuen
Präsidentin Erika Steinbach, die sich jetzt noch verstärken könnten. Kinkel
hatte sich kürzlich gegen die «schrillen Töne» der christdemokratischen
Politikerin verwahrt, die Polen und Tschechen bereits mehrfach beleidigt
hatte. Ihre Aussage, die Tschechen hätten im Zweiten Weltkrieg «unter
deutscher Herrschaft fast nicht gelitten», konnte sogar der Sprecher der
Sudetendeutschen, Franz Neubauer, so nicht mittragen.
Erst nach langjährigen, zähen und mühevollen Verhandlungen, die
mehrfach am Rande des Abbruchs standen, hatten sich beide Seiten Anfang
dieses Jahres auf die Besetzung des Gremiums verständigt. Dem
Koordinationsrat des Dialogforums gehören je 20 Vertreter aus beiden Ländern
an. Der Rat traf sich erstmals im Juli in Pilsen und kommt im Dezember
wieder in Dresden zusammen. Daneben hat bereits der deutsch-tschechische
Zukunftsfonds seine Arbeit aufgenommen.
Deutsche Spitzenpolitiker lehren Prag
das 1x1 von Menschenrecht und Mitgefühl
haGalil onLine - Freitag, 14. August
1998 |