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Der Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge, der Gerhard Schröder zu der Parole
vom "Aufstand der Anständigen" inspirierte, scheint nicht auf das Konto
neonazistischer Gewalttäter zu gehen. Er wurde offenbar von arabischen
Unterstützern der palästinensischen Mobilmachung gegen Israel verübt. Wurde die
Gefahr des Rechtsextremismus am Ende doch überschätzt?
Weit gefehlt. Die antijüdischen
Ausschreitungen in deutschen Städten im Zusammenhang mit den
pro-palästinensischen Solidaritätsdemonstrationen vom Herbst des vergangenen
Jahres werfen ein Schlaglicht auf eine brisante, bisher viel zu wenig
wahrgenommene Liaison. Verfassungsschützer warnen vor dem immer engeren
Zusammenwirken von deutschen Rechtsradikalen und islamistischen Extremisten.
Die liberale Weltverschwörung
Die Basis für diese unheimliche Koalition
bildet ein verschwörungstheoretischer Antisemitismus, der in den Juden die
Drahtzieher einer völkermörderischen Weltherrschaft und in Amerika deren
willigen Vollstrecker sieht. Der Universalismus des Judentums ist dabei das
Synonym für alle vermeintlichen Zersetzungskräfte der liberalen Moderne. Für
diese Thesen haben die deutschen Neonazis inzwischen einen eloquenten
Propagandisten gefunden - einen alten Bekannten auf dem Gebiet entfesselter
politischer Paranoia: Horst Mahler, einst Apo -Anwalt und später Mitbegründer
der so genannten Roten Armee Fraktion, der sich jetzt als Chefideologe des
radikalsten Flügels der NPD zu profilieren versucht.
In einer Fernsehdokumentation erklärte
Mahler kürzlich seelenruhig, die "jüdische" amerikanische Ostküste und Israel
bildeten heute die Herrschaftszentren der Welt. Das deutsche und das
palästinensische Volk seien die bevorzugten Opfer der völkervernichtenden
Machenschaften dieser geheimen Weltregierung. Daraus ergebe sich der notwendige
Schulterschluss zwischen deutschem und palästinensischem nationalen Widerstand
ganz von selbst. Auf NPD-Versammlungen putscht Mahler sein vor Begeisterung
johlendes Publikum mit Zitaten aus dem Alten Testament auf, aus denen
hervorgehen soll, G'tt selbst habe seinem auserwählten Volk befohlen, zur
Durchsetzung seiner Weltherrschaft fremde Völker auszurotten.
Dieses giftige Gebräu aus religiösem und
politischem Antisemitismus ist im Kern nichts Neues. Es handelt sich um einen
Neuaufguss judenfeindlicher Propaganda, deren Grundzüge schon in den
notorischen, an der Wende zum vergangenen Jahrhundert entstandenen, "Protokollen
der Weisen von Zion" niedergelegt wurden - einer perfiden Hetzschrift, die heute
sowohl in rechtsradikalen als auch in islamistisch-fundamentalistischen Kreisen
wieder hoch gehandelt wird. Auch die Verbindung zwischen deutschen und
palästinensischen Judenfeinden kann eine lange Tradition vorweisen: So war der
Großmufti von Palästina einst mit Adolf Hitler verbündet. Nicht einmal der
Judenhass Horst Mahlers ist im Grunde neu. Als linksradikaler Terrorist wurde er
einst in Ausbildungslagern der palästinensischen Befreiungsfront für den
weltrevolutionären Einsatz im "antiimperialistischen Kampf" ausgebildet. Damals
firmierte sein Feldzug gegen Israel freilich noch unter dem Label des
revolutionären "Antizionismus", den deutsche Linke feinsinnig vom ordinären
rechten Antisemitismus zu unterscheiden wussten.
Mag man Mahler auch schlicht für einen
pathologischen Fall halten: Sein Übertritt in die rechtsextremistische Szene
markiert eine Art Intellektualisierung des deutschen Neonazismus. Mahler brüllt
und plärrt nicht, er gibt im Unterschied zu seiner neuen Klientel keine bloßen
rassistischen Affektlaute von sich. Ins rechte Lager bringt er jenen hybriden,
objektivistischen Tonfall pseudoanalytischer Überlegenheit ein, der für die
ideologischen Wortführer der Achtundsechziger-Bewegung charakteristisch war. Die
wähnten die Gesetzmäßigkeit der historischen Dialektik auf ihrer Seite. Mahler,
der ihren selbstgewissen Sound noch drauf hat, gießt jetzt die dumpfen
Hassreflexe der äußersten Rechten in die geschliffene Form geschichts- und
religionsphilosophischer Theoriesprache. Damit steht er nicht ganz allein.
Zusammen mit zwei ehemaligen Funktionären des Sozialistischen Deutschen
Studentenbundes verfasste er vor Jahresfrist eine "Kanonische Erklärung" über
die wahre Bedeutung der Revolte von 1968. Der SDS erscheint hier als Avantgarde
einer "nationalen Erhebung" gegen die Überfremdung der deutschen Nation durch
die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Die Erben dieses "nationalen
Befreiungskampfes" der linken Studenten seien heute die rechten
Nationalrevolutionäre.
Rechts, wo der Anwalt steht
Die gewalttätige Energie, die in diesem
ressentimentgeladenen Links-Rechts-Mutantentum steckt, darf nicht unterschätzt
werden. Was das Phänomen Mahler besonders unheimlich macht, ist der biografische
Wiederholungszwang, der sich in seinen jüngsten Umtrieben offenbart. Mahler
macht alles nochmal wie damals: Der anfänglichen passive Sympathie mit der Apo
als einer angeblich ausgegrenzten und diffamierten politischen Minderheit, der
er seinen rechtsanwaltlichen Beistand zur Verfügung stellte, folgte die
Identifikation mit den ideologischen Zielen des Linksradikalismus. Die
Überzeugung, den Fürsprechern der Ausgebeuteten und Unterdrückten könne auf
rechtsstaatlichem Wege keine Gerechtigkeit zu Teil werden, führte dann zu seinem
Abgleiten in den Terrorismus. Heute befindet sich Mahler, der nach überstandener
Haft seinen alten Beruf als Rechtsanwalt wieder aufgenommen hat und die NPD im
bevorstehenden Verbotsverfahren verteidigen will, erneut auf Stufe zwei dieser
Eskalationslogik - nunmehr rechtsherum gedreht. Bliebe er weiterhin konsequent,
müsste er nach erfolgtem NPD-Verbot zum Gründer einer "Braunen Armee Fraktion"
avancieren.
SZ vom
03.01.2001 Feuilleton
haGalil onLine
04-02-2001
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