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Geschichte einer Trennung
Die Separation, die sich zurzeit zwischen Gaza-Streifen und dem Westjordanland vollzieht, hat schon lange vor den blutigen Ereignissen dieser Woche begonnen, im Zuge derer die Hamas die Macht in Gaza übernommen hat und dort ein eigenes Regime zu errichten droht...
Von Danny Rubinstein
Bereits im September 1948, gegen Ende des Unabhängigkeitskrieges des Staates Israel, unterstützte die ägyptische Regierung den Mufti von Jerusalem, Haji Amin al-Husseini, dabei, eine palästinensische Regierung in Gaza zu installieren – eine „Regierung für ganz Palästina“. An ihre Spitze stellte man Ahmad Hilmi Pasha, einen Parteigänger der Husseinis, den Gegnern des Hashemiten-Regimes unter König Abdallah in Jordanien. Die ägyptische Regierung vollzog diesen Schritt, um die Bemühungen Abdallahs in Bezug auf eine Annexion des Westjordanlandes zu sabotieren. Abdallah reagierte mit einer Reihe von Konferenzen im Westjordanland. Auf der größten von diesen, in Jericho im Dezember 1948, plädierten die Teilnehmer an Abdallah, Palästina zu retten und das Westjordanland seinem Königreich einzuverleiben.
Die 19 Jahre (1948-1967), während derer Jordanien im Westjordanland herrschte und Ägypten im Gaza-Streifen, vertieften die Kluft zwischen den beiden Regionen. Die Flüchtlinge, die 1948 in das Westjordanland kamen, zogen größtenteils ans Ostufer des Jordans, ein Teil wanderte bis in die Staaten am Persischen Golf. Der Gaza-Streifen hingegen verwandelte sich in ein einziges großes Flüchtlingslager, aus dem nur wenige wieder herauskamen. Wie damals, so stellen auch heute die Nachkommen der Flüchtlingsfamilien über 60 Prozent der Bevölkerung Gazas. Die Einwohner Gazas wurden ärmer als die des Westjordanlandes, die Jugendlichen gingen zum Studieren nach Ägypten und kamen in Verbindung mit der „Muslimbruderschaft“.
Die zwei Teile Palästinas, der Gaza-Streifen und das Westjordanland, wurden nach dem Sechs-Tage-Krieg wiedervereinigt und blieben dies unter der Herrschaft Israels über 26 Jahre hinweg (1967-1993). Die meiste Zeit herrschte währenddessen absolute Bewegungsfreiheit zwischen den beiden Gebieten. Die israelische Regierung unterstützte sogar die Einwohner Gazas dabei, den engen Küstenstreifen zu verlassen und sich im Westjordanland anzusiedeln.
Vor diesem Hintergrund wurde die palästinensische Forderung während der Verhandlungen zum Osloer Abkommen erhoben, die territoriale Kontinuität zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen aufrechtzuerhalten. Die Forderung wurde von Israel akzeptiert, und im Anschluss an die Errichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) (1994) wurde einige Jahre lang versucht, das zu verwirklichen, was man als „sicheren Übergang“ bezeichnete – freien palästinensischen Verkehr zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen; diese Versuche schlugen jedoch fehl aufgrund der Sicherheitsvorkommnisse und der daraus resultieren Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch Israel. Über die Jahre wurden die Beschränkungen verschärft und vertieften die Trennung zwischen den beiden Gebieten.
Seit dem Osloer Abkommen sind Gaza und das Westjordanland de facto getrennte Einheiten. Die Zerteilung wurde noch einschneidender, nachdem der Gaza-Streifen von Zäunen umgeben wurde und damit begonnen wurde, auch um das Westjordanland herum den Sicherheitszaun zu errichten. Infolgedessen können die öffentlichen Einrichtungen der PA, wie die Regierung und das Parlament, schon seit Jahren nicht mehr gemeinsame Sitzungen abhalten. Die Sitzungen finden also statt, während die Repräsentanten Gazas in Gaza sitzen und die des Westjordanlandes in Ramallah, und gesprochen wird mittels Videokonferenzen.
Die Sicherheitszäune um die Gebiete haben zu einer wachsenden Annäherung zwischen dem Westjordanland und Jordanien auf der einen und dem Gaza-Streifen und Ägypten auf der anderen Seite geführt. Wenn Bewohner des Westjordanlands bspw. nicht über den Ben Gurion Airport ins Ausland reisen können, sind sie gezwungen, über Jordanien zu reisen. In ähnlicher Weise stellt Ägypten die einzige Verbindung zur Außenwelt für Bewohner des Gaza-Streifens dar, denen die einreise nach Israel verboten ist. Der entstehende Hamas-Staat wird sich insofern auf Ägypten stützen müssen. Er hat keine andere Wahl. Die ägyptische Regierung will keine Verantwortung für den Gaza-Streifen übernehmen, doch wird sie sich wohl kaum einer verstärkten Involvierung in die Geschehnisse in der Region entziehen können.
Ha’aretz, 15.06.07