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Europa-Iran: Russisches Roulette in Teheran
Olmert hat aus Moskau keine politischen Botschaften zu dem Thema mitgebracht, das eigentlich Grund seiner Reise war. Putin hat ihm zwar versichert, Russland sei über die Möglichkeit besorgt, dass der Iran sich nuklear aufrüstet und werde sich weiter darum bemühen, dies zu verhindern.
In Jedioth analysiert Ron Ben-Ishai die israelisch-russische Verständigung in Sachen Iran
Die Forderung, „etwas zu tun, damit sich der Iran fürchtet", stieß jedoch auf verschlossene Mienen und kühle Reaktionen. Das muss nicht überraschen: Die Russen haben ein begrenztes Interesse daran, ihre guten Beziehungen zu Israel zu bewahren, weil sie meinen, es habe Einfluss auf die Entscheidungsträger in Washington. Sie wissen auch, dass sie durch eine Trennung von Israel zu einem irrelevanten Spieler auf der nahöstlichen Arena werden würden. Aber diese Überlegungen reichen nicht aus, um Moskau, das sich selbst als Großmacht sieht, dazu zu veranlassen, seine globale Politik oder zumindest seine Nahostpolitik zu ändern. Was die Beschwörungen von Präsident Bush und den Führern der EU nicht bewirken konnten, werden die Überredungskünste des israelischen MP erst recht nicht schaffen.
Der herzliche Empfang, der Olmert im Kreml bereitet wurde, und die persönlichen Beziehungen, die er zu Putin herstellte, dürfen nicht unterschätzt werden. Dies schadet nicht, und vielleicht nützt es sogar bei der Verstärkung der Kontrolle über die Lieferungen russischer Waffen an Hisbollah und Hamas. Aber was die atomare Aufrüstung des Iran betrifft, war es Olmert und seinem Gefolge klar, dass Russland nicht beabsichtigt, sein Konzept zu ändern. Es wird dem Iran weiter helfen, seinen Reaktor in Bushehr zu bauen und nukleare Technologien zu entwickeln. Moskau wird auch weiterhin jede Initiative abblocken, Sanktionen zu verhängen, die Teheran dazu veranlassen würden, es sich gut zu überlegen, ob die Urananreicherung fortgesetzt werden sollte. Über einen Angriff auf die atomaren Anlagen im Iran ist mit den Russen erst gar nicht zu reden.
Die Frage lautet warum? Was veranlasst Russland dazu, sich an die Seite des Iran zu stellen und sich mit dem Westen anzulegen, obwohl die russische Führung doch mehrmals erklärt hat, sie sei nicht an einem weiteren Nachbarn mit nuklearem Potenzial interessiert? Die russische Standardantwort auf diese Frage ist lange und kompliziert und lautet im Prinzip so: Wenn wir uns nicht an die Seite des Iran stellen, wenn wir nicht seine Partner bei dem Atomprogramm sind, dann werden Indien, Pakistan und Nordkorea diese Aufgaben übernehmen, die billiges Öl wollen. Diese Staaten werden keine Kontrolle ausüben und nicht wie wir ihren Einfluss geltend machen, um Teheran zu mäßigen.
Diese Antwort ist an den Haaren herbeigezogen, und nicht nur aufgrund der Tatsache, dass der Iran von Pakistan längst das kritische Knowhow zur Anreicherung von Uran erhalten hat. Die Russen wissen das ganz genau, verwenden dieses Argument aber trotzdem, und wenden es sogar an um vorzuschlagen, dem Iran weitere Reaktoren zu bauen, damit er auch Plutonium erhält. Seltsame Argumente und eine noch seltsamere Politik von einer Großmacht, die darauf besteht zu behaupten, sie sei über die Möglichkeit beunruhigt, dass ein Nachbarstaat mit einer radikalen Führung über Atomwaffen verfügt.
Eine mögliche Erklärung des Widerspruchs zwischen der offiziellen russischen Haltung und der Politik des Kremls erhielt ich vor Kurzem von Experten in Deutschland und auch von einer russischen Persönlichkeit, die mit den Gedankengängen des
Präsidenten vertraut ist. Meine Gesprächspartner waren sich darüber einig, dass entgegen der offiziellen Erklärungen Moskau nicht wirklich über die Möglichkeit einer iranischen Atombombe besorgt ist. In Teheran weiß man, dass das benachbarte Russland über genügend Atomwaffen und Raketen verfügt, um den ganzen Iran auszulöschen, falls dieser es wagen sollte, Russland zu bedrohen, während der Iran seinem großen Nachbarn nur geringen Schaden zufügen kann. Darüber hinaus lebte Russland im Zeitalter des kalten Kriegs Jahrzehntelang mit nuklearer Bedrohung, und es lebt auch gar nicht übel mit weiteren nuklearen Nachbarn zusammen: China, Nordkorea und auch Indien und Pakistan.
...In Europa ist man der Überzeugung, dass man die russische Politik ändern kann. Das sei nur eine Frage des Preises. Russland beobachtet zähneknirschend die Erweiterung der NATO und der EU nach Osten, in Länder, die einst seine Partner und Schützlinge waren. Für Russland ist dies eine weitaus größere strategische Bedrohung als die nukleare Aufrüstung des Iran. Russland ärgert sich auch über die Tatsache, dass Washington „feindlichen" Parteien und Politikern hilft, in Ländern an die Macht zu kommen, die früher der UdSSR angehörten und in Moskau als „Hinterhof" gelten: die Ukraine, Georgien, Weißrussland und andere. Das amerikanische Engagement in diesen Ländern gilt in Moskau als Versuch, seinen Einfluss zu untergraben. Es gibt natürlich auch wirtschaftliche Interessen, wie die Benzinleitung vom kaspischen Meer nach Europa, die Amerika durch Gebiete und Länder legen will, die nicht zu Russland gehören. Russland möchte diesen Kuchen ganz für sich selbst. Wenn also der Westen russische Hilfe bei der iranischen Frage möchte, muss er Russland als Großmacht mit Interessen und Einflussbereichen anerkennen, und nicht mehr als armen Verwandten in dem exklusiven Klub der G-8 betrachten. Washington wird auch in Osteuropa ein wenig zurückschrauben und damit aufhören müssen, Russland Vorhaltungen im Zusammenhang mit Menschenrechten und Demokratie zu machen, wie kürzlich Vize-Präsident Cheney. Israel ist an einer solchen Änderung in der amerikanischen Politik interessiert, aber es ist fraglich, ob sich diese noch in der Bush-Ära vollziehen wird. Man kann annehmen, dass Russland zumindest in den nächsten zwei Jahren seine konsequente Unterstützung des Iran fortsetzen wird, der seinerseits ungestört mit seiner Urananreicherung weitermachen kann.