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Eine hilflose Welt
Am 27. Januar 2007 wird der internationale Schoah-Gedenktag zu dritten Mal begangen werden. Festgelegt auf den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, dient er der Erinnerung an die Vernichtung der Juden Europas. Er wurde zuerst in europäischen Ländern eingerichtet und später von den Vereinten Nationen übernommen. Diese begrüßenswerte Initiative ist scheinbar der Höhepunkt eines Prozesses, in dessen Verlauf die Schoah der Juden nicht nur als Katastrophe für unser Volk sondern als allgemeine Wichtigkeit betrachtet wurde: der Tag dient als Erinnerung an die Schrecken, die Menschen fähig sind anderen Menschen anzutun, und er dient als Warnung –wenn nicht als Alarmglocke-, die die Menschheit aufrufen soll, entschlossen gegen gegenwärtige und zukünftige Gefahren dieser Art zu kämpfen...
Leitartikel Ha’aretz, 26.01.2007
Übersetzung von Daniela Marcus
Das würdige Begehen dieser Zeremonien und Gedenktage kann angenommen werden. Doch werden sie auch von Taten begleitet? Zweifel schleichen sich ein wenn man den gegenwärtigen Zustand der Welt betrachtet: Die internationale Gemeinschaft scheiterte auf beschämende Weise in ihrem Umgang mit dem Gemetzel in Ruanda, und nun hat sie auch Probleme, den Massenmord in Sudans Provinz Darfur angemessen zu handhaben. Und bei all den Denunziationen und dem Schock scheint die internationale Gemeinschaft auch angesichts des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, der die Schoah leugnet und die Existenz des Staates Israel bedroht, hilflos und untätig dazustehen.
Die offenen Vernichtungsdrohungen werden von Irans Anstrengungen begleitet, sich mit Massenvernichtungswaffen auszurüsten, die fähig wären, diese Drohung auszuführen. Und doch regt sich die internationale Gemeinschaft nicht auf. Sie läuft nicht auf Hochtouren, um dem Iran zumindest Atomwaffen zu verbieten. Manchmal scheint es, die internationale Gemeinschaft ist mehr mit Zeremonien und Gedenktagen zur Reinigung ihres Gewissens auf Grund der Untätigkeit angesichts vergangener Katastrophen beschäftigt, als damit, mit den Katastrophen, die jetzt geschehen oder am Horizont zu sehen sind, angemessen umzugehen.
In diesem Zusammenhang müssen die europäischen Länder und ihre Staatsführer eine besondere Rolle spielen. Dieser Kontinent, auf dem die Schrecken der Schoah geschehen sind, leitet nun zugegebenermaßen die Erinnerungsbemühungen. Doch hat er wirklich seine Lektion gelernt? Hat er zum Beispiel gelernt, wie gefährlich es ist, fanatische Tyrannen, die jedes Zugeständnis als Schwäche und nicht notwendigerweise als Zeichen des guten Willens betrachten, zu besänftigen?
Geschichte wiederholt sich in der Regel nicht. Wir sind nicht im Jahr 1938, wie Benjamin Netanjahu kürzlich warnte, sondern wir sind im Jahr 2007. Und man muss nicht endlose Analogien zu den Opfern des Zweiten Weltkrieges oder Vergleiche mit Chamberlain, Churchill und Hitler bemühen. Dies stört nur die Anstrengung, mit offenen Augen die wirklichen Gefahren zu betrachten: die Gräueltaten in Afrika und die Gefahren, die dem iranischen Regime innewohnen.
In einer ausgewogenen Rede über die iranische Bedrohung, die Premierminister Ehud Olmert bei der Herzliya-Konferenz hielt, nahm er davon Abstand, Israel allein an die vorderste Front des Kampfes zu stellen. Doch gleichzeitig ließ er keinen Zweifel daran, dass Israel entschlossen ist, niemals wieder eine gegen es gerichtete existenzielle Bedrohung zuzulassen. Israel sollte sich in diesem Kampf jedoch nicht nur auf sich selbst verlassen. Der Kampf gegen Irans Drohungen und Atomarisierung –ein Kampf, in dem diplomatische und wirtschaftliche Kanäle noch nicht vollkommen ausgeschöpft sind- fordert internationale und insbesondere europäische Entschlossenheit, gegen diese aufkommenden Drohungen vorzugehen – und nicht nur die Unterstützung von Gedenktagen und Zeremonien für die Katastrophen der Vergangenheit.