Die Ausstellung, die am Vorabend des ungarischen
Nationalfeiertags eröffnet wird, ist in mehrfacher Hinsicht
bemerkenswert. Bei dem in Mannheim (Baden-Württemberg) vorbereiteten
Projekt arbeiten zum ersten Mal fünf mitteleuropäische Staaten bei einem
solchen Unternehmen zusammen. Die politischen Beziehungen zwischen den
beteiligten Ländern sind nicht immer spannungsfrei, denkt man
beispielsweise an Tschechien und die Slowakei oder das Verhältnis
zwischen der Slowakei und Ungarn. Bemerkenswert ist auch, daß
Kultureinrichtungen und kulturpolitische Instanzen von vier Staaten, die
in der Nazi-Zeit schwer unter den Deutschen gelitten haben, mit
Deutschland ein Projekt angehen, das die 1000jährige Zugehörigkeit der
mittelosteuropäischen Länder zum lateinisch-abendländischen Kulturkreis
dokumentieren will.
Das Bewußtsein dieser Zugehörigkeit sei bei Polen,
Ungarn, Tschechen und Slowaken nie verloren gegangen, betonen die
Initiatoren der Ausstellung. In Westeuropa hätten die Ereignisse vor
allem des 20.Jahrhunderts dagegen zumindest bis zum Ende der
Ost-West-Spaltung den Blick für diese traditionellen Bindungen
verstellt.
Die Ausstellung, die in Budapest zu Beginn der
ungarischen Millenniums-Feiern eröffnet wird und dann bis 2002 auch in
Krakau, Berlin, Mannheim und eventuell in Prag gezeigt wird, blickt auf
die erste Jahrtausendwende christlicher Zeitrechnung.
Zwei Vorgänge beleuchten die Hinwendung der
Westslawen und Ungarn, die damals im Gebiet der heutigen Staaten Polen,
Ungarn, Tschechien und Slowakei lebten, zum lateinisch-christlich
geprägten Europa: Im Jahr 1000 traf der damals 20jährige Kaiser Otto
III. Polens Fürsten Boleslaw Chrobry am Grab des 997 von Heiden
erschlagenen Missionsbischofs Adalbert in Gnesen. Dabei stimmte er der
Einrichtung einer selbständigen polnischen Kirchenprovinz zu. Wohl im
selben Jahr wurde in Ungarn Stephan I. (der Heilige) zum König gekrönt -
wahrscheinlich mit einer von dem mit Otto III. eng verbundenen Papst
Sylvester II. verliehenen Krone. In dieser Zeit formieren sich die
Staaten und Völkergemeinschaften der Westslawen und Ungarn, entfalten
ihre Rolle als Mittler zwischen dem Westen und dem Osten. Die
Ausstellung will zur Jahrtausendwende auf das gemeinsame Erbe der
europäischen Völker zwischen den Jahren 1000 und 2000 weisen.
Projektveranstalter sind das Deutsche Historische
Museum in Berlin und das Präsidium der Deutschen Verbände für
Altertumsforschung. Der Generaldirektor des Museums, Christoph Stölzl,
und der Geschäftsführer der Deutschen Verbände für Altertumsforschung
und stellvertretende Leiter des Reiss-Museums in Mannheim, Alfried
Wieczorek, leiten das Vorhaben. Sie werden von Repräsentanten großer
Kultureinrichtungen der fünf Länder unterstützt und arbeiten mit
Regierungsstellen zusammen. Ein Wissenschaftlerstab in Mannheim arbeitet
an der Organisation. Finanziert wird das millionenschwere Projekt im
wesentlichen vom Außenministerium in Bonn, dem Deutschen Historischen
Museum in Berlin und der Kulturstiftung der Länder. Die Kosten vor Ort
tragen die jeweiligen Länder, berichtet Wieczorek.
Die Idee zur Ausstellung hatte Alfried Wieczorek.
Das Projekt sei ein «alter Traum» von ihm gewesen, sagt er. Die
Ausstellung folgt der Präsentation «Die Franken - Wegbereiter Europas»,
die das Reiss- Museum 1996/97 gezeigt hatte. Sie will mit Exponaten aus
Kirchenschätzen, Museen und Archiven die Akteure um das Jahr 1000, die
Zentren der Macht, die Lebensgrundlagen der Menschen und die politischen
Ereignisse Revue passieren lassen. Zum Schluß soll ein weiter Bogen bis
zur Erweiterung der Europäischen Union geschlagen werden. Wieczorek hat
auch ein nächstes Projekt im Auge: Eine internationale Ausstellung über
die Zeit der Kreuzfahrer.