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Abbas bei Merkel in Berlin
Nach einem fast geplatzten Dreiergipfel mit dem israelischen Premier und US-Außenministerin Condolezza Rice, nach einem Abstecher zu König Abdullah von Jordanien und dem britischen Premier Tony Blair, ist der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas nach Berlin gekommen zu einem Gespräch mit der EU-Ratvorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 22. Februar 2007
Abbas will für eine Anerkennung seiner noch nicht existierenden Einheitsregierung werben, um die eingefrorene europäische Finanzhilfe an die Palästinenserregierung loszueisen. Während die amerikanische Regierung eine „wait and see“ (abwarten und schauen) Position bezogen hat, bekräftigte in Berlin das Nahost-Quartett aus USA, UN, EU und GUS die Forderung an die Palästinenser, verbindlich das Existenzrecht Israels anzuerkennen, bestehende Verträge zu akzeptieren und auf Gewalt zu verzichten, sprich Terror gegen Israel.
Der vom Volk mit Mehrheit gewählte Nachfolger des verstorbenen PLO-Chefs Jassir Arafat steht einem ebenfalls vom Volk mit Mehrheit gewählten Parlament unter der Führung der Hamas vor. Dieser Drache mit zwei Köpfen, in Frankreich auch „Kohabitation“ genannt, ist ein Produkt internationalen Drucks auf den seinerzeit wegen terroristischer Aktivitäten disqualifizierten Arafat. Um weiterhin einen akzeptierten Gesprächspartner in der palästinensischen Autonomiebehörde zu haben, wurde der Alleinherrscher Arafat gezwungen, den Posten des Regierungschefs zu schaffen. Solange die vom Parlament bestätigten Premiers Ahmad Kureia und Mahmoud Abbas der Partei Arafats angehörten, gab es außenpolitisch keine grundsätzlichen Differenzen. Alle beriefen sich auf die Osloer Verträge mit Israel, der rechtlichen Grundlage für Wahlen, Parlament und Regierung in Ramallah.
Kleine Vertragsbrüche Arafats schufen jedoch Zustände, die sich jetzt als Bumerang erweisen. Sogar Israel fand sich längst damit ab, dass Arafat und Abbas sich als „Präsident“ bezeichnen und nicht nur „Vorsitzender“. Von der Autonomiebehörde verwendete Briefköpfe mit „Staat Palästina“ werden geflissentlich übersehen. Verhängnisvoller war der Beschluss Arafats, ein „Außenministerium“ einzurichten, obgleich vertragsgemäß der Autonomiebehörde keine Außenpolitik erlaubt ist. Die Auslandsbeziehungen wie die Kontrolle der Außengrenzen behält sich Israel vor. Die Autonomiebehörde ist nur zur internen Selbstverwaltung befugt. Offizieller Vertragspartner Israels bleibt die PLO, die Palästinensische Befreiungsorganisation. So unterstehen die diplomatischen Vertretungen der Palästinenser, wie etwa die palästinensische Generaldelegation in Bonn, nicht der Regierung in Ramallah, sondern dem PLO-Chef.
Mit dem Wahlsieg der Hamas vor einem Jahr entstand eine unvorhergesehene Absurdität. Allein Abbas kann Verhandlungen mit Israel führen und die Kontakte mit Merkel oder Blair pflegen, während der Hamas-Politiker Mahmoud A-Sahar „Außenminister“ ist und sich in Beschimpfungen des Westens und Vernichtungsträumen gegen Israel erging. Abbas wird sich in Berlin schwer tun, diesen selbst geschaffenen Widerspruch überzeugend aufzulösen, zumal die Hamas in Mekka lediglich aufgefordert wurde, die Verträge zu „respektieren“, nicht aber zu akzeptieren, oder gar Israel anzuerkennen.
Auch die Forderung nach erneuter europäischer Finanzhilfe trotz der Hamas-Positionen sollte in Berlin Fragen aufwerfen. Denn die EU hat seit Beginn des Boykotts ihre Zahlungen an die Palästinenser sogar um 20 Prozent aufgestockt. Man könnte meinen, dass es dem palästinensischen Volk eigentlich besser gehen sollte als vor dem Boykott. Denn es ist seit Arafats Tod hinreichend bekannt, dass ein Teil der Auslandshilfe in den Taschen korrupter Funktionäre hängen blieben, anstatt die Lehrer, Ärzte und Polizisten gebührend zu entlöhnen. Heute überweist die EU die Gehälter direkt auf die Privatkonten der Gehaltsempfänger, anstatt sie über die Regierung in Ramallah fließen zu lassen. Das hilft zwar den Palästinensern, schwächt aber Abbas und die Hamas-Regierung. Denn die können nicht mehr die fremden Steuergelder dazu nutzen, Günstlinge abzufinden, mit Korruption ihre Macht zu festigen oder die Hilfsgelder nach Gusto und nicht nach Notwendigkeit zu verstreuen.
Gleichwohl gilt der Wunsch, Abbas zu stärken. Denn mit der Hamas kann niemand reden, solange sie eine mit dem Streben nach Frieden in Nahost unvereinbare Ideologie vertritt. Angesichts der genannten Widersprüche kommt das einer Quadratur des Kreises gleich. Denn solange die Hamas schon abgeschlossene Verträge mit Israel ablehnt, macht es wenig Sinn, neue Abkommen auszuhandeln. Abbas würde die zwar unterschreiben, doch nicht umsetzen können, solange die Hamas im Parlament die Mehrheit hat und die Richtung der Regierung bestimmt.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com