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Vor dem Nahost-Gipfel
„Mussten wir unsere Blöße in der Öffentlichkeit zeigen, so dass unsere Wirklichkeit die Jungfräulichkeit verlor? Oh, wie belogen wir uns selber, als wir behaupteten, etwas Besonderes zu sein? Es ist schlimmer, an Dich selbst zu glauben, als den Nächsten zu belügen.“ Der palästinensische Nationaldichter Mahmoud Darwisch machte in der Londoner Zeitung Al Hayat aus seinem Herzen keine Löwengrube. Nicht die frommen Zeloten (der Hamas) bestürzen ihn, sondern deren weltliche Gefolgsleute und Ketzer, die nur eine Religion befolgen: Fernsehbilder...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 24. Juni 2007
Für Darwisch, und nicht nur für ihn, liegt die Idee eines palästinensischen Staates in Trümmern. Vor vierzig Jahren wurde die palästinensische Nationalbewegung gegründet. Nach der arabischen Niederlage beim Sechs-Tage-Krieg von 1967 konnte sie sich unter Jassir Arafat in den von Israel eroberten Gebieten ohne Rücksicht auf die „arabischen Brüder“ in Jordanien oder Ägypten entfalten. Heute ist das palästinensische Volk gespalten. Präsident Abbas hält einen Dialog mit den „Terroristen“ der Hamas für undenkbar und bezichtigt sie eines von Iran gelenkten Putsches. Auch Ägyptens Präsident Hosni Mubarak redet über die neuen Herrscher im Gazastreifen mit Worten, die besser zu Israels Scharfmacher Ariel Scharon gepasst hätten. Ägypten vermittelte zwischen Fatah und Hamas. Jetzt hat es alle Kontakte in Gaza abgebrochen. Seine Diplomaten und Geheimdienstleute sitzen nun in Ramallah, der Hochburg des Präsidenten Abbas.
Der Eifer der Europäer, Abbas mit Millionen Euros zu überschütten, der Israelis, 600 Millionen Dollar zurückbehaltene palästinensische Steuergelder in Raten auszuzahlen und die unverhohlene Freude in Washington, die Vision eines palästinensischen Staates umgehend zu verwirklichen, sind eher Ausdruck allgemeiner Ratlosigkeit. Kann der Gazastreifen ausgespart werden? Kann ein Staat bestand haben, während die Fatah-Brigaden genauso brutal gegen Hamas-Nester im Westjordanland vorgehen, wie es zuvor die knapp 5000 Kämpfer der Hamas gegen ihre 40.000 „Brüder“ der Fatah in Gaza getan haben?
Ägypten, Jordanien und Abbas haben eine panische Angst vor den „Schiiten“, wie die von Iran mit einer Milliarde Dollar und besten Waffen ausgestatte Hamas in Gaza geschimpft wird. Israel will keinen Zweifrontenkrieg gegen Stellvertreter Irans führen, Hisbollah im Libanon und Hamas in Gaza. Ägypten und Jordanien fürchten ein Überschwappen islamistischer Energien in ihre Länder. Abbas, demokratisch bei den Parlamentswahlen geschlagen und militärisch durch den Staatsstreich in Gaza, will überleben. Dazu benötigt er Millionen Runden Munition, 60 Panzerwagen russischer Bauart aus Ägypten und viel Geld für die Gehälter seiner Gefolgsleute. Für Israel bleibt allein Abbas als palästinensischer Gesprächspartner, da Hamas Anerkennung und politischen Dialog mit Israel verweigert. Israel, EU, USA, neuerdings auch Ägypten und die palästinensische Autonomiebehörde haben die Hamas zur „Terrororganisation“ erklärt.
Israel hofft auf Vertragstreue des Abbas und auf eine Zerschlagung der „terroristischen Infrastruktur“ im Westjordanland, wie es das Nahostquartett in seiner „Straßenkarte zum Frieden“ fordert. Israel könne der Forderung nach Panzerwagen, schweren Waffen und Munition für Abbas durchaus zustimmen. „Und falls diese Panzerwagen gegen uns gerichtet werden, könnten Kampfhubschrauber sie innerhalb weniger Stunden mit Leichtigkeit ausschalten“, kommentierte der ehemalige israelische Geheimdienstchef im Gazastreifen, Schalom Harari.
