Jump to navigation
Camp David in Mekka
Als Ministerpräsident Ismail Hanija von Gaza ins "Heilige Land", nach Mekka abreiste, wusste er, dass es ums Ganze ging. Präsident Mahmoud Abbas brachte seine engsten Berater mit, so auch Muhammad Dahlan, dessen Neffe gerade erst vor ein paar Tagen von Bewaffneten der Hamas gekidnappt wurde und immer noch nicht frei ist. Der Hass der verfeindeten Parteien steckt tief...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 6. Februar 2007
Die Fatah Partei des Abbas hat bis heute nicht ihre Wahlniederlage verwunden und strebt wieder an die Fleischtöpfe der Korruption und der Macht in den Palästinensergebieten. Die Hamas hingegen konnte sich noch keinen einzigen Tag lang an ihrer im Januar 2006 durch einen überragenden Wahlsieg gewonnene Macht erfreuen. Weil ihr die Zerstörung Israels ideologisch wichtiger ist, als das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung, verzichtete sie auf internationale Finanzhilfe, kann also nicht einmal die Gehälter der Staatsbeamten, Lehrer, Ärzte und anderen Bediensteten bezahlen.
Ohne Geld kann aber selbst die beste Regierung nicht regieren. Und das merkt inzwischen auch die Bevölkerung. Vom Übel einer korrupten Fatah-Regierung, die nur an die geprallten Taschen ihrer Funktionäre dachte, stürzten die Palästinenser in die Hände einer handlungsunfähigen Regierung, die vor Allem an das Füllen der Waffenarsenale ihrer Kämpfertruppen denkt.
Aus Mekka soll jetzt die Erlösung kommen, wo zuvor die Ägypter, die Syrer, die Jordanier und Andere bei ihren jeweiligen Vermittlungsversuchen gescheitert sind. Das Neuwort einer "Einheitsregierung" gilt als Zauberformel, den Palästinensern einen Bürgerkrieg zu ersparen und das Nahostquartett, bestehend aus EU, UN, USA und Russland, ihre niemals abgehobene Roadmap, die "Straßenkarte zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen", wenigstens zur Startrampe zu schieben.
Innerpalästinensisch bedeutet "Einheitsregierung", dass Präsident Abbas volle Machtbefugnis erhält, der sich auch die Mehrheit im Parlament und die daraus entstandene Hamas-Regierung zu beugen habe. Im Klartext bedeutet "Einheitsregierung", dass eine kleine geschrumpfte entmachtete Partei eine Koalition erzwingt, in der sie der Mehrheitspartei die Richtung bestimmt. Neben der politischen Macht und der Verwaltung der Finanzen, die der Hamas genommen werden sollen, steht auch der Oberbefehl über die Streifkräfte zur Diskussion. Denn wollte Abbas das Prinzip "eine Macht, ein Gewehr" erfüllen, müsste er die unkontrollierten Kämpfer vor allem der Hamas entwaffnen oder unter seinen Befehl stellen.
Ein Kompromiss mit der Hamas bei der Bildung dieser "Einheitsregierung" würde Abbas und den Palästinensern keine Erlösung bringen. Denn die Hamas weigert sich weiterhin, Israel und schon bestehende Verträge anzuerkennen, darunter auch die Osloer Verträge, ohne die es die Autonomie mit palästinensischer Selbstverwaltung nicht gäbe. Die Hamas fordert als Formel, nur "Verträge, die dem palästinensischen Volk dienen" anerkennen zu wollen. Akzeptiert Abbas diese problematische Formel, so würde er die Palästinenser vor einem Bürgerkrieg mit noch mehr Blutvergießen bewahren.
Aber die internationale Isolierung wäre nicht aufgehoben. Weder die Amerikaner, noch Europa oder gar die Israelis wären im Augenblick bereit, die radikal-islamitische Terrororganisation Hamas zu akzeptieren, während diese weiter an ihrem Vernichtungsziel Ideologie festhält. Abbas könnte dann weder mit einer Erneuerung der Friedensverhandlungen mit Israel rechnen noch mit internationalem Geldfluss.
Der innerpalästinensische Gipfel in Mekka unter den Fittichen der Saudis gilt als "historisch" und schicksalhaft. Nachdem alle anderen Bemühungen um eine Entflechtung des Machtkampfes in Gaza und Ramallah gescheitert sind, gäbe es nach den Saudis keine noch höhere Instanz mit entsprechendem Gewicht, Macht und Moral, um die palästinensischen Streithähne zur Vernunft zu bringen. Der Gipfel in Mekka wird deshalb so folgenreich sein wie der Camp David Gipfel im Sommer 2000. Damals bot Ministerpräsident Barak weit mehr an, als Israel jemals zuvor bereit war zu geben. Dennoch sagte Präsident Jassir Arafat "Nein". Die fast unweigerliche Folge war Ende September 2000 der völlige Zusammenbruch des Osloer Friedensprozesses und der Beginn einer "El Aksa Intifada". Die hat schon über 5000 Menschen das Leben gekostet, die Völker durch einen möglichst unüberwindbaren Anti-Terror-Sperrwall voneinander getrennt und "Frieden" zu einer Utopie in messianischer Zeit abrücken lassen.
Sollte Mekka scheitern, wäre die Katastrophe vorprogrammiert. Sollte eine "Einheitsregierung" zustande kommen, wäre ein Neuanfang mitsamt Verhandlungen und "politischem Horizont für die verzweifelten Palästinenser" noch längst nicht garantiert.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com