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Entführungen und Vergebungen
Die Warnung von Tony Blair, "weitere Maßnahmen" anzuwenden sollten die entführten britischen Marinesoldaten nicht sofort freigelassen werden, erinnert mich an den jüdischen Witz über Hershele Ostropoler, der in ein Restaurant ging und ein kostenloses Essen forderte. Andernfalls, so drohte er, werde er tun, was sein Vater getan habe. Die Eigentümer des Restaurants, die vor Angst zitterten, brachten ihm schnell ein Essen. Nachdem die Gefahr an ihnen vorbei gegangen war, fragten sie ihn, was denn sein Vater getan habe. Hershele antwortete: Er ging hungrig zu Bett...
Kommentar von Yoel Marcus, Ha’aretz, 06.04.2007
Übersetzung von Daniela Marcus
Die Moral dieser Geschichte ist, dass selbst die größten, stärksten Supermächte keine Antwort auf die primitive Form der Kriegsführung haben, die auch unter dem Begriff "Entführung" bekannt ist und die islamische Führer in ihr Sortiment der Kriegsführung gegen die westliche Zivilisation aufgenommen haben. Wer wenn nicht wir, die wir brutale Entführungen erleben mussten, weiß besser, wie problematisch sie sein können und wie hoch der Preis ist, den man gezwungen ist zu zahlen, um die Geiseln –lebend oder tot- nach Hause zu bringen.
In diesem grausamen Spiel sind sie spitze. Die Entführung von Ehud Goldwasser und Eldad Regev zog uns in einen Krieg, der unseren guten Ruf zerstört hat. Und trotz allem haben wir immer noch keinen Schimmer, ob die beiden noch am Leben sind und wo sie sind. Auch Gilad Shalit darf nicht vergessen werden. Er wird seit neun Monaten als Geisel gehalten. Und es gibt keinen Brief von ihm und auch sonst kein Lebenszeichen.
In diesem Horrorspiel haben die Entführer die Oberhand weil sie wissen, dass in einer Zivilisation wie der unsrigen, die sie zerstören wollen, ein Menschenleben den größten Wert besitzt. Wie sagte Jitzchak Rabin, nachdem er dem Gefangenenaustausch mit Jibril Rajoub zugestimmt hatte: "Ich konnte den Druck der Mütter, die vor meinem Haus und Büro auf- und abgingen, nicht aushalten."
Ein Land mit Werten ist im Nachteil, wenn es um Entführungen geht. Es stimmt, dass Blair seine Stimme erhob und mit härteren Aktionen drohte sollte nicht sofort eine Lösung gefunden werden. Er drohte also. Na und? Die Iraner konterten, die Anwendung von Gewalt würde die Sache nur komplizieren.
Die Tatsache, dass ein wütender Mob auf die britische Botschaft in Teheran losging und Steine und Rauchbomben auf sie warf, deutete an, dass die Anwendung von Gewalt das Leben der Marinesoldaten und Diplomaten gefährden könnte. Theoretisch hätte Großbritannien auf mehrere Arten reagieren können. Doch im Fall von Geiseln, die von Leuten gefangen gehalten werden, die vor nichts zurückschrecken, wäre die Anwendung von Gewalt mit Sicherheit ein Ratschlag des Teufels gewesen.
Die iranische Führung nahm den Standpunkt der britischen Außenministerin an und löste das Problem in stillen Verhandlungen. Während sie in einem großen Kampf um ihr nukleares Programm steckt, hatte sie kein Interesse, sich wegen solch einer Lappalie mit Großbritannien anzulegen. Im Gegensatz zu den Entführungen, die die Hisbollah oder palästinensische Terrororganisationen durchführten, hat der Iran die britischen Marinesoldaten ziemlich gut behandelt. Vierzehn Tage nach ihrer Festnahme kündigte Mahmoud Ahmadinejad an, er werde sie als ein "Geschenk für Großbritannien" freilassen. Aus demselben Grund hätte auch das Gegenteil passieren können: Die Geiseln hätten für ein oder zwei Jahre verschwinden können bis die Forderungen des Iran erfüllt gewesen wären.
Eine Sache ist klar: Innerhalb einiger Tage oder Wochen werden wir herausfinden, welchen Preis Großbritannien für die Freilassung dieser Geiseln zahlen musste. Die Iraner sind für ihren leidenschaftlichen Geschäftssinn bekannt. Dort gibt es nicht so etwas wie ein kostenloses Geschenk.
Entführungen der Marke "Achse des Bösen" sind kaltblütig auf Befehl von oben geplant. Die Ziele sind sorgfältig ausgewählt. Im Februar 1979, kurz nachdem Khomeini in den Iran zurückgekehrt und der verachtete Schah geflohen war, wurde den Revolutionsgarden befohlen, die ganze US-Botschaft als Geisel zu nehmen.
444 Tage lang waren 52 amerikanische Diplomaten auf dem Botschaftsgelände gefangen gehalten während sich davor wütende Massen versammelten, die die Gefangenen beschimpften und Steine und Müll warfen. Ganz Amerika sah schockiert zu. Als Zeichen der Solidarität mit den Geiseln wurden gelbe Bänder um Bäume gebunden.
Präsident Jimmy Carter, der von den Iranern wegen Camp David und der Gewährung von Asyl für den sterbenden Schah gehasst wurde, befahl eine militärische Rettungsaktion. Die Mission schlug fehl wegen einiger lächerlicher Schnitzer, die einen an die schusseligen Polizisten in Stummfilmen erinnerten. Die iranische Geiselkrise ruinierte Carters Chancen auf eine Wiederwahl. Das "Geschenk" der Befreiung der Diplomaten wurde Präsident Ronald Reagan zuteil, der den Begriff "böses Imperium" prägte, die Sowjetunion stürzte und Israels größter Freund wurde.
Seit dem ersten Libanonkrieg wird Geiselnahme als grausames Kriegsmittel gegen uns verwendet. Mit diesem Mittel werden die Familien der entführten Soldaten gefoltert und das Feuer Friedenssuchender Israelis gelöscht. Hinter dieser Gewalt steht der Iran, der nicht nur Israel bedroht sondern auch moderate arabische Länder und Europa.
Man kann nur hoffen, dass die angeblich humanitäre Geste der "Vergebung" für Großbritannien Bush und Blair nicht daran hindern wird an ihrem Kampf festzuhalten, den Iran, dessen erklärtes Ziel die Zerstörung Israels ist, an der Erreichung nuklearer Fähigkeiten zu hindern.
Posted 04/07/07 by:
admin
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Wenn wir uns die Prophetengeschichte ansehnen, gehörten Entführung und Folter schon damals zum Repertoire der Kriegsführung.
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