Der geplante „Friedensgipfel“ in Scharm A-Scheich mit vier im gleichen Boot sitzenden Opfern des Aufstands der „demokratisch gewählten“ Hamas, soll eine gemeinschaftliche Strategie erbringen. Israel verlangt von Ägypten, die Schmugglertunnels zwischen Gaza und Sinai zu schließen. Durch sie flossen jene Waffen und Munition, mit der Hamas die Fatah so schnell besiegte. Als Israel noch die Grenzzone, die „Philadelfi-Achse“ kontrollierte, kostete eine Kalaschnikow-Patrone in Gaza über vier Dollar. Heute ist sie zum Schleuderpreis von nur 32 Cent zu bekommen. Dabei steht fest, dass die Fatah mangels Motivation gar nicht kämpfte, obgleich sie über Waffen und Munition verfügte, die jetzt in die Hände der Hamas gefallen sind. Ministerpräsident Olmert will Abbas anbieten, im Westjordanland fast alle Straßensperren abzubauen, das Militär aus den Städten abziehen und auf Razzien gegen Terrorverdächtige verzichten. Doch Israels Sicherheitsdienste trauen nicht dem Gesinnungswandel des Präsidenten Abbas und wollen sich nicht die Hände binden lassen bei ihrem Kampf gegen den Terror. Die palästinensische Erwartung, jetzt erst recht einen endgültigen Friedensvertrag auszuhandeln, wie es US-Außenministerin Condoleezza Rice gefordert hat, um den Palästinensern einen „politischen Horizont“ zu bieten, hatte Olmert schon bei seinem Besuch in Washington verworfen.
Manche Israelis glauben nicht, dass der seit Jahren so schwache und unschlüssige Abbas zu einem „starken Mann“ geworden sei, der plötzlich liefert, was er verspricht.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Posted 06/25/07 by:
admin
Comments
Wie war doch gleich die Bilanz der Getöteten auf Fatah-Seite? Nur 14 Fatah-Kämpfer sind während der seitens der Hamas geführten Eroberungskämpfe um die Zentrale des palästinensischen Geheimdienstes in Gaza getötet worden?
Um das wohl wichtigste Informationszentrum des Arafat-Nachfolgers Abu Mazen, die für seine politische wie militärische Überlebensfähigkeit elementare Bedeutung besaß?
Bei der militärischen Übermacht der Fatah und der Tatsache, dass das Gefecht um diese ominöse Geheimdienstzentrale mehrere Stunden gedauert hat, es jedem der sich mit dieser Materie „ein wenig“ auskennt, einleuchten muß, dass es der Fatah während dieser Stunden ohne weiteres möglich gewesen wäre, das „gesamte Geheimdienstarchiv„ (das ganz ohne Zweifel auf gesicherten Datenträger außer Reichweite der Hamas bereits lange im Vorfeld evakuiert worden ist) zu vernichten um der Hamas nicht in „vollständigem Umfang“ in die Hände zu fallen.
Also, was ist da wirklich passiert und ist diese „Übernahme“ nicht doch eine abgekartete Sache, die ein paar getötete und hingerichtete Fatah-Kämpfer mit ihrem Leben bezahlten mussten.
Vergessen wir nicht, dass es nun für die Chefs des des iranischen Auslandsgeheimdienst (Vezarate Ettelaat Va Amniate Keshwar) wie des syrischen Militär-Geheimdienstes (Shu’batal-Mukhabarat al-Aska-Riya) ein leichtes ist, die von Abbas an Haniyeh hinterlassenen Geheimdienstinformationen gegen Israel und jeden anderen sunnitisch dominierten Staat in der Region zu verwenden, da auch ein Mahmud Abbas sich eine vollständige Annäherung, ja endgültige und bahnbrechende, separate Friedensinitiative mit Israel nicht leisten kann, da ansonsten eine Wiederholung eintreten könnte wie die am 6. Oktober 1981, als Ägyptens Regierungschef Mohammed Anwar as-Sadat während einer Militärparade in Kairo von einem islamistischen Soldaten erschossen/hingerichtet worden ist, da auch in seinem Fall für einen dauerhaften Friedenspakt mit Israel, aus palästinensischer Sicht, die Zeit noch lange nicht reif dafür ist.
