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Gemetzel in Tripoli

„Die Kämpfe gingen am Morgen mit unverminderter Heftigkeit weiter.“ Mit dieser unverfänglichen Formel wurden die Vorgänge rund um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr el Barred nahe der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli am Dienstag früh in die Welt hinaus getragen. Doch echte Kämpfe sind das nicht...

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 22. Mai 2007

„Die libanesische Armee erklärte am Morgen, für Straßenkampf weder ausgerüstet noch fähig zu sein“, berichtet die Reporterin von Al Dschesira aus Tripoli mit einem dunkelblauen Helm aus Hartplastik auf dem Kopf und in eine schusssichere Weste gehüllt. In der Ferne, hinter ihr, steigen weiße und schwarze Rauchwolken aus dem Flüchtlingslager auf, ohne dass man erkennt, was da brennt. Sie erzählt von Panzern der libanesischen Armee, wie die „aus sicherer Entfernung“ Granaten in das Lagerzentrum schieße. „Die libanesische Armee bombardiert Kämpfer der Fatah al Islam Gruppe“, heißt im Laufband. Doch längst ist klar, dass da mitten in dem dicht besiedelten Flüchtlingslager nicht nur „Kämpfer“ sitzen.

Noch aus der Zeit, als PLO-Chef Jassir Arafat im Libanon einen „Staat im Staate“ betrieb, stammt die Abmachung mit der libanesischen Armee, dass sie die mit Stacheldraht umgebenen Flüchtlingslager nicht betritt. So entwickelte sich in ihnen ein rechtsfreier Raum. Die Palästinenser sind für ihre Eigenveraltung und die „Sicherheit“ verantwortlich. So können sich dort auch extremistische Gruppe frei entfalten. Das gilt für El Kaeda und für die mutmaßlich prosyrische sunnitisch-islamistische „Fatah al Islam“. Hierbei handelt es sich um eine wenig bekannte Gruppierung, in der sich Iraker, Syrer, Libanesen und Palästinenser gesammelt haben. Diese „Fatah-Leute“ werden von Palästinensern auch „Fremde“ genannt und haben nichts mit der Fatah-Organisation in der PLO zu tun.

Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Fuad Siniora sagte der Repräsentant der Palästinensischen Befreiungsorganisation im Libanon, Abbas Zaki: „Ein Beschluss, die palästinensischen Flüchtlingslager zu stürmen, ist einzig eine innerlibanesische Angelegenheit.“ Er warnte aber, dass das eine „schwierige Aufgabe“ sein könnte, weil das Leben unschuldiger Zivilisten gefährdet würde. Noch stehen die Palästinenser hinter der Regierung und fordern, “die gefährliche Terrororganisation Fatah al-Islam” zu bestrafen. Doch die Stimmung kann jederzeit umschlagen. Hamas-Chef Chaled Maschal meldete sich schon aus Damaskus bei Siniora und forderte ihn auf, „libanesische und palästinensische Seelen zu schützen“. Niemand kennt die genau Zahl der zivilen Opfer. Dem Roten Kreuz gelang es am Dienstag, mit einer einzigen Ambulanz aus dem Lager Verwundete abzuholen.

Im Libanon leben etwa 350.000 bei der UNO-Flüchtlingshilfe-Organisation UNWRA registrierte palästinensische Flüchtlinge seit 1948. Sie führen in 12 Lagern ein Eigenleben nahe den Großstädten, von Raschidije bei Tyros im Süden, in Ein El Hilwa bei Sidon, in Sabra und Chatillah südlich von Beirut und bis hin zu Nahr el Barred bei Tripoli im Norden, nahe der syrischen Grenze. Im Gegensatz zu Israel und Jordanien hat Libanon diese Flüchtlinge nie mit Personalpapieren ausgestattet und ihnen durch Berufsverbote eine Integration in die libanesische Gesellschaft verwehrt. Die arabische Welt wollte diese Menschen in ihrem Elend belassen, bis ihnen die Rückkehr in ihre verlassen Häuser im Staat Israel gewährt würde. Doch Israel verweigert den Palästinensern das „Recht auf Rückkehr“ und hat längst in deren Häusern jüdische Flüchtlinge aus der arabischen Welt einquartiert.

Im Libanon wurden die Flüchtlingslager zu „Brutstätten des Terrors“. Arafat machte sich das zunutze, als er nach seinem gescheiterten Putsch in Jordanien, dem „schwarzen September“ von 1970, in den Libanon flüchtete und dort durch Massaker an Christen den Bürgerkrieg anzettelte. Ähnlich wie es die Hisbollah nach der Vertreibung der PLO aus Beirut infolge des ersten Libanonkriegs Israels 1982 tat, hatte zuvor die PLO im Südlibanon ein Aufmarschgebiet gegen Israel ausgebaut und den jüdischen Staat mit Raketen beschossen. Doch wie schon in den siebziger Jahren, bedeuten die Flüchtlingslager jenseits staatlicher Kontrolle eher eine Gefahr für den Bestand und die Stabilität des Libanon. Die blutige Rache der libanesischen Armee an Kämpfern von Fatah al-Islam wegen dem Tod von 23 Soldaten am Sonntag, nach dem Versuch, Bankräuber festzunehmen, trifft vor allem palästinensische Zivilisten.

Beobachter in Beirut befürchten wegen Solidarität mit den unschuldigen Opfern des Granatbeschusses der Armee ein Umkippen der bisherigen palästinensischen Zustimmung für das Vorgehen der Armee gegen die „illegitime Terrorgruppe Fatah al-Islam“. Ein Aufstand der teilweise schwerbewaffneten Palästinenser in den Lagern könnte den schwelenden Machtkampf zwischen der prowestlichen Regierung des Fuad Siniora und pro-syrischen Gruppierungen wie Hisbollah, der „Freien Patriotischen Bewegung“ um den christlichen Ex-General Michel Aoun und der Fatah al-Islam anfächern.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Category: Libanon
Posted 05/22/07 by: admin

Comments

wrote:
Wieviel Staatenlose gibt es auf der Welt?
05/24/07 19:27:25

wrote:
Schulz wrote:
"Wieviel Staatenlose gibt es auf der Welt?"

Wieviele "Comments. Schulz wrote ..." gibt es in haGalil?
05/24/07 21:16:17

wrote:
"Wieviele "Comments. Schulz wrote ..." gibt es in haGalil?"

Zuviele und vor allem recht schwachsinnige. Wie heißt es aber so schön: Dont feed the troll.
05/24/07 23:20:32

wrote:
Schulz hat absolut Recht!!!!!!!!
05/25/07 11:14:52

wrote:
@ Yael

LOL!
05/25/07 14:38:23

wrote:
Ich glaube Bertilla Sie wissen gar nicht, worum es geht.
05/27/07 22:44:37

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