Jump to navigation
Die Würdelosigkeit eines Präsidenten
Die 48 Minuten lange Selbstdarstellung des verdächtigten Vergewaltigers war gespickt mit allen Zutaten eines seiner Sinne nicht mehr mächtigen Mannes. Mosche Katzav, Staatspräsident des Staates Israel, hatte in seinem Gift und Galle spuckenden Monolog pauschal die Polizei der Misshandlung, die Presse der Hexenjagd und die Staatsanwaltschaft des Wortbruchs bezichtigt. Nur er selber, das armselige Opfer einer zügellosen Verschwörung und böswilliger Lügen, seit 37 Jahren glücklich mit Gila verheiratet, will bis zum letzten Bluttropfen für seine Unschuld kämpfen...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 25. Januar 2007
Auch dem ersten Bürger eines Staates gebührt die Unschuldsvermutung. Nicht jedes in der Presse breitgetretene Schäferstündchen des Katzav mit "A" oder mit "B", den Opfern seiner mutmaßlichen sexuellen Eskapaden, fanden Eingang in den Entwurf der Anklageschrift. Erst wenn die Anklage feststeht, will Katzav zurücktreten. Das kann Monate dauern. Noch schützt ihn die amtseigene Immunität vor einer Anklage.
Ob schuldig im Sinne der Anklageschrift oder nicht: Was Katzav sich live vor den Augen der Welt geleistet hat, seine ungezügelte Attacke auf die Gesetzeshüter, auf die Meinungsfreiheit und auf das Gerichtswesen, machen ihn unwürdig, weiter Staatsoberhaupt zu bleiben.
Positiv anzumerken ist, dass im demokratischen Rechtsstaat Israel niemand über dem Gesetz steht. Minister, Abgeordnete, der Premierminister und sogar der Staatspräsident mögen korrupt sein. Doch der Staat funktioniert vorbildlich, solange die Presse darüber berichten kann, die Polizei ermittelt und die Staatsanwaltschaft auch die Mächtigen vorführen kann.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com