Dem Arafat-Nachfolger - Abu Mazen, der sich wie alle arabischen Anführer ebenfalls als einen Ausführender einer göttlichen Mission sieht, zu Zeiten seiner Regierungszeit in Gaza- wie auch augenblicklich der realistische Ansatz in den Harmonisierungsbestrebungen der Beziehungen zwischen „seinem Staat“ und der palästinensischen Gesellschaft fehlte und fehlt, die neben politischer Stabilität, Glaubwürdigkeit wie Handlungsfähigkeit vor allem materielle, wie wissenschaftliche und bildungstechnische Bedürfnisse zu berücksichtigen hatte und hat. Die Probleme waren und sind bis heute immer dieselben: steigende Preise, fallende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit, zerbröckelnde Sozial und Gesundheitssysteme und damit steigende Armut und Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Es scheint nur so, als ob Abu Mazen den innenpolitischen Machtkampf gegen Haniyeh aufgrund seiner „Schwäche“ für Israel verloren hat und die Hamas nur in Lauerstellung warten mußte um einen günstigen Moment zur Machtübernahme abzupassen.
Wer jedoch an diese „Schwäche“ für Israel glaubt, dessen Naivität sich mit der Tatsache vertraut machen sollte, dass es für alle Palästinenser, so auch für Abu Mazen, um die Schaffung und Bewahrung einer nationalen Identität geht, ja Reklamierung historischer Rechte, verknüpft mit der gleichzeitigen an Israel gestellten Forderung des vollständigen Rückzugs der israelischen Truppen aus den 1967 besetzten Gebieten, ja um schlussendlich Rache für die Besetzung „Palästinas“ an Israel zu nehmen sowie ein definitives Ende der israelischen Siedlungspolitik militärisch durch zu setzen, wie der wichtigsten arabischen Forderung nach einer zu 100% arabischen Hauptstadt in Palästina – Jerusalem!
Zudem jemanden vertrauen, der mit „gravierenden Menschenrechtsverletzungen“ im Westjordanland seinen eigenen Leuten gegenüber politische Macht festigt (exakt wie in der Anfangsphase von Yasir Arafat), heißt mit Mitteln der Einschüchterung und ständiger Überwachung durch militante, potentielle Selbstmordattentäter, gewaltsamen Übergriffen und Eingriffen in die Privatsphäre, geduldete Frauenentrechtungen und Frauenvergewaltigungen, Verhören und willkürlichen Verhaftungen und Verurteilungen und das alles ohne die geringste Aussicht auf Gewährung eines wie auch immer gestalteten, effektiven staatlichen Schutzes, unmöglich scheint und keine echte menschenwürdige, friedensschaffende und friedenserhaltende Zukunft in der Region verspricht.
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Um das wohl wichtigste Informationszentrum des Arafat-Nachfolgers Abu Mazen, die für seine politische wie militärische Überlebensfähigkeit elementare Bedeutung besaß?
Bei der militärischen Übermacht der Fatah und der Tatsache, dass das Gefecht um diese ominöse Geheimdienstzentrale mehrere Stunden gedauert hat, es jedem der sich mit dieser Materie „ein wenig“ auskennt, einleuchten muß, dass es der Fatah während dieser Stunden ohne weiteres möglich gewesen wäre, das „gesamte Geheimdienstarchiv„ (das ganz ohne Zweifel auf gesicherten Datenträger außer Reichweite der Hamas bereits lange im Vorfeld evakuiert worden ist) zu vernichten um der Hamas nicht in „vollständigem Umfang“ in die Hände zu fallen.
