Bundesrepublik Deutschland
Samstag, 1. November 1997
Bubis wirft Kohl "Panikmache" und "Schüren von Vorurteilen" vor
Hamburg (dpa/eu) - Der Vorsitzende des Zentralrates der
Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hat Bundeskanzler Helmut Kohl wegen
seiner Äußerungen zur doppelten Staatsbürgerschaft kritisiert. In einem
Beitrag für die Zeitung "Bild am Sonntag" schrieb Bubis: "Wer diese
vorübergehende doppelte Staatsbürgerschaft für hier geborene Jugendliche bis
zum 18. Lebensjahr rundweg ablehnt und vor einem Zustrom mehrerer Millionen
Türken warnt, muß sich Panikmache und das unnötige Schüren von Vorurteilen
vorhalten lassen." Wer jungen Menschen die Chance zur Integration in
Deutschland verwehre und gleichzeitig vor zuviel Ausländern warne, wirke
einfach unglaubwürdig, betonte Bubis.
Zugleich beklagte der Zentralratsvorsitzende, daß der
Bundestag noch immer keine Entscheidung getroffen habe. "Wenn nicht
schnell entschieden wird, bleibt das Thema im Wahljahr ganz liegen, und
es dauert gut drei Jahre, bis ein neues Gesetz verabschiedet wird."
Diese Situation sei um so unverständlicher, als eine Mehrheit im
Bundestag für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts ganz
offensichtlich vorhanden sei. Bubis plädierte dafür, die Abgeordneten
nur nach ihrem Gewissen abstimmen zu lassen. Kohl hatte sich am
vergangenen Wochenende auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in
Magdeburg gegen eine auch von weiten Teilen der CDU geforderte doppelte
Staatsbürgerschaft für in Deutschland lebende Ausländerkinder
ausgesprochen. Wer dies wolle, müsse wissen, was am Ende des Weges
stehe. Statt drei Millionen würden dann vier bis sechs Millionen Türken
nach Deutschland kommen, hatte der Kanzlerprophezeit.
Quelle:
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