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Abbas will (fast) alle Milizen auflösen

Der palästinensische Sicherheitsrat tagte am Donnerstag in Klausur in der Mukata, dem Präsidentenhauptquartier in Ramallah. Journalisten wurden auf Distanz gehalten. Doch aus dem Tagungsraum drang, dass Abbas nun das seit Jahren beschlossene Prinzip „ein Gesetz, eine Regierung, ein Gewehr“ umsetzen wolle: eine Auflösung aller selbstständigen Milizen...

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 21. Juni 2007

Zunächst hieß es, dass auch die El-Aksa-Märtyrer-Brigaden der Fatah betroffen seien. Doch Sicherheitsberater Muhamad Dahlan korrigierte eilig. Dahlan war einst Arafats „starker Mann“ im Gazastreifen und ist heute der von Hamas meistgehasste Fatah-Vertreter und wohl Jener, der das Debakel des schnellen Zusammenbruchs der offiziellen Streitkräfte im Gazastreifen zu verantworten hat. Einem israelischen Rundfunkreporter sagt er ins Mikrophon: „Die El Aksa Brigaden sind nicht Teil des Spiels. Sie haben keinen Aufstand gegen die Regierung verübt. Deshalb gibt es keinen Grund, auch sie aufzulösen.“ Nach dem Muster der Vorgänge im Gazastreifen üben sich diese „Brigaden“ jetzt in der „Säuberung“ des Westjordanlandes von „Widerstandsnestern“ der Hamas. Über 400 „Zwischenfälle“ wurden gemeldet, wo diese maskierten Kämpfer der Fatah nun plündern, verbrennen und zerstören, was zur Hamas gehört: Koranschulen, Läden, Büros und Privathäuser. Sie tun also, was Abbas will, ohne dass der sich die Finger beschmutzen muss.

Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Osloer Verträge, der Rückkehr Jassir Arafats aus dem Exil und der Einrichtung einer autonomen palästinensischen Selbstverwaltung mitsamt bewaffneten Polizei- und Sicherheitskräften, sprossen in den von Israel geräumten Gebieten „Privatmilizen“ mit angsteinflößenden Namen. Diese „militärischen Arme“ der politischen Parteien wurden als „unabhängig“ oder „unkontrolliert“ dargestellt, um Israel keinen Vorwand zu liefern, deren Drahtzieher und politische Führung des Vertragsbruchs zu bezichtigen.

So schmuggelte Arafat am Tag seiner Ankunft in seiner gepanzerten Mercedes-Limousine von Ägypten nach Gaza gesuchte Terroristen im Kofferraum und auf dem Rücksitz liegend. Wenig später gab es die ersten israelischen Toten infolge von Attentaten. Arafat verweigerte die Übernahme jeder Verantwortung. Als die Israelis im April 2002 die Mukata in Ramallah stürmten und das Staatsarchiv aus dem Keller holten, zerschlug sich der Mythos von Arafats Unschuld. Die Israelis entdeckten Rechnungen bekannter „Freiheitskämpfer“ für Waffen und Sprengstoffjacken mitsamt Arafats Unterschrift. So konnten tödliche Anschläge bis Arafats zurückverfolgt werden.

Alle Versuche des Westens, der amerikanischen Vermittler und des Nahostquartetts, Arafat und später Präsident Mahmoud Abbas zu drängen, diesem Chaos mit unabhängig agierenden Milizen ein Ende zu setzen, scheiterte. Der Verzicht der palästinensischen Präsidenten auf volle Machtentfaltung ist der Grund für den schnellen Putsch der Hamaspartei mit ihrem „militärischen Arm“ gegen die Fatah im Gazastreifen. Nicht die israelische Besatzung, die lasche Politik des Westens oder amerikanisches Nichtstun sind die Ursache für den Erfolg der von Iran finanzierten, trainierten und mit Waffen ausgestatteten Hamaskämpfer.

Der Beschluss des Präsidenten Abbas, einem Putsch im Westjordanland zuvorzukommen, indem er lediglich Hamaskämpfer entwaffnet, bedeutet erneut Verzicht auf das staatliche Machtmonopol. Europa, die Amerikaner und im Gefolge auch Israel sind so begeistert vom Verschwinden der „Terror-Organisation“ Hamas aus dem Kabinett in Ramallah, dass wieder Gelder im Überfluss fließen, um dem „gemäßigten“ Abbas unter die Arme zu greifen. Schon hieß es, dass die palästinensische „Bader-Division“ von Jordanien in das israelisch okkupierte Westjordanland geschickt werden könnte, dass die Amerikaner mit israelischer Genehmigung Waffen und Training für Fatah-Kämpfer liefern.

Im Gazastreifen fielen Unmengen Waffen der Fatah in die Hände der Hamas. „Palästina“ hat sich in zwei Länder und zwei Regierungen gespalten. Abbas überlässt unkontrollierbaren „Märtyrer-Brigaden“ weiterhin ein Vetorecht gegen jeden „Friedens“-Vertrag. Denn je nach Gusto oder Gunst der Stunde können Befehlshaber dieser Brigaden erneut Selbstmordattentäter nach Israel schicken, wie sie es neben der Hamas seit Ausbruch der Intifada getan haben. Im schlimmsten Fall könnten sie auch gegen die Regierung in Ramallah putschen, falls ihnen die Abmachungen zwischen Olmert und Abbas nicht gefallen.

Spätestens am 12. Juni vor einem Jahr sollte die Welt erkannt haben, welche Gefahr von derartigen Milizen ausgeht. Die libanesische Hisbollah hatte die Regierung in Beirut nicht gefragt, ob sie durch die Entführung von zwei israelischen Soldaten einen Krieg provozieren dürfe, der den ganzen Libanon in Mitleidenschaft zog. Gleiches passiert seit Jahren in den Palästinensergebieten. Angeblich von Arafat oder Abbas nicht gebilligte Attacken auf Israel mit Selbstmordattentätern oder Kassamraketen haben einen Einmarsch Israels im Westjordanland im April 2002 provoziert sowie fast täglichen Panzerbeschuss und Luftangriffe im Gazastreifen.

Und ausgerechnet jetzt, wo Hamas in Gaza herrscht und sich nur noch das „halbe Volk“ den Weisungen aus Ramallah fügt, sieht Abbas-Berater Saeb Erekat die Gunst der Stunde gekommen, ganz schnell einen Friedensvertrag mit Israel und die Errichtung eines palästinensischen Staates abzuschließen.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Posted 06/22/07 by: admin

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