Also, was ist da wirklich passiert und ist diese „Übernahme“ nicht doch eine abgekartete Sache, die ein paar getötete und hingerichtete Fatah-Kämpfer mit ihrem Leben bezahlten mussten.
Vergessen wir nicht, dass es nun für die Chefs des des iranischen Auslandsgeheimdienst (Vezarate Ettelaat Va Amniate Keshwar) wie des syrischen Militär-Geheimdienstes (Shu’batal-Mukhabarat al-Aska-Riya) ein leichtes ist, die von Abbas an Haniyeh hinterlassenen Geheimdienstinformationen gegen Israel und jeden anderen sunnitisch dominierten Staat in der Region zu verwenden, da auch ein Mahmud Abbas sich eine vollständige Annäherung, ja endgültige und bahnbrechende, separate Friedensinitiative mit Israel nicht leisten kann, da ansonsten eine Wiederholung eintreten könnte wie die am 6. Oktober 1981, als Ägyptens Regierungschef Mohammed Anwar as-Sadat während einer Militärparade in Kairo von einem islamistischen Soldaten erschossen/hingerichtet worden ist, da auch in seinem Fall für einen dauerhaften Friedenspakt mit Israel, aus palästinensischer Sicht, die Zeit noch lange nicht reif dafür ist.
Dem Arafat-Nachfolger - Abu Mazen, der sich wie alle arabischen Anführer ebenfalls als einen Ausführender einer göttlichen Mission sieht, zu Zeiten seiner Regierungszeit in Gaza- wie auch augenblicklich der realistische Ansatz in den Harmonisierungsbestrebungen der Beziehungen zwischen „seinem Staat“ und der palästinensischen Gesellschaft fehlte und fehlt, die neben politischer Stabilität, Glaubwürdigkeit wie Handlungsfähigkeit vor allem materielle, wie wissenschaftliche und bildungstechnische Bedürfnisse zu berücksichtigen hatte und hat. Die Probleme waren und sind bis heute immer dieselben: steigende Preise, fallende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit, zerbröckelnde Sozial und Gesundheitssysteme und damit steigende Armut und Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Es scheint nur so, als ob Abu Mazen den innenpolitischen Machtkampf gegen Haniyeh aufgrund seiner „Schwäche“ für Israel verloren hat und die Hamas nur in Lauerstellung warten mußte um einen günstigen Moment zur Machtübernahme abzupassen.
Wer jedoch an diese „Schwäche“ für Israel glaubt, dessen Naivität sich mit der Tatsache vertraut machen sollte, dass es für alle Palästinenser, so auch für Abu Mazen, um die Schaffung und Bewahrung einer nationalen Identität geht, ja Reklamierung historischer Rechte, verknüpft mit der gleichzeitigen an Israel gestellten Forderung des vollständigen Rückzugs der israelischen Truppen aus den 1967 besetzten Gebieten, ja um schlussendlich Rache für die Besetzung „Palästinas“ an Israel zu nehmen sowie ein definitives Ende der israelischen Siedlungspolitik militärisch durch zu setzen, wie der wichtigsten arabischen Forderung nach einer zu 100% arabischen Hauptstadt in Palästina – Jerusalem!
Zudem jemanden vertrauen, der mit „gravierenden Menschenrechtsverletzungen“ im Westjordanland seinen eigenen Leuten gegenüber politische Macht festigt (exakt wie in der Anfangsphase von Yasir Arafat), heißt mit Mitteln der Einschüchterung und ständiger Überwachung durch militante, potentielle Selbstmordattentäter, gewaltsamen Übergriffen und Eingriffen in die Privatsphäre, geduldete Frauenentrechtungen und Frauenvergewaltigungen, Verhören und willkürlichen Verhaftungen und Verurteilungen und das alles ohne die geringste Aussicht auf Gewährung eines wie auch immer gestalteten, effektiven staatlichen Schutzes, unmöglich scheint und keine echte menschenwürdige, friedensschaffende und friedenserhaltende Zukunft in der Region verspricht.