Tausend feine Risse

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Der Forschungsbericht zum Projekt ‚Judentum‘ in der deutschen Alltagspresse des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung liegt vor

Warum empfinden Jüdinnen und Juden noch immer gesellschaftliche Ausgrenzung, obwohl der ‚Kampf gegen Antisemitismus‘ seit Jahrzehnten geführt wird?

Bedeutsame Antworten gibt nun eine Mediendiskursanalyse des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, die im Rahmen des Programms der Bundesregierung Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus durchgeführt wurde.

Unter dem Titel Judentum in der deutschen Alltagspresse wurden ca. 400 Medientexte untersucht, die zwischen Januar und März 2021, u.a. im Zusammenhang der Eröffnung des Festjahrs ‚1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland‘, erschienen.

Der jetzt veröffentlichte Forschungsbericht kommt zum zunächst zum Ergebnis, dass sich in den Texten aus über 120 unterschiedlichen Medien praktisch keine frontal antisemitischen Zuschreibungen finden. Überraschend ist auch, dass nahezu ein Drittel des Mediendiskurses über Judentum der Berichterstattung der jüdischen Religionspraxis gewidmet ist.

Dieses vermeintlich positive Bild verändert sich aber fast ins Gegenteil, wenn man einen anderen Aspekt abfragt. Danach billigt die mediale Berichterstattung dem Judentum nur in verschwindendem Maß (in 4%) eine ethische Dimension zu. Und selbst diese Nennungen gehen allein auf jüdische SprecherInnen zurück.

Daraus folgt, dass sich im aktuellen Mediendiskurs die Jahrhunderte währende Diskreditierung der Ethik des Judentums noch immer bemerkbar macht, nun allerdings als Raum der ‚Nicht-Sagbarkeit‘.

Auf über 200 Seiten zeichnet der Bericht zusätzlich in großer Vielfalt nach, wie sich dieser Grundzug der Medienberichterstattung im Detail ‚in tausend feinen Rissen‘ von rhetorischen Wendungen, Auslassungen oder Formeln niederschlägt.

Zum Forschungsbericht