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Neue Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin:
"Selbstbildnisse der 20er Jahre. Die Sammlung
Feldberg"2. April bis
13. Juni 2004
Galerie im Libeskind-Bau, EG
Siegbert Feldberg, 1899 geboren, trat Anfang der 20er Jahre in das
Stettiner Familienunternehmen ein, eine florierende Firma für
Herrenkonfektion. Da diese in Berlin eine Verkaufsfiliale hatte, war er oft
in der Hauptstadt tätig. Hier machte Feldberg, der kulturell vielseitig
interessiert war, auch die Bekanntschaft von Künstlern. Um 1923, als das
Geld immer mehr an Wert verlor und die Inflation die Preise ins Aberwitzige
trieb, war der junge jüdische Unternehmer in der Lage und bereit, Kunst mit
"harter Währung", d.h. mit Anzügen und Mänteln, zu bezahlen.

Hildegard und Siegbert Feldberg 1930, © Berlinische
Galerie
Kunst gegen Kleidung - diese ungewöhnliche Form des Kunsterwerbs behielt
Feldberg auch in den folgenden Jahren bei. Er galt als generöser
Tauschpartner und blieb es auch, als Künstler mit der Weltwirtschaftskrise
erneut in Not gerieten und verstärkt auf Unterstützung angewiesen waren. So
konnte er bis 1933 mehr als 150 Arbeiten auf Papier zusammen tragen,
darunter die Selbstbildnisse von 65 Künstlern und vier Künstlerinnen. Diesen
Selbstdarstellungen, ob als Zeichnung, Aquarell, Pastell oder Druckgrafik,
galt sein besonderes Augenmerk. Sie geben der Sammlung Feldberg Profil und
den Rang des Außergewöhnlichen.
Ein beredtes Bild des Berliner Kunstlebens
| Es sind Selbstbildnisse
sowohl von prominenten als auch von weniger bekannten und in
Vergessenheit geratenen Künstlern. Zu den in den 20er Jahren berühmten
Künstlern zählen Käthe Kollwitz, Max Liebermann und Lesser Ury. Auch die
Expressionisten Erich Heckel und Oskar Kokoschka hatten damals bereits
einen Namen und festen Platz in der deutschen Gegenwartskunst. Die
Mehrzahl der in der Sammlung vertretenen Künstler jedoch gehörten, wie
Feldberg selbst, einer jüngeren Generation an, die durch das Erlebnis
des Ersten Weltkriegs desillusioniert war. Vielen der Selbstporträts
haftet etwas Nachdenkliches und Melancholisches an, aus vielen spricht
eine nüchterne Selbstreflexion und realistische Haltung, die, deutlich
in der Formensprache, eher Anschluss sucht, als dass sie Irritation und
Provokation auslösen will. So unterschiedlich sie im einzelnen auch sein
mögen - die meisten Selbstdarstellungen der Sammlung sind Ausdruck eines
"historischen Kompromisses" zwischen Tradition und Moderne. Sie sprechen
für den gegenwartsorientierten und aufgeschlossenen Kunstgeschmack
Feldbergs, aber auch davon, dass das noch Ungewohnte und für seine Zeit
Gewagte seine Sache nicht war. Zugleich ergibt
sich aus den Selbstporträts ein beredtes Bild vom Berliner Kunstleben
zwischen 1923 und 1933. Bemerkenswert ist, wie viele Künstler die
deutsche Hauptstadt zum Ort ihres Schaffens gewählt hatten. Nur zehn der
Künstler aus der Sammlung Feldberg sind in Berlin geboren. Die anderen
waren aus Königsberg, Danzig, Breslau, Dresden, Köln und Frankfurt
gekommen oder aus Mittel- und Osteuropa (Russland, Litauen, Polen,
Ungarn, Österreich und Rumänien). Auch der hohe jüdische Anteil von mehr
als 20 Künstlern spiegelt die damaligen Berliner Verhältnisse wider. Ein
Drittel der Künstler musste nach 1933 emigrieren. Drei sind in den
Lagern von Dachau, Lodz und Riga umgekommen. |

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, um 1891. Tuschpinsel und
Tuschfeder, 46,5x32,5 cm. Berlinische Galerie
© VG-Bild-Kunst, Bonn 2004

Max Liebermann, Selbstbildnis, 1923. Kreide, weiß gehöht,
29,9x23,4 cm. Berlinische Galerie
© VG-Bild-Kunst, Bonn 2004

Lesser Ury, Selbstbildnis, 1920. Kohle, 64,2x64,8 cm.
Berlinische Galerie |
Aus Deutschland vertrieben
Siegbert Feldberg selbst entschloss sich bald, nachdem die
Nationalsozialisten an die Macht kamen, Deutschland zu verlassen. 1934 ging
er nach Bombay, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Anfang 1939
folgten ihm seine Frau und die beiden Söhne nach Indien. Hildegard Feldberg
konnte bei der Ausreise rund 150 Zeichnungen und Aquarelle mitnehmen. Das
sei "entartete" und mithin wertlose Kunst, erklärte sie denen, die darauf
achteten, dass sie keine Wertsachen außer Landes brachte.
Unbeschadet überstanden die Kunstwerke die langen Jahre der Emigration.
1963 kehrte das Ehepaar Feldberg nach Europa zurück. Sie wollten zunächst
wieder nach Berlin, doch fühlten sie sich hier nicht mehr zu Hause und
ließen sich 1965 schließlich im Schweizer Tessin nieder. Auf einer Reise
nach Berlin, wo sie alljährlich alte Freunde, Theater und Konzerte
besuchten, erlag Siegbert Feldberg 1971 einem Herzanfall.
Eine Sammlung kehrt nach Berlin zurück
In seinen letzten Lebensjahren hatte Siegbert Feldberg mehrfach lockenden
Kaufangeboten für einzelne Blätter seiner Sammlung widerstanden. Er hielt
sie zusammen, weil er hoffte, sie eines Tages geschlossen an ein Berliner
Museum verkaufen zu können. 1976, fünf Jahre nach seinem Tod, erfüllte sich
sein Wunsch: Die Berlinische Galerie konnte die Sammlung mit Mitteln der
Deutschen Klassenlotterie von den Erben erwerben und die Selbstporträts
dorthin zurückholen, wo sie in den Jahren der Weimarer Republik entstanden
waren.
2002 waren die Selbstbildnisse der Sammlung Feldberg in der Hart House
Gallery der Universität von Toronto (Kanada) und im McMullen Museum in
Boston (Massachusetts, USA) zu sehen. Im November 2003 wurden sie im Käthe
Kollwitz Museum Köln gezeigt (bis 21. Januar 2004). Jetzt ist die
Berlinische Galerie mit der Sammlung Feldberg zu Gast im Jüdischen Museum
Berlin.
Ein Katalog zur Ausstellung ist im Jüdischen Museum Berlin und der
Berlinischen Galerie erhältlich: "Selbstbildnisse der 20er Jahre. Die
Sammlung Feldberg" Graphische Sammlung der Berlinischen Galerie (Hg.)
Neuauflage Berlin 2004, 168 Seiten, mit 57 farbigen Abbildungen 15 Euro
hagalil.com
31-03-2004 |