-- Schwerpunkt: Israel und Nahost
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com

haGalil online

Ein Mann von Welt

In seiner Rubrik "Gegen die Bartstoppeln" in der Trendbeilage "Signon" der israelischen Tageszeitung Maariv beschrieb Joni Golan vor einigen Wochen seine Gefühle im Vorfeld des Erhalts seiner deutschen Staatsbürgerschaft...

Maariv v. 08.02.2007

"Du hast eine Nachricht von der Botschaft", teilt mir meine Mutter in einem nicht gerade feierlichen Ton mit. "Deinem Antrag wurde stattgegeben, und du hast dort am 19. zu erscheinen". Das bedeutet, dass ich also bald deutscher Staatsbürger werde, oder, wie ich es lieber beschreibe, Bürger der EU.

Das ganze passierte fast ohne Absicht. Der Vater einer Kollegin besorgte ihr einen Pass, und da hab ich halt auch mal gegoogelt und einen Anwalt gefunden, der auf solche Dinge spezialisiert ist. Ich glaube, dass einige seiner Klienten ihn schon an ihren moralischen Zweifeln teilhaben ließen, denn er schrieb: "Wenn Sie die deutsche Staatsbürgerschaft auf der Grundlage ihres Vaters oder Großvaters erwerben wollen, dann fordern Sie ganz einfach ein Recht, das Ihnen zusteht!"

Völlig logisch. Unten stand die Telefonnummer. Ich dachte noch gar nicht daran, dass ich eines Tages in der deutschen Botschaft stehen und den Eid auf die deutsche Fahne leisten werde, oder was ich dort sonst am 19. tun werde.

"Du Schwein", sagt sie zu mir, als ich ihr die Neuigkeiten erzähle. "Ich fasse es nicht, dass du dir einen deutschen Pass geben lässt". Irgendwie weiß ich, dass sie nicht auf mich sauer ist, weil ich ein Bündnis mit den Tyrannen geschlossen habe, die uns fast vernichtet haben. Ganz und gar nicht. Sie ist nur grantig, weil den einzigen Pass, den sie sich vielleicht besorgen könnte, ein libyscher ist. Neidhammel!

"Mal sehn, was ich alles in Europa mache", überlege ich laut, um sie noch ein wenig zu ärgern. "Hmmm, wo werde ich mich wohl bei der Passkontrolle anstellen? Wahrscheinlich in der Reihe, wo steht 'Nur für Europäer'. Interessant, was in dieser Reihe los ist. Bestimmt kriegt man Schokolade, wenn man die Grenze passiert." Das werde ich wohl nie erfahren, denn sie hat mir bereits deutlich erklärt, was mir passieren wird, wenn ich sie alleine in der Reihe des Fußvolks stehen lasse. "Du schämst dich wohl für deinen israelischen Pass? Du wirst dich anstellen, wo alle
stehen."

Seltsam, keiner, dem ich es erzähle, scheint über mein Bündnis mit dem Reich schockiert zu sein. Alle beglückwünschen mich, anstatt mich zu verfluchen. "Genau zur rechten Zeit", sagt meine Schwester lächelnd, als ich ihr mitteile, dass sie nun auch Deutsche ist. "Der Iran hat bald eine Bombe". Genau das ist es, denke ich mir, dieses Gefühl, dass jeden Tag alles aus sein kann. Dass gar nicht klar ist, ob dieser Staat noch lange existieren wird. Dass es niemanden gibt, auf den man sich verlassen kann.

Auch meine Mutter zieht es vor, auf ihre mütterlichen Instinkte zu hören anstatt auf ihr moralisches Dilemma, und sie hat zwei Tanten, die Mengele und Auschwitz überlebt haben. Sogar mein Opa, der die Leute, die damals verschwunden sind, sehr persönlich gekannt hat, regt sich absolut nicht auf. Als ich ihm vorsichtig andeutete, dass der Anwalt sagte, die Prozedur werde einfacher, wenn ich Dokumente vorlegen kann, die zeigen, dass er dort, in Deutschland, geboren ist, holt er vom Dachboden einen alten James-Bond Koffer. Dort ruhten 60 Jahre lang, vielleicht noch länger, wie gelangweilte Soldaten einige Dutzend Zertifikate und Bilder, alle natürlich ganz säuberlich abgeheftet, ohne Flecken oder Falten. Denn man kann vielleicht einen Menschen aus Deutschland herausholen, jedoch Deutschland nicht aus einem Menschen.

Und jetzt versuche ich zu verstehen, was ich eigentlich getan habe und ob es mich freut. Ich war noch nie in Deutschland. Meine Kenntnisse über diese Nation basieren auf einem Pornofilm, den ich einmal in der Armee gesehen habe, und aus der Bekanntschaft mit einigen blonden Volontärinnen im Schwimmbad des Kibbuz. Und plötzlich bin ich ein deutscher Staatsbürger. Die immer stärker werdenden Schuldgefühle werden noch dazu führen, dass man mir stattdessen einen polnischen Pass verabreicht.

Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv

Category: Deutschland
Posted 02/09/07 by: admin

Comments

no comments yet


Add Comments








- - -