Es könnte schon zu spät sein für Israelis und Palästinenser, eine gemeinsame Vereinbarung erzielen zu können, wenn man sich weiterhin an die derzeitige Struktur hält. Die bisher versuchten Methoden, die eine kurze Zeit lang erfolgversprechend zu sein schienen, sind gescheitert. Der Friedensprozess, der vor fast 20 Jahren mit der Erschütterung durch die erste Intifada begann, hat anscheinend das Ende seiner Möglichkeiten erreicht...
Von Danny Rubinstein
Viele Palästinenser und auch Israelis schätzen die gegenwärtige Periode als eine der schlimmsten in der Geschichte des Konfliktes in diesem Land ein. Der gewaltvolle Kampf zwischen Fatah und der Hamas ist für Israel nicht gut. Palästinensische Sprecher weisen jeden Versuch zurück, ihre Situation als einen Bürgerkrieg darzustellen. Einige sagen, es sei "ein Krieg der Organisationen", dies sei eine treffendere Beschreibung.
Wie auch immer, nach der ausführlichen Berichterstattung über das Treffen zwischen Ministerpräsident Ehud Olmert und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomie, Mahmoud Abbas (Abu Mazen), vor zwei Wochen, erklärte ein palästinensischer Journalist, ihm sei jetzt klar geworden, dass es in einem Punkt keinen Meinungsunterschied zwischen den rivalisierenden palästinensischen Gruppen gebe: Sie alle sind sich darüber einig, dass der israelische Staat keinen Frieden wolle.
Als hervorragender Beweis dafür diente den palästinensischen Sprechern das Ergebnis des Olmert-Abu Mazen-Treffens: Es gab keine Freilassung von palästinensischen Gefangenen. Es gab keine Erleichterung der Einschränkungen an den Checkpoints. Dafür gab es eine Erklärung (die deutlich in den arabischen Medien gezeigt wurde) über die Errichtung einer neuen Siedlung im nördlichen Jordantal und einen Militärangriff auf Ramallah, bei dem arabische Zivilisten getötet worden sind.
Im Nachhinein können wir auf einen der Gründe für das schmerzhafte Scheitern des Friedensprozesses hinweisen: Die Methode eines stufenweisen Arbeitens hin zu einer Vereinbarung, ohne bereits im Vorfeld einen Entschluss über das endgültige Ziel, das man erreichen möchte, getroffen zu haben, hat nicht funktioniert. Das Problem waren nicht die Stufen, sondern das Ziel, zu dem sie führen sollten. So versuchte jede Seite in jeder Etappe des diplomatischen Prozesses die eigene Position zu verbessern, dabei die nächste Stufe und das eigene endgültige Ziel berechnend.
Nehmen wir als Beispiel die Jerusalem-Frage. Weil es im Prinzip keine Vereinbarung darüber gegeben hat, wie der Endstatus von Jerusalem sein sollte, gaben sich aufeinanderfolgende israelische Regierungen alle Mühe, die jüdische Präsenz in Ost-Jerusalem zu stärken. Auf der anderen Seite versuchten die Palästinenser dies zu blockieren und ihrerseits eine eigene Präsenz in der Stadt zu etablieren. Israelische Regierungen bauten jüdische Stadtteile im Osten der Stadt und vertrieben dort die Araber, indem ihnen das Recht verweigert wurde, in der Stadt zu leben. Die PA demonstrierte Widerstand. Sie bezeichnete dies als "ethnische Säuberung". Sie führte [in der Stadt] nationale Institutionen wie das Orient Haus ein, und der frühere Vorsitzende der PA, Yasser Arafat, rief nach einer Million Märtyrern, die nach Jerusalem marschieren sollten.
Das Ergebnis war, dass es in der Jerusalem-Frage – wie in anderen Problemen auch - keinen Fortschritt hin zu einem Kompromiss gab, sondern nur einen Rückschritt. Der Konflikt vertiefte sich lediglich. Aus diesem Grund war die Zeit, die der Vereinbarung zu den einzelnen Stufen des diplomatischen Prozesses folgte sogar schlimmer als jene Zeit, in der es noch gar keine Vereinbarung gegeben hatte.
Die Schlussfolgerung ist klar. Zuallererst müssen wir uns auf alle Ziele des Enddstatus-Abkommens einigen und dann erst Verhandlungen über die Frage ihrer Realisierung aufnehmen. Wir sollten als Erstes beispielsweise vereinbaren, dass eine palästinensische Hauptstadt in Ost-Jerusalem errichtet wird, und erst im Anschluß daran sollten wir darüber verhandeln, wie dieses Ziel erreicht wird in Anbetracht der in der Stadt existierenden Bedingungen und der dortigen Realität. Solch ein diplomatischer Kurs wäre vielleicht nicht im Sinne der ideologischen Führerschaft der Hamas sein, aber sicherlich würde er dem Großteil der Hamas-Wähler recht sein. Diese waren zwar bereit für ein Abkommen, hatten aber den vorangegangene diplomatischen Weg der Oslo Abkommen abgelehnt wie auch den derzeitigen Weg der Roadmap.
Hamas Führer Khaled Meshal sagte vor einigen Tagen, seine Bewegung blockiere keinen diplomatischen Weg – aus dem einfachen Grund, dass nämlich ein solcher Weg zurzeit nicht einmal existiere. Er hat Recht.
Damit es solch ein Weg geben kann, muss es auf israelischer Seite viel mehr geben als nur Besorgnis wegen des palästinensischen "Stoffes, aus dem das Leben ist" (der Slogan des israelischen Verteidigungsestablishments in Bezug auf die Lockerung von Einschränkungen) und Versprechungen, Vorposten von Siedlungen abzubauen. Wir müssen uns auf das Ende des Prozesses einigen, an dem ein palästinensischer Staat gegründet wird mit verbesserten Grenzen der Waffenstillstandslinie von 1967 und mit der Hauptstadt in Ost-Jerusalem. Denn sonst wird es gar nichts geben.
Danny Rubinstein ist Redakteur für arabische Angelegenheiten bei Ha'aretz.
Quelle: Ha'aretz, 8. Januar 2007, Übersetzung K. Badr
Ulrich Sahm:
Erwiderung auf Dany Rubinstein
Es sei vor Allem hinzugefügt, dass das Leben weitergeht. Wenn kalter Krieg und Spaltung Deutschlands überwunden sind, dann tauchen so unüberwindbare Probleme wie die Renten- und Gesundheitsreform auf. Und wer diese nicht ernst genug nimmt, dem wird plötzlich in Moskau das Gas abgeschaltet oder durch einen Orkan das Dach weggeblasen. Auch im Nahen Osten kommt das Leben nicht zu einem Stillstand, weil die Palästinenser einen Machtkampf ausfechten, die Roadmap nicht funktioniert, Oslo abgeschrieben ist und ein Palästinensischer Staat heute ferner zu sein scheint als jemals zuvor...