Jump to navigation
Die wichtigsten Punkte im Libanon-Report
Die von der israelischen Regierung am 17. September 2007 ernannte Prüfungskommission zum Zweiten-Libanonkrieg hat am Montag ihren Zwischenreport veröffentlicht. Ihr Vorsitzender, Richter a.d. Elijahu Winograd, stellte den Report vor...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 30. April 2007
Die Hauptverantwortung für alle Fehler und Mängel liegen bei Ministerpräsidenten Ehud Olmert, Verteidigungsminister Amir Peretz und Generalstabschef Dan Halutz. Gleichwohl gibt es noch viele andere Väter der kritisierten Beschlüsse und Zustände.
Zu den Entscheidungswegen heißt es: Der Beschluss, mit einem sofortigen und intensiven Militärschlag (auf die Angriffe der libanesischen Hisbollahmiliz) zu reagieren, war nicht auf einem detaillierten, umfassenden und autorisierten Militärplan begründet, nach einer eingehenden Prüfung der Komplexität der libanesischen Arena. Da hätte sich nämlich ergeben, dass es nur begrenzte Chancen gab, mit militärischen Erfolgen bedeutsames politisch-internationales Gewicht zu erlangen. Ein Militärschlag würde unausweichlich Raketen auf den Norden Israels ziehen. Für solche Raketenangriffe gab es keine effektive militärische Antwort denn eine längere Militäraktion mit der Eroberung jener Gebiete, von denen aus die Raketen abgeschossen wurden. Das aber hätte hohe und damit unpopuläre Verluste bedeutet. Diese Schwierigkeiten wurden den Politikern nicht unterbreitet, rechtzeitig vor ihrer Entscheidung, einen Kriegsgang zu beschließen. Der Regierung wird „mangelndes strategisches Denken“ bescheinigt, wenn sie nicht alle Alternativen von Zurückhaltung bis zu unterschiedlichen Methoden der Eskalation bedacht hat. So stimmten die Minister für „wage Vorstellungen“. Sie befürworteten den Beginn einer Militärkampagne, ohne zu bedenken, wie man sie beendet. Die Kriegsziele waren unklar formuliert oder unerreichbar. Die Armee zeigte keine Kreativität, alternative Wege aufzuzeichnen oder den Politikern die Diskrepanz zwischen vorgeschlagenen Szenarien und genehmigten Militäraktionen aufzuzeigen. So habe die Armee nicht rechtzeitig eine Mobilisierung und Training der Soldaten gefordert. Und selbst als den Politikern diese Mängel klar geworden waren, passten sie ihre hochstrebenden Ziele nicht der Wirklichkeit am Boden an.
Die Hauptverantwortlichen für dieses „ernsthafte Versagen“ sind Olmert, Peretz und Halutz. Jeder einzelne hätte durch Fragen und Einwände den Weg ändern können. „Olmert handelte hastig, ohne dass ihm ein detaillierter Militärplan unterbreitet worden wäre und ohne dass er danach gefragt hätte.“ Die Kommission schließt: „Das alles ergibt ein ernstes Scheitern im Urteilsvermögen, der Verantwortung und der Vorsicht.“ Dem Verteidigungsminister bescheinigt die Kommission fehlendes Wissen und Erfahrungen beim Militär, in der Politik und in Regierungsgeschäften. Er habe nicht einmal die grundlegenden Prinzipien des Einsatzes militärischer Kraft zwecks Erreichen politischer Ziele gekannt. Er habe keine Experten befragt, die Bereitschaft der Armee nicht geprüft und keine strategischen Optionen sehen wollen. „Der Verteidigungsminister scheiterte beim Erfüllen seines Amtes.“ Peretz habe Israels Fähigkeit behindert, sich während des Krieges den Herausforderungen zu stellen. Ähnlich scharfe Kritik wurde auch über den Generalstabschef laut.
Doch gab es noch andere „Partner“ für die Mängel und den Kriegsausgang. So befand sich die komplexe Szene im Libanon außerhalb der Kontrolle Israels. Die Fähigkeit der Hisbollah, auf der Grenze zu Israel zu sitzen und sich aufzurüsten, habe sich nach dem Rückzug aus Südlibanon im Mai 2000 erhöht. Die Mängel bei den Vorbereitungen der Armee, das Fehlen von Operationsplänen und geeigneter Kampfdoktrin reicht weit in die Zeit vor der jetzigen Regierung zurück. Die Kommission entdeckte Schwächen in der Struktur der Entscheidungswege, im Wissen der Minister, deren Fähigkeit, die Vorgänge zu verstehen und entsprechend verantwortungsvoll abzustimmen. Die Kommission empfahl dringende Korrekturen, darunter auch ein striktes Verbot, vorzeitig Informationen an die Presse durchsickern zu lassen. Künftig sollte auch mal das Außenministerium in Beschlüsse mit politischen wie diplomatischen Auswirkungen einbezogen werden.
„Nach 25 Jahren ohne Krieg, erlebte Israel einen anderen Krieg. Der Krieg brachte uns zurück zur Hauptbühne kritischer Fragen, die Teile der israelischen Gesellschaft lieber verdrängt hat.“ Ohne auch nur ein einziges Mal den Zweiten-Libanonkrieg als Fehler oder Irrtum zu bezeichnen, beschwor Winograd die Notwendigkeit, die Schwächen bei der Kriegsführung und den Vorbereitungen zu untersuchen, jenseits der Identifikation von Schwachpunkten (und Stärken) bei Beschlüssen während des Krieges.
„Es geht um Fragen im Kern unserer Existenz hier als jüdischer und demokratischer Staat“, sagte Richter Winograd. „Es wäre ein schwerer Fehler, sich nur auf die offengelegten Mängel zu konzentrieren und nicht die Grundfragen anzupacken.“
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com